Knebel für Job-Ausrufer
Von Sabine Philipp
Seit August 2006 ist das Antidiskriminierungsgesetz in Kraft. Es soll Minderheiten, Ältere und Frauen vor Benachteiligung schützen – in der Praxis macht es aber vor allem Unternehmern und Vermietern das Leben sauer. Weil das Gleichheitsprinzip im Grundgesetz (Art. 3) nur das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern regelt, wurde in Umsetzung entsprechender EU-Richtlinien das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschaffen.
Es gibt umfangreiche Klagemöglichkeiten bei
- „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ (§ 1 AGG).
Das ist nun besonders bei Bewerbungen, bei der Wohnungsvergabe oder im Arbeitsleben zu beachten – und nötigt Unternehmer zu den kuriosesten Verrenkungen.
Was als Hilfe für Schutzbedürftige gedacht war, hätte sich fast als Goldmine für Abzocker gezeigt. Denn wer sich bei der Bewerbung von Ihnen benachteiligt fühlt, etwa weil Sie in Ihrer Anzeige eine Sekretärin und keinen Sekretär suchen, darf bis zu drei Monatsgehälter Schadensersatz verlangen. Aber nur, wenn er selbst bei neutraler Ausschreibung ungeeignet gewesen wäre. Bei passenden Kandidaten liegt die Summe noch höher. Experten befürchteten daher zunächst eine Klage– und Abmahnwelle wie bei den Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht.
Allgemein ausschreiben
Schreiben Sie also Ihre Stellen geschlechtsneutral aus. Auch wenn sich „Zahnarzthelfer/in“ etwas seltsam anhört.
Geben Sie keine Altersbeschränkung vor. (Mittlerweile hat sich gezeigt, dass wegen Altersbenachteiligung am häufigsten geklagt wird.) Wenn Sie Leute zwischen 22 und 45 suchen, könnten alle, die jünger oder älter sind, Sie zur Kasse bitten. Es hilft auch nichts, den Alterswunsch zu umschreiben, etwa mit den Worten: „Wir suchen Verstärkung für unser junges Team.“ Genauso wenig dürfen Sie nach einem „Rentner für einen Minijob“ Ausschau halten.
Verlangen Sie lieber auch kein Foto. Sonst könnte man Ihnen unterstellen, dass Sie südländisch aussehende Bewerber diskriminieren.
Und suchen Sie niemanden mit perfekten Deutschkenntnissen für Lagerarbeiten. Das könnte Menschen mit Migrationshintergrund und schlechten Deutschkenntnissen benachteiligen.
Teil 1 stellt die Problematik im Kernbereich Arbeitsrecht dar. Eine erste Prozess-Statistik gibt vorläufig Entwarnung. Teil 2 widmet sich den AGG-Auswirkungen im Zivilrecht und sagt, was bei Mietverhältnissen, Versicherungen und im Online-Handel gilt. Teil 3 gibt praktische Tipps für den Umgang mit Stellenbewerbern. Weitere Extrabeiträge erklären, wo die Gleichbehandlung bei einer Kündigung zu beachten ist, und schildern den Fall einer erfolgreichen Klage gegen Lohndiskriminierung.
Ruhig bleiben
Seien Sie vorsichtig, was Sie dem Bewerber erzählen. Sagen Sie dem türkischen Schlosser bloß nicht, dass Sie wegen der griechischen Mitarbeiter um den Betriebsfrieden fürchten. (Die beiden Völker verbindet eine jahrhundertlange Feindschaft.) Damit man Ihnen am Ende nichts Falsches unterschieben kann, sollten Sie keine Vorstellungsgespräche ohne Zeugen führen.
Beweise sichern
Wenn ein Abgewiesener behauptet, dass eine Benachteiligung vorliege, müssen Sie das Gegenteil beweisen. Es herrscht also praktisch die umgekehrte Beweislast. Machen Sie deshalb Kopien von den Bewerbungsunterlagen und heben Sie sie noch drei Monate nach der Absage auf. So lange darf er sich Zeit lassen, bevor er Sie anzeigt.
Sichern Sie auch alles andere, was Sie von dem Bewerber haben, wie etwa Gesprächsprotokolle oder Fotos von besonders schmuddeligen Bewerbermappen. Dokumentieren Sie bei jedem Bewerber ganz genau, warum Sie ihn nicht genommen haben bzw. warum ein anderer das Rennen gemacht hat. Es reicht nicht aus, wenn Sie sagen, dass er nicht ins Team gepasst hat.
Am besten legen Sie ein einheitliches Word-Dokument mit festen Kategorien wie Qualifikation, Berufserfahrung etc. an, das Sie ganz schnell ausfüllen können. Damit können Sie belegen, dass keine AGG-relevanten Gründe zur Nichteinstellung geführt haben. Sie müssen dabei aber ganz neutral und gewissenhaft vorgehen.
Frieden garantieren
Auch bei bereits bestehenden Arbeitsverhältnissen sind Sie gefragt. So dürfen Sie nicht zulassen, dass irgendjemand in Ihrem Betrieb diskriminiert wird, weder von Kollegen noch gar vom Chef. Sobald Sie einen sexistischen Spruch hören, müssen Sie eingreifen.
Ein Mitarbeiter, der sich diskriminiert fühlt, darf bei vollem Gehalt die Arbeit ruhen lassen – so lange, bis der Missstand behoben ist. Einen solchen Arbeitnehmer, oder Zeugen, die ihn unterstützen, dürfen Sie nicht maßregeln. Auch das sieht das Gesetz vor.
Fazit: Unverdächtig delegieren
Es gibt aber noch Gerechtigkeit auf dieser Welt. So ging ein Herr leer aus, der sich als „Chefsekretärin/Assistentin“ beworben hatte, aber die Sache nicht ganz ernst gemeint hatte. Er stellte nicht nur überzogene Gehaltsforderungen, sondern machte auch keine Angaben zu einer als wesentlich geltenden Einstellungsvoraussetzung. Das durchschaute auch der Richter des Landesarbeitsgerichts Berlin und widersprach dem Zusatztaschengeld. (Das Urteil gibt es als PDF zum Download.)
Wenn Sie also jeden Ärger mit faulen Bewerbern vermeiden wollen, dann schreiben Sie Ihre Stellen einfach nicht mehr aus. Hören Sie sich lieber bei Ihren eigenen Mitarbeitern um, ob die vielleicht jemanden kennen. Oder geben Sie das Ganze in die Hände einer erfahrenen Agentur.