Ab 2020 soll 5G in den Flächen-Roll-out gehen
Der Aufbau von Funknetzen für die fünfte Generation wird sicher nicht leicht. Um 5G zu realisieren, braucht man neue Funkstationen und Endgeräte mit viel mehr MIMO-Antennen als heute, eine viel höhere Dichte von Basisstationen mit viel kleineren Funkradien sowie viel breitere Frequenzspektren als heute für LTE verfügbar sind, meinte etwa Dr. Wen Tong, der profilierteste 5G-Vordenker von Huawei, Inhaber von 180 US-Patenten, und Chef von 700 Huawei-Forschern.
5G soll ein enormes Spektrum von 300 MHz bis 300 GHz flexibel nutzen können. Zum Vergleich: LTE nutzt in Deutschland gerade mal drei fixe Frequenzblöcke bei 800 MHz, 1800 MHz und 2600 MHz. Die restlichen 297 GHz sind für den terrestrischen Mobilfunk noch gar nicht aktiviert.
Dr. Wen Tong (rechts) ist die Speerspitze der 5G-Forschung und Entwicklung von Huawei. Hier im Gespräch mit dem Autor dieser Story, Dr. Harald Karcher. (Bild: Lisa Natalie Model)
Natürlich sollen die neuen 5G-Techniken auch kreuz- und rückwärtskompatibel zu den heute verbreiteten Funksorten 3G, 4G und WiFi sein. Die meisten User wollen ja nicht ständig neue Endgeräte kaufen. Ab wann weitere Frequenzen für das drahtlose Internet versteigert werden, ist nicht zuletzt eine Frage der Politik. Deshalb kamen auch mehrere EU-Politiker aus Brüssel am 10. Februar 2014 zum 5G-Kongress nach München. Daneben wird auf der World Radiocommunication Conference 2015 (WRC-15) der ITU vom 2. bis zum 27. November 2015 in Genf eine größere Einigung über die Verwendung weiterer Frequenzbänder für das mobile Internet erwartet.
Der 5G-Mobilfunk soll auch höhere Frequenzen als das heutige 4G-LTE nutzen, dabei aber zu den heutigen LTE-Funktechniken rückwärtskompatibel bleiben, damit die „alten“ LTE-Smartphones von heute auch noch im 5G-Zeitalter funktionieren. (Bild: Ericsson)
Smartphones mit 10 GBit
Der Endanwender soll mit 5G bis zu 10 GBit/s auf sein Endgerät bekommen. Das heißt: Glasfaserspeed beim Senden und Empfangen, nur eben per Mobilfunk. Mit so einem Tempo werden auch Videostreamings und Telekonferenzen in 4K-Ultra-HD-Qualität von Smartphone zu Smartphone möglich. Das gebogene 6-Zoll-Smartphone LG G Flex etwa kam schon im Februar 2014 mit einer Videokamera mit Ultra-HD-Aufzeichnung von 3840 × 2.160 Pixeln auf den Markt. Weitere wie das LG G3 folgten. Will man den 4K-UHD-Stream aber mobil senden und empfangen, so braucht man dazu idealerweise drahtlose 5G-Netze.
Zurzeit ist 5G noch im Stadium der Forschung und der frühen Prototypen. Ab 2016 will man die 5G-Standards definieren. Ab 2019 soll es kommerzielle 5G-Systeme und -Geräte für Pilotprojekte und Friendly User Trials bei den Telcos geben. Ab 2020 soll 5G in den Flächen-Roll-out gehen. (Bild: Huawei)
Zum Vergleich: UMTS kam 2004 mit 0,384 MBit/s auf den deutschen Markt. Die ersten Siemens-UMTS-Videohandys waren damals, vor zehn Jahren, noch so dick wie eine Faust, hatten winzige und gering auflösende Videodisplays und wurden im Betrieb recht heiß. Doch danach ging es rasant weiter: HSDPA, HSUPA, HSPA, DC-HSPA, und dann 4G-LTE: LTE-Cat3-800 MHz wurde ab Dezember 2010 mit bis zu 50 MBit/s auf dem Lande kommerziell ausgerollt. Dann brachte die Telekom LTE-Cat3-1800 MHz bis 100 MBit/s in über hundert deutsche Städte. Seit Herbst 2013 kommt auch LTE-Cat4 mit 150 MBit/s von Telekom und Vodafone in den deutschen Markt.
Auf dem Oktoberfestgelände 2013 zum Beispiel konnte der Autor in einer LTE-Cat4-2600-MHz-Funkzelle von Vodafone schon 121 MBit/s Nettodownload messen, und zwar mit dem ersten lieferbaren LTE-Cat4-Smartphone überhaupt: dem Huawei Ascend P2. Seit Ende 2013 wird auch LTE-Cat6 mit 225 MBit/s pilotiert: in München von o₂, in Dresden von Vodafone. Im November 2013 konnte der Autor netto 207 MBit/s mit einem LTE-Cat6-Prototypen von Huawei in zwei aggregierten Funkzellen von o₂ in München messen. Im weiteren Verlauf des Jahres 2014 wird man auch LTE bis 300 MBit/s im deutschen Felde sehen, allerdings nur an bestversorgten Standorten.
Teil 1 setzt beim Bandbreitenbedarf an, der durch die Decke schießt. WLAN und Mobilfunk liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen auf der Zielgeraden zu 10 GBit/s. Teil 2 schildert den Stand der Standards und interessiert sich eingehend für die Konsortien der Entwicklung. Teil 3 begibt sich auf die technische Seite. Es geht um die Grundlagen der 5G-Netze, um Ping-Zeiten und Frequenzen. Teil 4 schließlich erläutert den Stand der Dinge kurz vor der Frequenzversteigerung 2019. Drei Sonderberichte widmen sich der Möglichkeit von 5G-Campus-Netzen, berichten vom letzten Stand der 5G-Frequenzauktion und untersuchen, welche Berufe für den Netzaufbau gebraucht werden. Zum Schluss lohnt noch ein Blick nach Österreich: Dort gibt es 5G schon.
Reaktionszeiten unter einer Millisekunde
Die bisherige 5G-Forschung gibt Grund zur Annahme, dass man die Ping-Zeiten in Mobilfunknetzen auf unter eine Millisekunde bringen kann. Beim Surfen oder Business-Cloud-Computing würde sich das extrem zackig anfühlen und die Akzeptanz der Cloud vermutlich sehr verbessern. Bei der Wireless-Kommunikation zwischen schnell bewegten Fahrzeugen wären rasante Reaktionszeiten sogar noch wichtiger, etwa um Kollisionen zu vermeiden. Die heute in der Praxis üblichen Reaktionszeiten von LTE zwischen 30 und 80 ms fühlen sich beim Surfen zwar auch schon flott an, aber für schnelle Fahrzeuge mit automatischen Lenk- und Bremsmanövern können die Reaktionszeiten gar nicht kurz genug sein.
5G-Reaktionszeiten unter 1 ms gelten natürlich nur innerhalb des gleichen 5G-Funknetzes. Im mobilen Betrieb muss das Handy, die vernetzte Maschine oder das vernetzte Fahrzeug bis auf Weiteres auch noch zwischen (!) verschiedenen Funksorten wie 3G, 4G und WiFi hin- und her schalten. Solche Schaltvorgänge dauern heute manchmal mehrere Sekunden. Auch hier arbeiten Huawei und Konsorten auf ein „Zero-Second-Switching“ hin: Maximal 10 ms soll die Umschaltung zwischen 4G, 5G und WiFi in absehbarer Zukunft nur noch dauern, damit der User nichts mehr davon merkt. Das ist nicht zu verwechseln mit den Ping-Zeiten innerhalb (!) der 5G-Netze, die wie gesagt unter 1 ms kommen sollen.
Der Autor Harald Karcher (links) suchte zwar nach den Unterschieden zwischen den 5G-Visionen von Huawei, Nokia und Ericsson. Doch dazu sagte Peter Merz, Head of Radio Systems, bei Nokia, vormals NSN (rechts): In der momentanen Phase komme es nicht darauf an, die 5G-Unterschiede zwischen Huawei und Nokia zu suchen, sondern einen möglichst gemeinsamen Weg aller Key-Player mit gemeinsamen Standards in Richtung 5G-Zeitalter zu finden. (Bild: Bernhard Fuckert, Nokia)
Die Einführung beginnt in Berlin und klärt die Rahmenbedingungen in Deutschland. Ein erster Regionalschwerpunkt widmet sich dann dem Westen und Nordrhein-Westfalen. Weitere Regionalreports konzentrieren sich auf den deutschen Südwesten und auf Bayern. Extra-Beiträge berichten außerdem über den Stand der NGA-Netze in Österreich und über die praktische, aber schwierige Mobilfunk-Dominanz in der Alpenrepublik.
Fazit: Interworking von WLAN und Mobilfunk
Unterm Strich ist auch die WLAN-Technik, genau wie der Mobilfunk, auf dem Wege zum 10-GBit-Speedlevel. Wer von beiden das 10-GBit-Ziel nun schneller erreicht, hängt auch davon ab, wie viele MIMO-Antennen die Hersteller in den Geräten verstauen können und wie viel Bandbreite sie in der Luft verbraten dürfen. Letzteres ist keine Frage der Technik, sondern der weiteren Frequenzpolitik.
Am Ende wird man für die weitere Datenexplosion sowohl das schnelle 5G-WiFi wie auch den schnellen 5G-Mobilfunk benötigen. Ziel sollte keine Konkurrenz der ursprünglich sehr unterschiedlichen Netzwerktypen sein, sondern die Möglichkeit des gegenseitigen Traffic Offloads, wenn etwa ein Netz schon zu viel Verkehr und das andere noch preiswerte Reserven hat. Mit 802.11u hat das IEEE-Gremium auch schon das technische Konzept für ein solches „Interworking with External Networks“ entworfen.
Der deutsche WLAN-Produzent und langjährige Lieferant der Deutschen Telekom, Lancom Systems, z.B. hat 802.11u schon präventiv in die ersten WLAN-Router eingebaut. Am Ende soll der Smartphone-User damit ruckzuck zwischen LTE und WLAN wechseln können, ohne dass er sich selber händisch in einen WLAN-Hotspot einloggen muss. Das regelt dann der Mobilfunkprovider mit Hilfe von 802.11u im Hintergrund vollautomatisch. Allerdings dürfte sich 802.11u nur dann in voller Konsequenz verbreiten, wenn die Mobilfunkprovider das auch politisch wollen.