Die üblichen Verdächtigen
Von Stefan Heng, Deutsche Bank Research
Im Anschluss an den Überblick über die Spielebranche ist noch wichtig festzuhalten, dass das Games-Geschäft weit weniger international ist, als es manches Vorurteil zur Branche nahe legt.
Es hat sich u.a. gezeigt, dass eine Spielidee, die in einem Kulturkreis erfolgreich ist, kann nur dann auch anderswo erfolgreich sein kann, wenn das Game auch dem anderen technischen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontext (z.B. Farbe, Sound, Genre) entspricht.
Asien und Konsolen
Trotz aller Herausforderungen bei der statistischen Erfassung der Branche ist unstrittig, dass die Games-Branche heute einen wirtschaftlich bedeutenden Bereich repräsentiert. So wurden nach Angaben der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers mit Games (inklusive Werbung, exklusive Hardware) 2007 weltweit 30,6 Mrd. Euro umgesetzt. Dabei platzierte sich der asiatisch-pazifische Markt mit einem Volumen von 10,8 Mrd. Euro knapp vor dem amerikanischen (10,6 Mrd. Euro). Innerhalb Europas liegt Großbritannien deutlich vor Deutschland und Frankreich.
In den amtlichen Statistiken wurde die Games-Branche lange Zeit nicht gesondert erfasst. Erst seit kurzem sind die Verantwortlichen dabei, eine amtliche Datengrundlage jenseits der Veröffentlichungen privatwirtschaftlicher Institute zu erstellen. So will das Statistische Bundesamt mit der neuen Klassifizierung der Wirtschaftszweige (WZ 2008), die im zweiten Halbjahr 2009 umgesetzt werden soll, auch die neue Klasse „58.21 Verlegen von Computerspielen“ einführen.
Jenseits der Aufteilung nach Regionen sticht bei den Komponenten die überaus dominante Position der Konsolen-Games heraus, die 2007 mit einem Volumen von 18,2 Mrd. Euro allein drei Fünftel des Weltmarkts erwirtschaftet. Mit deutlichem Abstand folgten Online-Games (4,8 Mrd. Euro), mobile Games (4,1 Mrd. Euro) und Offline-PC-Games (2,8 Mrd. Euro). Nach PwC-Angaben kam die Werbung mit einem Volumen von gut 750 Mio. Euro auf einen Marktanteil von gut 2 %. (Diese Angaben erfassen sowohl direkte Zahlungen zwischen Werbetreibenden und Games-Anbietern, als auch verrechnete Gegengeschäfte sowie andere Transaktionsformen. Die Zahlen sind aber recht optimistisch.) Werbung spielt damit entgegen mancher Vorurteile nur eine sehr kleine Rolle für den gesamten Games-Markt.
Teil 1 skizziert die Bedingungen der Branche und wagt sich an eine erste Systematik. Teil 2 betrachtet die einzelnen Genres näher und wendet sich dann den Anbietern zu. Teil 3 wartet mit Zahlen zum Markt auf und erläutert unterschiedliche Erlösmodelle. Teil 4 behandelt den Wandel der Branche und nennt die treibenden Kräfte dafür. In einem Extrabeitrag untersucht Stefan Heng die Auswirkungen der Krise auf die Games-Branche. Ein Seitenblick geht außerdem auf das Berufsbild Game-Designer.
Die anhaltende Popularität der Konsolen wird von den aktuellen Neuerungen im Markt untermauert. Zielte der Wettbewerb zwischen den Anbietern von Konsolen-Games lange Zeit auf die technische Entwicklung bei Grafik und Klang, rückt nun die bewegungssensible Steuerung in den Mittelpunkt. Dabei wird das Game nicht mehr über Tasten, Knöpfe oder Joystick, sondern über die passende Körperbewegung des E-Spielers selbst (z.B. Schlagbewegung beim Tennis) gesteuert.
Darüber hinaus ist derzeit sogar die Steuerung über „Motion Capturing“ in der Erprobung. Bei Motion Capturing lenkt der E-Spieler seine Figur allein durch die Bewegung seiner Hände, seiner Beine sowie durch Stimme und Geste – völlig ohne traditionellen Controller. Die neue Steuerung steigert das emotionale Spielerlebnis enorm und eröffnet nicht zuletzt den Sports Games völlig neue Möglichkeiten bis in den medizinisch-therapeutischen Bereich hinein. Mit diesen neuen Möglichkeiten schaffen es die Games-Anbieter, bereits aktive E-Spieler zu binden und darüber hinaus neue Kundensegmente, wie Frauen und ältere Menschen, für ihre Produkte zu gewinnen.
Deutscher Markt mit großer Dynamik
Der deutsche Games-Markt hatte 2007 ein Volumen von knapp 1,6 Mrd. Euro (exkl. Hardware). Zwischen 2003 und 2007 wuchs der deutsche Games-Markt damit um durchschnittlich knapp +14 % p.a. In diesem wachsenden Umfeld verloren die Offline-PC-Games rund zehn Prozentpunkte Marktanteile. Demgegenüber konnten Konsolen-Games, Online-Games und mobile Games als kleine Segmente deutlich Marktanteile gewinnen.
Mit der Einführung der dritten Generation der Endgeräte nahm der deutsche Markt für Konsolen-Games im gleichen Zeitintervall deutlich an Fahrt auf und wuchs um durchschnittlich +18 % p.a. auf gut 900 Mio. Euro. Gleichzeitig wuchs der Umsatz im deutschen Markt für Offline-PC-Games um durchschnittlich knapp +4 % p.a. auf rund 460 Mio. Euro. Dementsprechend sank der Anteil der Offline-PC-Games am gesamten Umsatz der Games zwischen 2003 und 2007 um zwölf Prozentpunkte auf 29 %. Der Rückgang bei den Offline-PC-Games ging auf Zugewinn der Online-Games zurück.
Bei den Online-Games steigt mit den Neuentwicklungen bei Soft- und Hardware, dem Ausbau breitbandiger Internet-Anschlüsse, der Verbreitung von Flatrates und der zunehmenden Vertrautheit der Konsumenten mit Online-Geschäften die Dynamik. So stieg der Umsatz mit Online-Games zwischen 2003 und 2007 um durchschnittlich knapp 20 % p.a. und erreichte ein Volumen von 115 Mio. Euro; Online-Games zählen damit aber auch weiterhin zu den kleinen Games-Segmenten.
Mobile Games erwirtschafteten 2007 in Deutschland 90 Mio. Euro. Dank des Fortschritts bei den Endgeräten und bei den Mobilfunknetzen stieg die Zahl der Nutzer und auch der Umsatz mit mobilen Games im gleichen Zeitintervall um durchschnittlich gut +50 % p.a.; allerdings von einem niedrigen Anfangsvolumen kommend.
PricewaterhouseCoopers schätzt, dass weltweit mehr als 50 Mio. illegal kopierte Games im Umlauf sind. Dadurch gehen allein im deutschen Games-Markt 15 % des Umsatzes verloren. Dabei ist die Produktpiraterie für die Offline-PC-Games eine besonders virulente Bedrohung, da das illegale Kopieren auf dem PC sehr viel leichter fällt als auf der Spielekonsole. Als Reaktion auf diese Bedrohung geben einige Anbieter ihre Games gegenwärtig zunächst als Konsolen-Game und erst mit zeitlicher Verzögerung als Offline-PC-Game heraus.
Erlösmodelle offline und online
Der Facettenreichtum der Branche drückt sich nicht nur in den Produkten, sondern auch in den Erlösmodellen der Anbieter aus. So finanzieren sich die Games, gestaffelt nach ihrem Vernetzungsmodus (online vs. offline) über folgende Quellen:
- Einmaliger Verkaufserlös der Software, also der Preis, der beim Verkauf der Software im stationären Einzelhandel zu zahlen ist, oder als Pay-per-Download im Online-Vertrieb.
- Regelmäßig anfallende Abonnementsgebühr, also der Erlös, der bei einem Online-Abonnement des Games in festgelegten zeitlichen Abständen fällig wird;
- Item Selling, also der Verkauf von virtuellen Gütern (z.B. Kleidung, Zaubertränken, Schwertern) zur ästhetischen und strategischen Weiterentwicklung der Figuren in vernetzten Games.
- Einnahmen aus In-Game-Werbung, also der Erlös, der über die verschiedenen Werbeformen im Game erzielt wird.
Zauberschwerter versteuern
Das Item-Selling wirft neuartige Rechtsfragen auf, die es international noch zu klären gilt. Die fünf brennendsten davon sind:
- Wem gehören die virtuellen Gegenstände?
- Wie sind die oft auch in virtueller Währung erzielten Umsätze in der Unternehmensbilanz zu behandeln?
- Hat der Spieler, der virtuelle Gegenstände erworben hat, Ersatzansprüche gegen den Betreiber, falls die virtuelle Welt eingestellt wird?
- Ist bei den Transaktionen in der virtuellen Welt eine Banklizenz erforderlich?
- Verstoßen manche Geschäfte in der virtuellen Welt gegen zivilrechtliche Vorschriften, z.B. die des Jugendschutzes?
Schwierige In-Game-Werbung
In-Game-Werbung kann als
- statisches In-Game-Advertising (SIGA), als
- dynamisches In-Game-Advertising (DIGA) oder als
- Werbe-Game betrieben werden.
Dabei ist bei SIGA die Werbebotschaft über die gesamte Zeit fester Bestandteil der Dramaturgie des Games. Die Werbung selbst kann somit niemals ausgetauscht werden. Banden- oder Trikotwerbung sind prominente Beispiele für SIGA in Sports Games. Bei DIGA dagegen werden Werbebotschaften orts- und zeitabhängig online oder mobil eingespielt. Bei Werbe-Games (auch bezeichnet als Adver-Games, Ad-Games, Branded Games) geht es vorrangig darum, über ein speziell entworfenes Spiel eine Marke bekannt zu machen.
Mit der größeren Beliebtheit breitbandiger Internet-Verbindungen sollten die dynamischen, vernetzten Werbeformen gegenüber dem statischen In-Game-Advertising an Bedeutung gewinnen. Allerdings dürfte die In-Game-Werbung auch weiterhin lediglich einen kleineren Teil zum Umsatz des gesamten Games-Marktes beitragen, weil sie wegen ihrer Grenzen bei Inhalt und Intensität immer nur äußerst umsichtig eingesetzt werden kann.
Der Werbetreibende muss zum einen bei den Inhalten sicherstellen, dass das Format und die Platzierung seiner Werbebotschaft zum Image der beworbenen Marke passen. Nicht jedes Genre bietet sich für jede Werbekampagne an. So sind insbesondere Fantasy-Games oder auch einige Shooter-Games hier nur äußerst bedingt einsetzbar. Zum anderen muss der Werbetreibende bei der Intensität ebenfalls sicherstellen, dass die Werbebotschaft das Game nicht völlig dominiert und damit von den am Spielspaß interessierten E-Spielern abgelehnt würde.
Letztlich schwebt über all den Werbeansätzen auch das Damoklesschwert der Rechtsprechung. Zu klären ist, wann für die In-Game-Werbung die aus anderen Medien bekannte Grenze zur Schleichwerbung überschritten ist.
- Im abschließenden Teil 4 wird sich diese Serie die Games als Wirtschaftsfaktor ansehen, dessen Wandel verfolgen und von dort aus nach vorne schauen.
Nützliche Links
Diesen Beitrag gibt es im Volltext bei DB Research als PDF zum Download (auch in englischer Sprache).