Ökostrom

Energieerzeugung und Umwelt

Von Michael J. M. Lang

Die Bezeichnung „Ökostrom“ ist dem Ursprung nach ein politischer Begriff und kein tech­ni­scher oder gar wissenschaftlicher, auch wenn damit in aller Regel bestimmte technische Erzeugungsarten verbunden werden. Die Herkunft aus der gesellschaftspolitischen De­bat­te und die damit fehlende exakte Definition macht es Etikettenschwindlern leider nur allzu leicht, herkömmlichen Strom als Ökostrom zu überhöhten Preisen zu verkaufen. Es ist deshalb wichtig zu wissen, wann Strom zu Recht als Ökostrom bezeichnet wird.

Vorab: Die Bezeichnung „öko“ im Zusammenhang mit elektrischer Energie ist nur sinnvoll auf die Erzeugung anwendbar, denn durch die Einspeisung ökologisch erzeugter elektrischer Energie in das allgemeine Stromnetz kann der Strom, der beim Verbraucher ankommt, keinem bestimmten Erzeuger mehr zugeordnet werden. Das ist für die Wirkung auf die Umwelt aber auch unerheblich; da die umweltschädigende Wirkung von Strom in erster Linie vom Erzeugungsprozess ausgeht, lässt man in diesem Zusammenhang die denkbaren Auswirkungen durch elektromagnetische Felder von Überlandleitungen und elektrischen Geräten einmal außer Acht.

Aus den Fördertabellen

Derzeit als ökologisch gilt:

In höchstem Maße umweltschonend bis umweltneutral ist die Stromerzeugung aus

  • Wind,
  • Erdwärme (Geothermie),
  • Sonnenlicht (Photovoltaik) und
  • Sonnenwärme (Solarthermie).

Die Herstellung der Anlagen zur Stromerzeugung schädigt die Umwelt allerdings zum Teil erheblich und muss korrekterweise in die Umweltbilanz einbezogen werden.

Nur bedingt ökologisch ist die Stromerzeugung aus

  • Wasserkraft,
  • Biogas und
  • Biomasse.

Während die Nutzung von Wasserkraft fast immer wassernahe Biotope schädigt, können Biogas und Biomasse über chemische Reaktionen die Umwelt schädigen. In der Summe ist der Umweltschaden aber in aller Regel geringer als bei herkömmlichen Kraftwerken.

Der Strom aus Kraft-Wärmekopplungsanlagen ist – je nachdem, welche Ausgangsstoffe für die Energieerzeugung verwendet werden – nur bedingt ökologisch zu nennen. Lediglich die höhere Effizienz durch die Nutzung der anfallenden Abwärme für Heizzwecke wirkt sich in der Gesamtbilanz umweltschonend aus.

Im Netz sind alle gleich

Für die Verbraucher stellen sich noch folgende Fragen im Zusammenhang mit Ökostrom: Wirkt sich der Wechsel zu Ökostrom überhaupt auf die Strom- und CO₂-Bilanz in Deutschland aus? Wird dadurch tatsächlich konventioneller Strom durch Ökostrom ersetzt? Werden dadurch mehr Ökostromanlagen gebaut? Und wer kontrolliert, ob der Stromerzeuger tatsächlich Ökostrom herstellt oder bezieht und nicht nur Etikettenschwindel betreibt?

Was leider auch Umweltschutzverbände oft verschweigen: In Wirklichkeit kann niemand kontrollieren, was unter dem Öko-Label tatsächlich verkauft wird. Alles basiert lediglich auf Zusagen der Stromanbieter oder der Zwischenhändler. Mehr noch: Das Öko-Label-Geschäft führte in der Praxis häufig dazu, dass schon vorher ökologisch produzierter Strom – z.B. aus Wasserkraftwerken – mittlerweile lediglich mit Ökoaufschlägen teurer verkauft wird, ohne dass für diesen Aufschlag – wie von vielen umweltbewussten Verbrauchern eigentlich gewünscht – zusätzliche ökologische Kapazitäten ausgebaut worden wären.

Fazit: Transparenz ist regional

Bei so genannten zertifizierten Stromerzeugern versuchen zwar die zertifizierenden TÜV-Gesellschaften und Öko-Organisationen durch Kapazitäts- und betriebswirtschaftliche Prüfungen die ökologische Erzeugung zu kontrollieren, die physikalischen Eigenheiten der elektrischen Energie und die Komplexität des Stromnetzes und des Stromhandels setzen der faktischen Kontrolle aber sehr enge Grenzen. (Einen ausgezeichneten Artikel zu diesem Thema veröffentlichte der Journalist Dirk Asenberg vor rund zwei Jahren in der ZEIT.) Generell gilt: Je regionaler Erzeuger und Anbieter agieren, desto eher lässt sich die Herkunft und damit der ökologische Charakter kontrollieren.

Übrigens: Aus umweltpolitischer Sicht ist der Strombezug von einem Anbieter, der aktuell zwar konventionell erzeugten Strom anbietet, aber einen darauf erhobenen Ökozuschlag auch tatsächlich für den Auf und Ausbau ökologischer Anlagen verwendet sinnvoller, als der Bezug von einem Anbieter, der zwar ökologisch erzeugten Strom verkauft, die Mehreinnahmen aber anderweitig verwendet.

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