IT-Fusion, Teil 1

Harte Planung schafft weiche Übergänge

Von Thomas Luther, ncc Management Consultants GmbH

Schließen sich zwei Unternehmen zusammen, ist die Integration der IT-Systeme eine der größten zu bewältigenden Aufgaben. Der Kauf von Unternehmen wird in der Regel auf der Basis von geschäftspolitischen Entscheidungen in die Wege geleitet. Oft geht es darum, neue Märkte zu erschließen, das Produktportfolio zu ergänzen oder die Position im Stammmarkt zu stärken. Zunächst ist es ein rein formaler Akt, der durch die Bekundung beider Unternehmen zu einer engen Zusammenarbeit, den Kauf von Aktienpaketen und dergleichen vollzogen wird.

Doch die Integration der Unternehmen mit all ihren Prozessen und Organisationen bis hin zur Kultur dauert oft mehrere Jahre und ist mit großen Herausforderungen verbunden ist. Auf der Entscheiderebene meist mit wenig Aufmerksamkeit bedacht, in der Praxis aber bedeutend ist dabei die Integration der IT im organisatorischen, technischen und kaufmännischen Sinne.

Viele IT-Organisationen ordnen heute bereits die Beiträge der IT in Kosten und Technologie einzelnen Geschäftsprozessen zu. Somit werden Kostenverursachung und Servicezuordnung transparenter. Unternehmen, die dieses Stadium bereits erreicht haben, fällt die Integration einer neuen IT leichter: Beim Zusammenschluss von Unternehmen werden redundante Geschäftsprozesse identifiziert, um sie durch einen neuen gemeinsamen Prozess oder den (vermeintlich) erfolgreicheren der bestehenden Prozesse zu ersetzen. Die den Geschäftsprozess unterstützenden IT-Systeme werden dann entsprechend konsolidiert und Datenbestände auf das einheitliche System migriert.

Analog gilt dieses Vorgehen auch für die Anforderungen an Dienstleistungen, Prozesse und Compliance, die an die gemeinsame IT gestellt werden. Außerdem werden die Aufgaben der IT insgesamt betrachtet: Welche Rolle spielt die gemeinsame IT bei der Gestaltung der Geschäftspolitik? Was wird von der IT erwartet? Themen, die bereits seit einigen Jahren auf der CIO-Agenda stehen und die teils mit beträchtlichem Aufwand bereits Gestalt gewonnen haben, müssen unter Umständen neu aufgerollt werden.

Zusammenwachsen in fünf Phasen

Unterstellt man, dass der Zusammenschluss der IT Organisationen ein in sich geschlossenes Projekt ist, mit der Zielsetzung, einem „neuen“ Kunden die für die Unterstützung seiner geschäftlichen Anforderungen notwendigen IT-Services anzubieten, nimmt das Projekt „IT-Merger“ in fünf Phasen Gestalt an:

  1. Phase eins: Mission – Was bleibt, was ändert sich?
  2. Phase zwei: Due Dilligence – Analyse der IT-Welten
  3. Phase drei: Decision – Optionen bewerten, Entscheidungen treffen
  4. Phase vier: Integration Planning & Design – die neue IT entsteht
  5. Phase fünf: Integration Management – zwei Unternehmen wachsen zusammen

Phase eins: Mission – Was bleibt, was ändert sich?

In der Phase „Mission“ werden die relevanten Eckdaten für die IT identifiziert. Dazu gehört neben dem zeitlichen Rahmen auch die Identifikation der Bereiche, die definitiv ausgeschlossen werden können oder eingeschlossen werden müssen. Neben den Funktionseinheiten und Geschäftsbereichen, die durch den Merger betroffen sind, zählen auch regionale Ausprägungen und Konzepte dazu. Ein denkbares Beispiel ist der Beschluss eines Unternehmens den Vertrieb im Inland zu konsolidieren, im Ausland allerdings auf der Basis der bestehenden Prozesse – und damit Geschäftsprozessanwendungen – weiter zu betreiben.

In dieser ersten Phase ist auch die Frage nach einer einheitlichen IT-Roadmap und der IT-Governance grundlegend zu beantworten. Werden Outsourcing-Bestrebungen weiter vorangetrieben? Oder ist gar der Zusammenschluss der Anstoß, sich vom IT-Betrieb ganz zu trennen? Unabhängig davon, wie hoch der Grad der zugekauften IT-Leistungen auch ist: eine einheitliche IT Governance, gestützt auf eine homogene Erwartungshaltung an die IT als internen Dienstleister, ist entscheidend für eine erfolgreiche Unterstützung der gemeinsamen Geschäftsprozesse.

Phase zwei: Due Dilligence – Analyse der IT-Welten

Auf dieser Basis können in der folgenden Due-Dilligence-Phase die Handlungsfelder für eine Integration der IT-Welten gelegt werden. Hier gilt es, die neuen Kernprozesse des Unternehmens, die unterstützenden Geschäftsprozessanwendungen und die wichtigsten gemeinsamen IT-Prozesse zu benennen.

In dieser Phase werden häufig wichtige Rahmenbedingungen übersehen: Die Definition des Verantwortungsbereichs von IT-Organisationen ist in den Unternehmen in der Regel sehr unterschiedlich. So kann die Telekommunikation (Festnetztelefonie, PDAs, Mobiltelefone) auch außerhalb der IT eingegliedert sein. Oder die Entwicklung von geschäftsbereichsspezifischen Anwendungen liegt nicht in den Händen der IT.

Hier muss also genau analysiert werden, ob die IT-Services – und deren Kosten – überhaupt vergleichbar sind und wie sie es gegebenenfalls werden können.

Das Ergebnis von Phase zwei ist eine Übersicht über die für den Merger wichtigen IT-Services und IT-Prozesse – vom Anforderungsmanagement über die Anwendungsentwicklung bis hin zum Betrieb – sowie über die noch bestehenden Informationslücken. Auf welche Weise und zu welchem Zeitpunkt die etwaig noch fehlenden Daten erhoben werden sollen, kann je nach Priorität der Integration zu einem späteren Zeitpunkt beschlossen werden. Informationslücken sollten aber frühzeitig identifiziert und im Auge behalten werden, sonst steigt das Risiko von Fehlentscheidungen – richtigen Entscheidungen, aber auf Basis fehlerhafter Grundlagen.

Transparenz zu schaffen, ist in dieser Phase erfolgskritisch – nicht das Fällen von Entscheidungen. Leider wird dieser Phase in der Praxis nur eine untergeordnete Bedeutung zugemessen, die später teuer bezahlt werden muss – durch verlängerte Integrationsphasen und entgangene Synergieeffekte, höhere Betriebs- oder Entwicklungskosten oder ausbleibenden Geschäftserfolg.

Wie nach der konkreten Entscheidungsfindung die praktische Umsetzung der Integration in Gang kommt und erfolgreich abgeschlossen werden kann, schildert der Teil 2 dieser Serie.