Im Schnitt bleiben es acht Stunden
Von der Fachredaktion anwalt.de
Bei Diskussionen um die Rechtsgrundlagen der allgemeinen Arbeitszeit wurde in Deutschland bisher die fest etablierte 35-Stunden-Woche unseres Nachbarlandes Frankreich zum Vergleich herangezogen. Doch diese Errungenschaft der französischen Gewerkschaften ist gefallen: Nach dem Motto von Präsident Sarkozy („Mehr arbeiten, um mehr zu verdienen“) dürfen künftig längere Arbeitszeiten vereinbart und mehr Überstunden pro Jahr geleistet werden.
Die Gesetzesänderung soll Frankreichs Wettbewerbsfähigkeit verbessern – Grund genug, sich die Arbeitszeitregelungen in Deutschland im Hinblick auf Überstunden und ihre Abgeltung vor Augen zu führen.
Überstunden und Mehrarbeit
Der Begriff „Überstunde“ ist bis heute nicht vom Gesetzgeber definiert worden und wird daher in Rechtsprechung, Gesetzgebung und arbeitsrechtlichen Verträgen uneinheitlich verwendet. Häufig spricht man dabei auch von „Mehrarbeit“, doch grundsätzlich unterscheiden sich beide Ausdrücke:
- Überstunde
- Geleistete Arbeitszeit, die über die regelmäßige, betriebsübliche Arbeitszeit hinausgeht.
- Mehrarbeit
- Geleistete Arbeitszeit, die über die individuelle, vertraglich festgelegte Arbeitszeit hinausgeht bis zur Grenze der betriebsüblichen Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte.
Die Unterscheidung wirkt sich praktisch nur bei Teilzeitbeschäftigten aus; sie leisten bis zur betrieblichen Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten „Mehrarbeit“ und erst darüber hinaus „Überstunden“.
Nach Arbeitszeitgesetz
In keinem Fall dürfen Überstunden jedoch das Höchstmaß der Arbeitszeiten nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) überschreiten. Die gesetzliche Höchstarbeitszeit ist gemäß § 3 ArbZG auf acht Stunden pro Werktag begrenzt; Ruhepausen werden dabei nicht eingerechnet. Eine Erhöhung auf zehn Stunden tägliche Arbeitszeit, z.B. zur flexibleren Arbeitsverteilung bei Auslastungsschwankungen, ist nur möglich, wenn innerhalb von sechs Monaten bzw. 24 Wochen die durchschnittliche Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers die Höchstgrenze von acht Stunden täglich nicht überschreitet.
Überstunden sind nur zulässig, wenn sie tarifvertraglich, durch Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag vorgesehen sind. Andernfalls dürfen Sie als Arbeitgeber nur in absoluten Notfällen Überstunden verlangen.
Geregelter Ausgleich
Das Gesetz trifft keine ausdrückliche Regelung zur Vergütung von Überstunden. Die allgemeine Vorschrift des § 612 BGB bestimmt allerdings, dass eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung (Arbeit) nur gegen Vergütung zu erwarten ist. Daraus lässt sich auch ein grundsätzlicher Anspruch auf Überstundenvergütung ableiten.
Für die meisten Arbeitsverhältnisse gelten in der Praxis jedoch konkrete Überstundenregelungen. Sie ergeben sich z.B. aus dem geltenden Tarifvertrag, aus einer Betriebsvereinbarung oder direkt aus dem Arbeitsvertrag selbst.
Finanziell
Wenn nichts anderes vereinbart ist, sind Überstunden mit dem für die Regelarbeitszeit vereinbarten Lohn auszugleichen. Vielfach finden sich aber auch detaillierte Bestimmungen zur Höhe bzw. Berechnung des Überstundenlohns im Tarifvertrag, der Betriebsvereinbarung oder dem einzelnen Arbeitsvertrag. Hier können auch Zuschläge festgelegt werden, z.B. für Nachtarbeit oder Sonn- und Feiertagsarbeit.
Durch Freizeit
Weil Überstunden eigentlich nur dazu dienen sollen, besondere Arbeitsspitzen aufzufangen, ist für viele Arbeitgeber der Ausgleich durch Freizeit attraktiver als die Bezahlung. Sofern nicht bereits Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung diese Möglichkeit vorsehen, können Sie sie im Arbeitsvertrag vereinbaren.
Den Zeitpunkt des Freizeitausgleichs bestimmen Sie als Arbeitgeber bestimmen. Allerdings: Ohne entsprechende ausdrückliche Regelung dürfen Sie nicht auf Freizeitausgleich für Überstunden ausweichen.
Auf klare Anordnung achten
Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch wegen Überstunden ist immer die direkte oder jedenfalls konkludente Anordnung der Überstunden durch den Arbeitgeber. Wichtig: Überstunden liegen nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer einfach länger als vertraglich vereinbart arbeitet. Die Entscheidung über die Ableistung von Überstunden bleibt stets dem Arbeitgeber vorbehalten. Er kann die Überstunden direkt anweisen oder konkludent, indem er seinem Mitarbeiter Arbeiten überträgt, die erkennbar nur durch Überstunden zu leisten sind.
Mit „konkludent“ ist gemeint, dass die Anweisung nicht ausdrücklich erfolgt, sondern sich aus der Sache und dem Verhalten des Arbeitgebers ergibt. Häufiges Praxisbeispiel ist der Satz „Das muss heute noch fertig werden“. Oft folgt daraus, dass es heute wieder einmal länger dauert – ohne, dass das eigens dazugesagt werden müsste.
Als Arbeitgeber dürfen Sie jedoch keine Überstunden anordnen, wenn konkrete, wichtige Belange des Arbeitnehmers entgegenstehen. Entgegenstehende Belange wären etwa die Gesundheitsgefährdung des Arbeitnehmers oder eine fehlende Betreuung seiner Kinder während dieser Zeit.
Schwierige Pauschalabgeltung
Eine andere Möglichkeit ist die pauschale Abgeltung von Überstunden im Arbeitsvertrag. Gängiges Beispiel:
- „Durch das Grundgehalt sind alle eventuell geleisteten Überstunden bereits abgegolten.“
Solche allgemeinen Abgeltungen sind jedoch zunehmend in der Kritik, weil der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss nicht weiß, wie viel Lohn er tatsächlich für wie viele Arbeitsstunden erhalten wird. Das bedeutet: Es kann ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 BGB vorliegen (AGB-Kontrolle bei Formulararbeitsvertrag) bzw. ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Entlohnung entstehen.
Unbedenklicher sind Klauseln, wonach nur eine begrenzte Anzahl an Überstunden pauschal abgegolten ist. Beispiel:
- „Mit der genannten Vergütung sind Über-, Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit, soweit sie nicht mehr als […] Stunden betragen, abgegolten.“
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Ob eine pauschale Abgeltungsklausel wirksam ist, lässt sich nur im konkreten Einzelfall bestimmen. Hier ist dringend die Einholung von kompetentem Rechtsrat beim Anwalt zu empfehlen.
Bei besonderen Schutzgruppen
Azubis, Schwangere bzw. Frauen im Mutterschutz sowie Behinderte gelten als besonders schutzwürdige Arbeitnehmer. Dementsprechend hat der Gesetzgeber besondere Regelungen hinsichtlich der Leistung von Überstunden durch diese Beschäftigten getroffen:
Azubis und Arbeitnehmer unter 18 Jahren unterliegen dem Jugendarbeitsschutzgesetz (JarbSchG). Sie dürfen nach § 21 JarbSchG nur in unaufschiebbaren, vorübergehenden Notfällen und wenn kein Erwachsener zur Verfügung steht zu Überstunden verpflichtet werden. Für ihre Mehrarbeit müssen sie innerhalb von drei Wochen entsprechenden Freizeitausgleich erhalten. Volljährige Azubis haben Anspruch auf Überstundenvergütung nach § 17 Abs. 3 Berufsbildungsgesetz (BBiG), sofern sie keinen Freizeitausgleich erhalten.
Frauen im Mutterschutz (sechs Wochen vor bis acht Wochen nach der Entbindung) dürfen nach §§ 3, 6 Mutterschutzgesetz gar nicht beschäftigt werden, nur auf ausdrücklichen eigenen Wunsch hin. Mehrarbeit darf keinesfalls angeordnet werden (§ 8 Abs. 1 MuSchG) und muss von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigt werden.
Auch Schwerbehinderte und die ihnen Gleichgestellten müssen keine Mehrarbeit leisten, sie können nach § 124 SGB IX die Freistellung von Mehrarbeit verlangen.
Fazit: Alternativen erwägen
Überstunden sind das probate Mittel bei kurzfristigen Auftragsspitzen, aber letztlich nie eine stabile Lösung, falls tatsächlich dauerhaft mehr Arbeit anfällt. Unternehmer, die im Hinblick auf den Kündigungsschutz zögern, neue Leute in Vollzeit einzustellen, haben mittlerweile etliche andere Möglichkeiten: So sind befristete Arbeitsverhältnisse in bestimmten Fällen erlaubt (z.B. für Gründer). Auch in den Bereichen Minijobs und Zeitarbeit findet man z.T. zunehmend qualifizierte Bewerber. Ansonsten haben sich in etlichen Branchen flexible Arbeitszeitkonten bewährt.