Zurück zur Zahlungsfähigkeit
Von der Fachredaktion anwalt.de
In schwierigen Zeiten stehen viele mittelständische Unternehmen rasch mit dem Rücken zur Wand. Viele versuchen durch vorübergehende Maßnahmen wie Sondervereinbarungen mit Betriebsrat und Mitarbeitern, Kurzarbeit oder Entlassungen den Betrieb zu erhalten. Doch nicht jedem gelingt es, die wirtschaftliche Durststrecke zu überwinden. Dann tun sich für die Geschäftsführung ganz andere Fragen auf: Wer kann überhaupt die Insolvenz beantragen, wann ist man sogar dazu verpflichtet und wie läuft das ganze Insolvenzverfahren ab?
„Insolvenz“ bedeutet sprachgeschichtlich so viel wie ein „Sich-nicht-lösen-können“, d.h. sich von seinen Schulden nicht befreien können. Dementsprechend ist Insolvenz heute gleichbedeutend mit Zahlungsunfähigkeit und bezeichnet insbesondere das rechtliche Verfahren, das bei Zahlungsunfähigkeit z.B. von Unternehmen oder Privatpersonen durchgeführt wird.
Nach Plan und Ziel
Das Insolvenzverfahren selbst ist grundlegend in der Insolvenzordnung (InsO) geregelt, die das bis 1999 noch geltende Konkurs- und Vergleichsverfahren zusammengefasst hat. Die Insolvenz betrifft grundsätzlich das Vermögen einer juristischen Person (z.B. GmbH, AG) oder einer natürlichen Person (z.B. als Selbstständiger, Freiberufler). Besondere Regeln gelten darüber hinaus für die so genannte Verbraucherinsolvenz, für die Nachlassinsolvenz (bei Erbschaften) oder etwa in bestimmten Fällen der Gütergemeinschaft von Eheleuten.
Ein juristischer Dreiteiler erläutert alles, was Unternehmer über das Insolvenzverfahren wissen müssen: Teil 1 erklärt die Prinzipien und listet die Antragsberechtigten nach Gesellschaftsform. Teil 2 geht die Abläufe im Einzelnen durch und bespricht die wichtigsten Stationen bis zum Schlusstermin. Teil 3 hat kompakt praktische Tipps für Insolvenzschuldner und -gläubiger parat. Daneben geben Schwerpunktbeiträge Auskunft darüber, was im Angesicht drohender Insolvenz zu tun ist, wie der Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit gefasst ist, was Überschuldung heißt und welche Alternativen im Fall von Insolvenz durch Überschuldung noch offen stehen, was mit Lizenzen in der Insolvenz geschieht, welchen rechtlichen Status Gesellschafter im Insolvenzverfahren haben, wie das Verhalten in der Insolvenz die Abläufe beeinflusst und wie die Planinsolvenz in Eigenverwaltung (im Schutzschirmverfahren) funktioniert.
Das Insolvenzverfahren soll im Idealfall dazu führen, dass die Zahlungsfähigkeit des Insolvenzschuldners auf Grundlage eines Insolvenzplans wiederhergestellt wird. Wenn das nicht möglich ist, sollen jedenfalls die Gläubiger gemeinschaftlich befriedigt werden, indem sie am Erlös des Vermögens beteiligt werden. Im Gegenzug wird dem redlichen Insolvenzschuldner die Möglichkeit gegeben, sich von den verbleibenden Restschulden zu befreien.
Antrag und Eröffnungsgründe
Um das Insolvenzverfahren erfolgreich beantragen zu können, muss ein so genannter Eröffnungsgrund vorliegen. Die InsO kennt folgende Eröffnungsgründe:
- Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO),
- drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und
- Überschuldung (§ 19 InsO) – gilt nur für juristische Personen.
Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO liegt vor, wenn der Schuldner seine fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen kann. Man geht von Zahlungsunfähigkeit aus, wenn er seine Zahlungen eingestellt hat.
Bei drohender Zahlungsunfähigkeit ist der Schuldner zum Zeitpunkt des Antrags zwar noch zahlungsfähig, doch er wird seine Zahlungspflichten voraussichtlich zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht erfüllen können.
Von Überschuldung hingegen spricht man, wenn das Vermögen des Schuldners die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Ist die Fortführung des Unternehmens den Umständen nach dennoch überwiegend wahrscheinlich (z.B. wenn ein Großauftrag zwar eingegangen, aber noch nicht umgesetzt ist), liegt auch keine Überschuldung vor.
Nur wenn einer dieser Eröffnungsgründe gegeben ist, kann gemäß § 16 InsO der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgreich sein.
Im aktuellen Ratgeber sagt Axel Oppermann, wie sich Geschäftsführer am besten auf eine Insolvenz gefasst machen und dabei die Firma, ihre Assets und sich selbst schützen. Er skizziert außerdem, welche Maßnahmen es gibt, um unter Umständen die Insolvenz noch einmal abzuwenden. Woher dieses Wissen kommt, erzählt er offen im Interview: aus eigener Erfahrung.
Wer ist antragsberechtigt?
Grundsätzlich können sowohl der Schuldner selbst als auch seine Gläubiger Insolvenzantrag stellen. Um willkürliche Anträge von Gläubigern zu verhindern, müssen sie beim Antrag zugleich ihr berechtigtes Interesse an der Insolvenz sowie ihre Forderung gegen den Schuldner und den Eröffnungsgrund glaubhaft machen (gemäß § 14 Abs. 1 InsO).
Bei Antragstellung des Schuldners ist die Rechtsform des Unternehmens entscheidend. Ist der Schuldner selbstständig oder freiberuflich tätig, kann neben dem Gläubiger nur er selbst Insolvenz beantragen. Die wichtigsten Zuständigkeiten im Überblick:
Insolvenzantragsteller nach Rechtsform | ||
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Natürliche Person | Antragsberechtigt als Schuldner | |
selbstständiger Unternehmer (z.B. eingetragener Kaufmann) | der Unternehmer selbst | |
Freiberufler (z.B. Rechtsanwalt, Arzt, Architekt) | der Freiberufler selbst | |
Rechtsform | Antragsberechtigt auf Seiten des Schuldners | Zusätzlich Antragsberechtige, wenn die Gesellschaft keine Führung mehr hat |
eingetragener Verein (e.V.)/ nicht eingetragener Verein |
jedes Vorstandsmitglied | jedes Vorstandsmitglied |
GmbH | jeder Geschäftsführer | jeder Gesellschafter |
AG (Aktiengesellschaft) | jedes Vorstandsmitglied, jedes Aufsichtsratmitglied | jedes Aufsichtsratmitglied |
OHG (Offene Handelsgesellschaft) | jeder persönlich haftende Gesellschafter | – |
KG (Kommanditgesellschaft) | jeder persönlich haftende Gesellschafter | – |
GmbH & Co. KG | jeder persönlich haftende Gesellschafter | – |
KGaA (Kommanditgesellschaft auf Aktien) | jeder persönlich haftende Gesellschafter | – |
PartG (Partnerschaftsgesellschaft) | jeder geschäftsführende Partnerschaftsgesellschafter | – |
BGB-Gesellschaft/GbR | jeder geschäftsführende Gesellschafter | – |
Sind mehrere Personen eines Organs (z.B. der Vorstand oder die Geschäftsführung) antragsberechtigt, stellen aber den Antrag nicht gemeinsam, so müssen der oder die Antragsteller zusätzlich auch den Eröffnungsgrund glaubhaft machen (§ 15 Abs. 2 InsO).
anwalt.de ist ein führendes, unabhängiges Anwaltsverzeichnis im deutschsprachigen Raum. In Kooperation mit dem MittelstandsWiki erklärt die Fachredaktion anwalt.de praktische Rechtsthemen für den Mittelstand.
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- Wie das Verfahren von der Eröffnung bis zum Schlusstermin im Einzelnen abläuft, legt Teil 2 dieser Serie dar. Teil 3 hat schließlich handfeste Tipps für beide Seiten des Verfahrens parat.
Nützliche Links
Eine der wichtigsten Informationsquellen ist der jährliche Creditreform-Bericht Insolvenzen, Neugründungen und Löschungen, ebenso wie die betreffenden Tabellen des Statistischen Bundesamts.
Schwarz auf Weiß
Eine praktische Darstellung zum Thema Insolvenz im Mittelstand gibt Dr. Jürgen Kaack im Ratgeber „Fallstudie einer Insolvenz“, den Sie online im Zeitschriftenkiosk des MittelstandsWiki bekommen.