Fertigung verlangt Infrastruktur
Von Sabine Philipp
Eine eigene Produktion im Reich der Mitte rentiert sich eigentlich nur für Unternehmen, die Produkte mit hohem Arbeitsanteil herstellen oder Kunden im asiatischen Raum beliefern. Die Stundenlöhne in China sind niedrig, und davon können deutsche Unternehmen profitieren, besonders solche, die auf Kosten– oder Preisführerschaft bauen.
Denken Sie aber auch daran, dass neben den Löhnen noch jede Menge anderer Kosten anfallen – und die können unter Umständen die Ersparnis wieder auffressen. Schließlich sind Investitionen nötig, um die Produktion aufzubauen, und es kostet Geld, die Waren zu verschiffen. Steuern und Zölle kommen noch hinzu.
Auf Qualität kalkulieren
Außerdem scheint momentan der Lohnfaktor an seine Grenzen zu stoßen. Etliche Großunternehmen, die versuchten, diese Kosten ins Bodenlose zu drücken, bekamen bereits die Quittung und mussten sich wegen Qualitätsmängeln auf den heimischen Märkten schwere Vorwürfe gefallen lassen. (Die Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung e.V. hat hierzu einen hochinteressanten Hintergrundbericht zu den Spielzeugrückrufaktionen ins Netz gestellt.)
Bei Planung und Aufbau Ihrer Anlagen müssen Sie sich bewusst sein, dass Sie in China kein Land kaufen dürfen. Sie können nur Landnutzungsrechte für einen Zeitraum zwischen 40 und 70 Jahren erwerben.
Dem Kunden folgen
Abgesehen von den Lohnkosten ist eine weitere Überlegung für etliche Mittelständler interessant: Falls es Ihren Hauptkunden in den fernen Osten gezogen hat, könnte es sich – z.B. als Automobilzulieferer – durchaus lohnen, einen Standort in der Nähe zu errichten.
Teil 1 sagt, worauf KMU beim China-Engagement achten müssen. Teil 2 untersucht, was der Produktionsstandort wert ist. Teil 3 gibt Tipps für den Behördengang im Kader-Kapitalismus. Teil 4 zeigt, welche Chancen der Absatzmarkt bietet. Teil 5 ist ein Crashkurs zu Schlangen, Sitten und Gebräuchen. Eigene Beiträge warnen außerdem vor den gängigsten Fallen im Chinageschäft und befassen sich mit dem Patentschutz für China.
Vielleicht haben Sie ja auch in anderen asiatischen Ländern Kunden, die Sie von dort aus besser beliefern können. Ein Beispiel: Bei der Wiesbadener Firma SGL Carbon haben sich laut Vorstandsvorsitzendem Robert J. Koehler die Produktionsanlagen, die für solche Zwecke in China errichtet wurden, schnell positiv bemerkbar gemacht. Der Produzent von Spezialgraphitprodukten weiß aber auch gut, dass er sich vor Ideenklau schützen muss, und hält deswegen 75 % der Anteile am Joint Venture mit der Shanxi Quanhai Graphite Co. Ltd.
Wissen schützen
In der Tat gehen Unternehmen mit einem Joint Venture in China ein kaum beherrschbares Risiko ein. Zu viele KMU haben sich auf diesem Terrain bereits eine blutige Nase geholt, weil sich der chinesische Partner das Know-how abgegriffen und dann viel günstiger in eigenen Fabriken produziert hat.
Die Alternative ist die eigene Tochterfirma mit einem so genannten Wholly Foreign Owned Enterprise (WFOE). Erkundigen Sie sich aber vorher, ob Sie das auch in Ihrer Branche dürfen und für wie viele Jahre Sie eine Genehmigung bekommen. Denn auch hier gibt es eine Unmenge von Regeln, die es zu beachten gilt. Der Hauptvorteil liegt darin, dass Sie die komplette Managementkontrolle über das Unternehmen behalten. Der Nachteil dieser Exklusivität ohne chinesischen Einfluss wird dann spürbar, wenn Sie enge Kontakte zu ansässigen Firmen oder Behörden brauchen.
Standortvorteile sichern
Konkret gefragt: Wo genau sollen KMU produzieren? – Wichtig ist zunächst, dass die Infrastruktur stimmt, dass Sie genug fähiges Personal bekommen und die Waren abtransportiert werden können. Es hat also einen guten Grund, warum gerade Küstenregionen das größte Wachstum aufweisen.
Daneben spielen die Investitionsrahmenbedingungen eine große Rolle, sprich: wie es mit Bürokratie und Steuern aussieht. Nach einer Studie der Weltbank („Competitiveness Enhancements for 120 Cities in China“) ist die Stadt Hangzhou (Provinz Zhejiang) hier die Nummer eins, gefolgt von Qingdao (Shandong), Shaoxing (Zhejiang), Suzhou (Jiangsu), Xiamen (Fujian) und Yantai (Shandong). Befragt wurden rund 12.400 in- und ausländische Unternehmen, die 120 Städte bewertet haben. Bei den zehn besten Städten dauerte die Interaktion mit den Behörden 36 Tage, die zehn Schlusslichter benötigten ganze 87 Tage. Die Zollabwicklungen dauerten bei den Top Ten im Schnitt 5,4 Tage; bei den letzten zehn waren es 20,4 Tage.
Fazit: Mit allem rechnen
Dass beim Thema China nicht allein die Fakten entscheiden, wird aus Erfahrungsberichten immer wieder deutlich. Manchmal sei es besser, auf das Bauchgefühl als auf käufliche ISO-Zertifikate zu hören – so das Fazit von Julie Johnson, internationale Einkäuferin bei Baier & Schneider, auf einer China-Veranstaltung der IHK Heilbronn. Andreas Dierolf vom Würth-Konzern pflichtet bei: „Ziehen Sie beim Besuch ihres chinesischen Lieferanten auch mal Stechkarten, um zu prüfen, wie lange Beschäftigte dort am Band stehen.“ Wichtig sei, mit den Leuten zu reden. Wer das kann, läuft weniger Gefahr, auf potemkinsche Fassaden hereinzufallen. Die klassischen kaufmännischen Tugenden, gepaart mit einem gesunden Misstrauen und praktischem Verstand bringen Sie auch in China am besten nach vorn.
Nützliche Links
Das Außenwirtschaftsportal iXPOS des BMWi, generell eine der besten Informationsquellen für KMU im Web, pflegt ein Länderdossier China mit weiterführenden Links und aktuellen Veranstaltungsterminen. Gute Anlaufstellen für interessierte Produzenten sind auch der Ostasiatische Verein (OAV/German Asia-Pacific Business Association) oder Plattformen wie das Chinaforum Bayern.