Ein hochbrisanter, lange erwarteter Beschluss (Az.: 1 BvL 10/02) des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wurde heute als Entscheidung bekannt gemacht: Die derzeitige Ungleichbehandlung unterschiedlicher Vermögensarten bei Schenkung oder Vererbung ist nicht verfassungskonform. Diese Entscheidung tangiert viele ältere Mittelständler, denn die Richter bemängelten auch die Auswirkungen auf KMUs.
Sie wiesen darauf hin, dass große, ertragsstarke Betriebe sich dank den derzeit geltenden Regelungen durch stille Reserven und Abschreibungen arm rechnen können. „Tendenziell wird gerade der Übergang des Betriebsvermögens von solchen Unternehmen gefördert, die der Entlastung am wenigsten bedürfen�?, so die Richter. Das entspreche nicht den Absichten der Politik, den Mittelstand zu entlasten.
Zu entscheiden war, ob die Ungleichbehandlung unterschiedlicher Vermögensarten bei Schenkung oder Vererbung verfassungskonform ist. Nach dem Urteil des BVerfG muss nun der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2008 das Erbschaftssteuerrecht der Verfassung anpassen. Bis dahin gilt die jetzige Regelung. Wichtig für alle, die seit 2001 Nutznießer einer Schenkung oder Erbschaft waren: Für bereits bestehende Schenkungen und Erbschaften gilt ein Vertrauensschutztatbestand, d.h. aus dem Urteil erwächst ihnen nachträglich kein Nachteil.
Worum geht es? Wurden Geldbeträge, Wertpapiere oder sonstiges Kapitalvermögen geschenkt oder vererbt, hat dies bisher das Finanzamt mit 100% des Kapitalwertes als Bemessungsgrundlage bewertet. Anders bei Immobilien: Bei Grundstücken, Eigentumswohnungen oder Häusern profitierte man von dem bisher geltenden wesentlich besseren Bewertungsrecht. Was in der Steuerpraxis bedeutete, dass nur ca. 50 bis 60% des fiktiven Verkehrswertes als Steuer-Bemessungsgrundlage letztendlich herangezogen wurden. Beim Betriebsvermögen bieten sich derzeit Vorteile dadurch, dass der Steuerbilanzwert nur in Ausnahmefällen den tatsächlichen Verkehrswert erreicht.
Führt eine Änderung des Bewertungsrechtes zu einer erhöhten Steuerbelastung für bestimmte Vermögensarten, z.B. im betrieblichen Bereich, so ist dies ggf. über Freibeträge oder veränderte Steuersätze zu korrigieren. Es lässt sich daher auch nicht ausschließen, dass es im Rahmen der Neuregelung unterschiedliche Steuersätze für bestimmte Vermögenswerte geben kann. Allerdings müssen die Bewertungsmethoden gewährleisten, dass für alle Vermögensgegenstände ein am tatsächlichen Wert orientierter Maßstab angesetzt wird. Als Konsequenz ist mit einer Welle von Vermögensübertragungen zu Lebzeiten zu rechnen.
Eine auch für Rechtslaien sehr gute und verständliche Zusammenfassung der Themas bietet der Haufe Verlag auf seiner Website. Die Pressemitteilung des BVerfG von heute ist ebenfalls online abrufbar. (BVerfG/Haufe/ml)