Wiedersehen macht Sorgen
Von Dirk Bongardt
Noch ist nicht entschieden, welches Telekommunikationsunternehmen welche 5G-Frequenzen bewirtschaften wird. Aber die vier Bieter stehen inzwischen ebenso in der Kritik wie die Bundesnetzagentur. Dass Neuling Drillisch, die Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica unnachgiebig um die Frequenzen streiten, zieht die Auktion in die Länge und leert deren Kassen. Das Geld, das nach Abschluss der Auktion in die Staatskasse fließt, fehlt den Unternehmen dann aber für die aus der Frequenzzuteilung resultierende Aufgabe: den Ausbau der Telekommunikationsnetze.
Mit einer Gebotssumme von 3 bis 5 Milliarden Euro hatten Experten gerechnet; in dieser Spanne hatten sich die Erlöse aus den Frequenzversteigerungen von 2015 und 2010 bewegt. Noch heute legen Funklöcher stummes Zeugnis davon ab, welche Resultate ein ungezügelter Bieterwettstreit wie der bei der UMTS-Frequenzversteigerung im Jahr 2000 zeitigen kann: Damals beliefen sich die Gebote auf rund 50 Milliarden Euro, für die sich die Unternehmen derart verschulden mussten, dass sie den Netzausbau nur noch partiell hinbekamen.
Option auf Campus-Netze
Das von der Politik ausgegebene Ziel, Deutschland solle beim 5G-Ausbau international führend vorangehen, ist so jedenfalls nicht zu erreichen. Das Beratungsunternehmen Arthur D. Little hat im März 2019 seinen 5G Leadership Index veröffentlicht und sieht Südkorea als führende 5G-Nation, gefolgt von den USA und Australien. Deutschland schafft es in diesem Ranking auf einen mittleren Platz in der Gruppe der „Followers“. Dass einige europäische Länder noch weiter hinten – in der Gruppe der „Laggards“ (Nachzügler oder Trödler) rangieren, ist da nur ein schwacher Trost.
Deutschland in der Mitte, aber noch fehlt es an der Infrastruktur: „Insgesamt hinkt Europa aufgrund der Fragmentierung und der heterogenen Infrastruktur sowie der noch ausstehenden Frequenzzuweisungen hinterher, wobei die Auktionen in vielen Ländern noch nicht abgeschlossen sind“, notiert Arthur D. Little in seiner 5G-Analyse. Ausreißer nach oben sind Finnland und die Schweiz. (Bild: Arthur D. Little, The Race to 5G)
In die Kritik ist die Bundesnetzagentur auch geraten, weil sie den Telekommunikationsunternehmen selbst für mehr als 5 Milliarden Euro nicht alle Frequenzen zur Verfügung stellt, sondern – so sehen es zumindest die Telekomkonzerne – einen wichtigen Teil ihres Geschäftsmodells untergräbt. Von der zweiten Jahreshälfte 2019 an können Unternehmen jenseits der Telekommunikationsbranche die Zuteilung lokaler Frequenzen beantragen, um damit eigene Campusnetze zu betreiben. In Nordrhein-Westfalen haben allerdings bereits einige infrage kommende Unternehmen eigenen 5G-Netzen eine Absage erteilt. Bayer in Leverkusen wird aller Voraussicht nach ebenso wenig eine eigene 5G-Infrastruktur aufbauen wie der Duisburger Hafen.
Weiter südlich haben Unternehmen allerdings bereits entsprechende Initiativen angekündigt: BASF und Bosch sind mit von der Partie, BMW und Daimler ebenfalls, und weiter nördlich wird auch VW einen Pilotversuch starten. Andere Unternehmen haben sich vorerst für eine Wartestellung entschieden: Solange die Bundesnetzagentur weder die technischen Voraussetzungen noch die zu erhebenden Gebühren festgelegt hat, ist die Wirtschaftlichkeit eines eigenen 5G-Campus-Netzes schwer zu kalkulieren.
Teil 1 setzt beim Bandbreitenbedarf an, der durch die Decke schießt. WLAN und Mobilfunk liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen auf der Zielgeraden zu 10 GBit/s. Teil 2 schildert den Stand der Standards und interessiert sich eingehend für die Konsortien der Entwicklung. Teil 3 begibt sich auf die technische Seite. Es geht um die Grundlagen der 5G-Netze, um Ping-Zeiten und Frequenzen. Teil 4 schließlich erläutert den Stand der Dinge kurz vor der Frequenzversteigerung 2019. Drei Sonderberichte widmen sich der Möglichkeit von 5G-Campus-Netzen, berichten vom letzten Stand der 5G-Frequenzauktion und untersuchen, welche Berufe für den Netzaufbau gebraucht werden. Zum Schluss lohnt noch ein Blick nach Österreich: Dort gibt es 5G schon.
Wettbewerb ohne Stadtwerke
Zwischen einer bundesweiten Netzversorgung, die die erfolgreichen Bieter der immer noch laufenden Aktion gewährleisten sollen, und einer rein lokalen, wie sie die erwähnten Campus-Netze darstellen, war auch eine Versorgung mit regional begrenzten 5G-Angeboten angedacht: Stadtwerke und andere regionale Unternehmen hätten auf Antrag ebenfalls 5G-Netze in ihren Versorgungsgebieten bereitstellen können. Am 11. März 2019 stellte Fiete Wulff, Sprecher der Bundesnetzagentur, in Übereinstimmung mit den Rahmenbedingungen für lokale 5G-Anwendungen jedoch klar: „Ermöglicht werden sollen innerbetriebliche Anwendungen, keine Angebote für die Öffentlichkeit.“
Regionale Anbieter wie NetCologne bleiben bei der Frequenzvergabe außen vor. Geschäftsführer Timo von Lepel denkt bereits weiter: „Leistungsstarke Glasfasernetze dienen als Grundlage, und beim Bau dieser Netze sind wir Experten. Deshalb stehen wir möglichen Ausbaukooperationen künftig offen gegenüber.“ (Bild: NetCologne)
Für Anwendungen auf den Gebieten Industrieautomation/Industrie 4.0, ebenso wie für die Land- und Forstwirtschaft können Unternehmen also weiterhin Campus-Netze beantragen und betreiben, während Unternehmen wie der Kölner Stadtnetzbetreiber NetCologne – anders als ursprünglich geplant – außen vor bleiben. Der Geschäftsführer des Kölner Dienstanbieters, Timo von Lepel, kritisiert die Entscheidung mit deutlichen Worten: „Wir werden sehen, wo uns das hinführt, denn bislang war Wettbewerb zwischen regionalen und nationalen Anbietern immer der Garant für Innovation, verbraucherfreundliche Angebote und vor allem schnellen Ausbau.“
Die Einführung beginnt in Berlin und klärt die Rahmenbedingungen in Deutschland. Ein erster Regionalschwerpunkt widmet sich dann dem Westen und Nordrhein-Westfalen. Weitere Regionalreports konzentrieren sich auf den deutschen Südwesten und auf Bayern. Extra-Beiträge berichten außerdem über den Stand der NGA-Netze in Österreich und über die praktische, aber schwierige Mobilfunk-Dominanz in der Alpenrepublik.
Flächendeckung mit Schlupflöchern
Die Kritik des NetCologne-Geschäftsführers kommt nicht von ungefähr: Die Vergaberichtlinien, die die Bieter erfüllen müssen, sehen zwar vor, dass bis Ende 2022 mindestens 98 % der Haushalte je Bundesland mit mindestens 100 MBit/s versorgt werden. Dazu kommen alle Bundesautobahnen und die wichtigsten Bundesstraßen und Zugstrecken. Bis Ende 2024 sollen auch auf allen wichtigen Wasserstraßen und den übrigen Zugstrecken mindestens 50 MBit/s verfügbar sein.
Wer genau hinsieht, findet aber hier bereits die ersten Schlupflöcher: Eine Mehrheit der Deutschen lebt in Städten und Ballungsgebieten. Um 98 % der Haushalte mit 5G-Anbindung zu versorgen, müssen die Netzbetreiber lediglich 80 bis 90 % der Fläche abdecken. Auch wenn Autobahnen, Bundesstraßen, Zugstrecken und Wasserstraßen hinzukommen, sind einige weiße Flecken auf der 5G-Karte so gut wie sicher – zumindest in einigen der bislang schlecht versorgten und dünn besiedelten Gebiete wird sich die Versorgungslage in den nächsten Jahren also so gut wie nicht verbessern. Lokale Anbieter hätten diese Versorgungslücken schließen können – doch die bleiben auf Druck der vier nationalen Netzanbieter ja jetzt außen vor.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazinreihe „IT-Unternehmen aus der Region stellen sich vor“ erschienen. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen bereits verfügbaren Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Ein weiteres Schlupfloch: Die genannten Bandbreiten setzen nicht zwingend 5G voraus. Tatsächlich verlangt die Bundesnetzagentur auch nur 1000 5G-Basisstationen je Provider bis 2022, den Großteil der Breitbandversorgung stemmen die Betreiber also wohl erst einmal über LTE. Die 5G-Technologie eignet sich grundsätzlich nur eingeschränkt für die Versorgung großer Flächen: Die ersten 5G-Masten senden gerade mal einige hundert Meter weit. Um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten, müssten 5G-Sender an jeder größeren Straßenecke stehen.
In ländlichen Gebieten bleibt LTE deshalb bis auf Weiteres Standard. Und in der Stadt kann sich die große Zahl notwendiger Funkmasten noch als übler Pferdefuß erweisen: Bürgerinitiativen ziehen vielerorts gegen die Masten zu Felde, baurechtliche Verfahren können sich in die Länge ziehen, manchmal fehlen auch schlicht die Wegerechte, die Provider bräuchten, um mit den Anlagen an die geplanten Standorte zu gelangen.
No-Spy-Abkommen mit Huawei?
Noch immer nicht klar positioniert hat sich die Bundesregierung zu der Frage, ob der chinesische Ausrüster Huawei die für den 5G-Ausbau notwendige Hardware liefern dürfe. Während die USA Druck auf Deutschland ausüben, Huawei die Tür zu weisen, hat der Konzern seine Bereitschaft signalisiert, ein No-Spy-Agreement mit der deutschen Regierung zu unterzeichnen und zu versprechen, dass Huawei keine Hintertüren in die Netzwerke einbauen werde. Huawei-Chef Ren Zhengfei erklärte, er würde auch die chinesische Regierung zu einem solchen Anti-Spionage-Abkommen drängen. Damit wäre zumindest eine Forderung erfüllt, die in einer verschärften Fassung des IT-Sicherheitsgesetzes angedacht ist.
Widerstand in beide Richtungen
Nicht bloß gegen einzelne Masten, sondern gegen die gesamte 5G-Technologie richtet sich eine Petition, die Anfang April 2019 mit 54.643 Unterzeichnern das Quorum erreicht hat, und mit der sich der Petitionsausschuss des Bundestages deshalb jetzt beschäftigen muss. Darin fordern die Initiatoren: „Der Deutsche Bundestag möge beschließen, Verfahren zur Vergabe von 5G-Mobilfunklizenzen auszusetzen und die Einführung des 5G-Mobilfunkstandards zu unterbinden, solange wissenschaftlich begründete Zweifel über die Unbedenklichkeit dieser Technologie bestehen.“
Tatsächlich besteht unter Forschern kein Konsens über die Gefährlichkeit oder Ungefährlichkeit der 5G-Technologie. Bislang haben die meisten Forscher Gesundheitsgefahren von elektromagnetischer Strahlung anhand dessen beurteilt, ob und in welchem Umfang sie organisches Gewebe erwärmen. Messbar wäre eine Erwärmung auch bei der 5G-Technologie nur in unmittelbarer Nähe zu den Sendemasten – je nach wissenschaftlicher Auffassung wären Gesundheitsbedenken damit vom Tisch. Allerdings lassen sich auch nichtthermische Effekte in lebenden Zellen nachweisen, die sich im Bereich hochfrequenter elektromagnetischer Felder befinden – das ist wissenschaftlich unbestritten. Ob daraus Gefahren für die Gesundheit resultieren, beurteilt die Forschung höchst unterschiedlich. Mangels belastbarer Studien ist eine endgültige Aussage dazu bislang auch nicht möglich.
Andere Initiativen sorgen sich indes um einen allzu schleppenden, lückenhaften Ausbau des schnellen Netzes. Eine Gruppe von Wirtschaftspolitikern der CDU etwa fordert, dass die Bundesnetzagentur künftig lokales Roaming in unterversorgten Gebieten anordnen kann, wenn keine freiwilligen Vereinbarungen zwischen den Telekommunikationsfirmen zustande kommen. Damit soll eine zumindest halbwegs flächendeckende Versorgung auch in ländlichen Regionen sichergestellt werden.
Dirk Bongardt hat vor Beginn seiner journalistischen Laufbahn zehn Jahre Erfahrung in verschiedenen Funktionen in Vertriebsabteilungen industrieller und mittelständischer Unternehmen gesammelt. Seit 2000 arbeitet er als freier Autor. Sein thematischer Schwerpunkt liegt auf praxisnahen Informationen rund um Gegenwarts- und Zukunftstechnologien, vorwiegend in den Bereichen Mobile und IT.
Dirk Bongardt, Tel.: 05262-6400216, mail@dirk-bongardt.de, netknowhow.de