Mit Anstand und Offenheit
Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group
Ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unvermeidlich, reißen deswegen die Kontakte zu Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern nicht von heute auf morgen ab. Beim schwierigen Umgang mit ihnen und den Gläubigern gilt die Regel: Nichts schönreden – und dabei die eigenen Interessen wahren. Es gibt gegen die Insolvenz einige Vorsorgemaßnahmen, die jeder Unternehmer beachten sollte.
Früherkennung
Die wichtigsten Punkte, die es im Vorfeld zu beachten gilt, sind:
- Risikomanagement einführen,
- Risiken ohne Scheuklappen bewerten,
- Stellvertreterregelungen einführen,
- die Führungsmannschaft qualifizieren,
- die Fixkosten in Wachstumssituationen begrenzen,
- bei knappen finanziellen Ressourcen regelmäßig einen Finanzstatus erstellen,
- rechtzeitig alle Möglichkeiten zur Finanzierung und Optimierung des Cashflows prüfen (siehe hierzu auch unter Finanzierungsalternativen im Mittelstand),
- Rechtsberatung einholen, um eine Insolvenzverschleppung zu vermeiden und
- frühzeitig nach strategischen Partnern suchen und Kooperationen anstreben.
Schwarz auf Weiß
Eine praktische Darstellung zum Thema Insolvenz im Mittelstand gibt Dr. Jürgen Kaack im Ratgeber „Fallstudie einer Insolvenz“, den Sie online im Zeitschriftenkiosk des MittelstandsWiki bekommen.
Kunden und Mitarbeiter
Das wichtigste Gut eines Unternehmens sind Kunden und Mitarbeiter – und sie wollen als solche auch behandelt werden. Bei drohender Insolvenz sollten sie rechtzeitig und ehrlich informiert werden:
- Bei erkennbaren Krisen eine offene Kommunikation gegenüber den Mitarbeitern pflegen.
- Ideen zur Krisenbewältigung einfordern und ernsthaft prüfen.
- Auf keinen Fall Krisen schlimmer darstellen, um Zugeständnisse an Gehalt und Arbeitsleistung zu erpressen!
- Die Kommunikation gegenüber Kunden gesteuert und sehr vorsichtig ausrichten (vielleicht kann die Krise abgewandt werden und die Kunden wären trotzdem verloren).
- Bei unabwendbarer Insolvenz die Kunden vor Annahme eines neuen Auftrages informieren.
- Mit engen Kunden eventuell auch rechtzeitig über mögliche Alternativen sprechen – vielleicht hat ein Kunde Interesse an einer Beteiligung oder Übernahme.
Ein juristischer Dreiteiler erläutert alles, was Unternehmer über das Insolvenzverfahren wissen müssen: Teil 1 erklärt die Prinzipien und listet die Antragsberechtigten nach Gesellschaftsform. Teil 2 geht die Abläufe im Einzelnen durch und bespricht die wichtigsten Stationen bis zum Schlusstermin. Teil 3 hat kompakt praktische Tipps für Insolvenzschuldner und -gläubiger parat. Daneben geben Schwerpunktbeiträge Auskunft darüber, was im Angesicht drohender Insolvenz zu tun ist, wie der Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit gefasst ist, was Überschuldung heißt und welche Alternativen im Fall von Insolvenz durch Überschuldung noch offen stehen, was mit Lizenzen in der Insolvenz geschieht, welchen rechtlichen Status Gesellschafter im Insolvenzverfahren haben, wie das Verhalten in der Insolvenz die Abläufe beeinflusst und wie die Planinsolvenz in Eigenverwaltung (im Schutzschirmverfahren) funktioniert.
Gläubiger
Gläubiger sind grundsätzlich ähnlich zu behandeln wie Kunden. Aufgrund der möglichen Geschäftsführerhaftung sollte gerade bei neuen Krediten (auch Lieferantenkrediten) offene Auskunft über den Status des Unternehmens gegeben werden. Ist mit Investoren eine regelmäßige Berichterstattung vereinbart, so muss auch diese nachprüfbar und wahrheitsgemäß sein. Ähnlich wie mit Kunden lässt sich möglicherweise auch mit wichtigen Lieferanten gemeinsam ein Ausweg aus der Krise finden, z.B. durch eine strategische Partnerschaft oder zumindest durch längerfristige Lieferantenkredite. Da gerade solche Entscheidungen aber Zeit erfordern, ist es hierfür sicher zu spät, wenn die Insolvenz schon unabwendbar geworden ist.
Geschäftsführer
Für den Geschäftsführer ist das sicher eine der schwierigsten Zeiten, aber auch hier sind einige Aspekte zu berücksichtigen:
- Eng mit dem Insolvenzverwalter bei der Weiterführung der Geschäfte zusammenarbeiten.
- Die eigenen Interessen wahren durch die rechtzeitige Anmeldung aller Ansprüche (z.B. bei Betriebsrentenvereinbarungen).
- Widerspruch bei Abweisung der angemeldeten Ansprüche innerhalb der gesetzten Fristen einlegen.
- Unberechtigte Forderungen bezüglich verdeckter Gewinnausschüttung, überhöhter Gehälter etc. abwehren.
- Erfahrene Rechtsberater zur Durchsetzung der eigenen Ansprüche einschalten.
- Eine schnelle Lösung vom bisherigen Unternehmen anstreben und nach neuen Beschäftigungsmöglichkeiten suchen, da nach Einsetzung des Insolvenzverwalters in der Regel keine weiteren Gehaltszahlungen an den früheren Geschäftsführer mehr erfolgen.
Im aktuellen Ratgeber sagt Axel Oppermann, wie sich Geschäftsführer am besten auf eine Insolvenz gefasst machen und dabei die Firma, ihre Assets und sich selbst schützen. Er skizziert außerdem, welche Maßnahmen es gibt, um unter Umständen die Insolvenz noch einmal abzuwenden. Woher dieses Wissen kommt, erzählt er offen im Interview: aus eigener Erfahrung.
Emotionaler Umgang
Die Situation der Insolvenz ist für die Verantwortlichen sicher meist nicht nur unangenehm, sondern ein tiefer Fall. Selbst bei einer Insolvenz, die durch ein Zusammentreffen von unglücklichen Zuständen eingetretenen ist, bleibt der Eindruck des Makels, selbst wenn andere dies gar nicht so sehen. Es gibt vermutlich keinen allgemeingültigen Ansatz zum richtigen Umgang mit dieser Situation, aber nach einer eingehenden Analyse der eigenen Fehler muss man die Lehren daraus ziehen und den Blick wieder nach vorne richten. Ein offener Umgang mit der erlittenen Situation ist auch beim Aufbau einer neuen Existenz hilfreich und empfehlenswert.
Nützliche Links
Eine der wichtigsten Informationsquellen ist der jährliche Creditreform-Bericht Insolvenzen, Neugründungen und Löschungen, ebenso wie die betreffenden Tabellen des Statistischen Bundesamts.