Gegen Trinker helfen Betriebsvereinbarungen
Von Lisa Reisch
Experten gehen davon aus, dass 5 % aller Beschäftigten Alkoholiker sind. Doppelt so viele gelten als gefährdet. Die Folgen am Arbeitsplatz: Ein alkoholisierter Mitarbeiter leistet ein Viertel weniger als ein nüchterner, er vergiftet das Betriebsklima und ist eine Gefahr für sich und andere.
Der Konsum in Firmen ist dank zahlreicher Aktionen von Innungen, Ministerien und Verbänden rückläufig; in vielen Unternehmen ist Alkohol mittlerweile verboten. Dennoch haust in ungezählten Büroschränken, Spinden und Schreibtischen nach wie vor der Flachmann. Die Aufgabe, der Heimlichkeit auf die Spur zu kommen, dem Missbrauch Einhalt zu gebieten und damit der Gefahr von Unfällen vorzubeugen, ist schwierig, aber lösbar.
Ein Mitarbeiter, der regelmäßig morgens mit einer Fahne an der Werkbank steht und die Firma jeden Abend leicht schwankend verlässt: ein Albtraum für jeden Arbeitgeber. Vor allem in Handwerksbetrieben steigt mit dem Alkoholeinfluss die Gefahr eines Arbeitsunfalls gewaltig.
Der Arbeitgeber ist hier mit seinen Führungsqualitäten gefordert, denn falls er nicht reagiert, verletzt er seine Sorgfaltspflicht den Mitarbeitern gegenüber. Wegen seiner Fürsorgepflicht muss der Arbeitgeber den alkoholisierten Mitarbeiter von gefährlichen Arbeiten abhalten und darf ihn – ohne Lohnfortzahlung – nach Hause schicken. Dabei muss er noch darauf achten, dass der Mitarbeiter nicht Auto fährt und sicher zu Hause ankommt.
BGV zu Alkohol und Unfallschutz
Das Berufsgenossenschaftliche Vorschriften- und Regelwerk ist in der jeweils aktuellen Fassung beim Carl Heymanns Verlag abrufbar. Zentral ist die Berufsgenossenschaftliche Vorschrift (BGV) A1:
- § 7 (2): „Der Unternehmer darf Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen“.
- § 15 (2): „Versicherte dürfen sich durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können.“
Ein bundeseinheitliches Präventionsgesetz ist bislang noch Entwurf.
Obwohl das einfach und logisch klingt, gerät die Situation zum Dilemma, wenn sie in der eigenen Firma stattfindet: Kein Mitarbeiter wird einfach von sich aus zugeben, dass er ein Alkoholproblem hat. Wie kann man ihn darauf ansprechen? Der Umgang mit einem Trinker in der Firma verlangt vom Arbeitgeber eine feste Hand mit viel Fingerspitzengefühl.
Welche Regeln gelten
Dass in einem handwerklichen Betrieb keine Getränkeautomaten mit alkoholischen Getränken stehen sollten, versteht sich von selbst. Doch ein komplettes, rigoroses Verbot in der Firma ist oft schwer durchzusetzen. Kleine Geburtstagspartys oder Bier bei Betriebsfeiern kann und will man der Belegschaft kaum verbieten. Und: Herrscht in der Werkstatt striktes Alkoholverbot, werden die Arbeiter meutern, wenn im Büro nebenan regelmäßig die Korken knallen.
Teil 1 erklärt, warum wegsehen nichts hilft, nennt sichere Anzeichen einer Alkoholerkrankung und schildert Maßnahmen der Wiedereingliederung. Teil 2 sagt, was zu tun bleibt, wenn eine krankheitsbedingte Kündigung unumgänglich geworden ist.
Unternehmer tun deshalb gut daran, klare und faire Regelungen zu erarbeiten und neue Mitarbeiter schon beim Vorstellungsgespräch darauf zu verpflichten. Bewährt haben sich entsprechende Dienst- bzw. Betriebsvereinbarungen, die bereits einen Stufenplan für Problemfälle vorsehen. Muster hierfür gibt es z.B. bei der AOK oder auf der kostenlosen Ratgeber-CD des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB).
Solche Regelungen sind nicht nur in Bezug auf Produktivität und Sicherheit ratsam. Auch im Streitfall, wenn es wegen Alkoholmissbrauch zu einer Kündigung kommt, steht der Arbeitgeber auf der rechtlich sicheren Seite. Allerdings sollte er auch selbst als Vorbild vorangehen und sich dieser Rolle bewusst sein: Ein Barschrank hat auch im Büro des Chefs nichts verloren.
Wann Sie eingreifen müssen
Ohne sichtbare Beweise wie volle, halbleere oder leere Flaschen ist es schwierig, ein Alkoholproblem dingfest zu machen. Keinesfalls sollten Sie bloßen Gerüchten glauben; für manche Hinweise findet sich außerdem eine harmlose Erklärung: Ein aufgedunsenes Gesicht und rote Augen können auch am Heuschnupfen liegen, andererseits lässt sich eine Fahne mit Kaugummi und Pfefferminzbonbons zeitweise übertünchen. Ein einziger Anhaltspunkt reicht deshalb oft nicht aus. Häufen sich jedoch diese Anzeichen, könnte das auf ein Alkoholproblem hinweisen:
- Der Mitarbeiter verlässt mehrmals täglich unter einem Vorwand für kurze Zeit seinen Arbeitsplatz; entschuldigen lässt er sich meist von anderen, Vorgesetzte meidet er.
- Er ist überdurchschnittlich launisch und reizbar oder auffallend gesprächig. Er ist unruhig und hat sichtbare Entzugserscheinungen wie zitternde Hände, Schwitzen, gerötete Haut, besonders morgens.
- Er wird unzuverlässig, häufiger krank (meist Einzelfehltage) und hat mehr Unfälle als die Kollegen.
- Er weist starke Schwankungen in der Qualität und Quantität seiner Arbeit auf, insgesamt leistet er weniger als die Kollegen.
Besonders problematisch wird die Situation, wenn der akute Verdacht besteht, dass ein Mitarbeiter, der gefährliche Arbeiten verrichten muss, angetrunken ist. Weil der Arbeitgeber niemanden zu einem Alkoholtest zwingen darf, genügt in diesem Fall der äußere Anschein, um ihn von diesen Arbeiten abzuziehen. Der Vorgesetzte muss dann handeln, weil er sonst seine Fürsorgepflicht verletzt.
Was Sie tun können
Das Arbeitsrecht gibt Unternehmern viele Rechte in die Hand, wenn es um Alkohol geht. Besonders bei gefährlichen Tätigkeiten und bei Berufskraftfahrern rechtfertigt Alkohol während der Arbeitszeit sogar eine fristlose Kündigung. Auch bei Änderungskündigungen, Abmahnungen und Lohnkürzungen für alkoholbedingte Ausfallzeiten bekommen die Arbeitgeber im Allgemeinen Recht.
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS) hilft auch telefonisch weiter. Unter der Nummer (0 23 81) 90 15-0 erhalten betroffene Arbeitgeber Beratungs- und Expertenadressen in der Nähe sowie weiterführendes Informationsmaterial.
So viel menschlich dagegen sprechen mag: Das Thema Kündigung wird irgendwann im Raum stehen. Dabei muss jedoch sorgfältig zwischen Alkoholmissbrauch und Abhängigkeit unterschieden werden: Kann der Mitarbeiter seinen Konsum noch kontrollieren, darf der Arbeitgeber nach vorheriger Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. Anders sieht es aus, wenn der Mitarbeiter abhängig ist; dann gilt die Sucht als Krankheit, und die Kündigung ist nur noch krankheitsbedingt möglich, nachdem die Möglichkeit einer Therapie eingeräumt wurde.
Bei der Landeszentrale für Gesundheit in Bayern e.V. (LZG) gibt es den Leitfaden von Johannes G. Gostomzyk: Alkohol im Unternehmen: vorbeugen – erkennen – helfen, (hg. v. der LZG, 2. ergänzte Auflage 2006) zum Download als PDF. Der Text versammelt nicht nur Merkblätter und eine Musterdienstvereinbarung, sondern der Autor empfiehlt Arbeitgebern auch einen konkreten Stufenplan, der alle Mittel der Einflussnahme ausreizt: vom persönlichen Konfliktgespräch mit Nennung der Pflichtverletzung über Beratungsempfehlungen und den Umgang mit der Personalakte bis hin zu Abmahnung und Kündigung.
Fazit: Rundheraus ist richtig
Abwarten, bis es von selbst besser wird, nützt nie etwas. Und einem angetrunkenen Menschen die Leviten zu lesen, hat wenig Sinn. Aber um ein ernstes Wort in einem nüchternen Moment führt kein Weg herum. Konzentrieren Sie dann Ihre Darlegungen rigoros auf Fakten und die Leistung, die der Mitarbeiter bringt – oder eben nicht bringt. In diesem Gespräch sollten Sie ganz klar die Konsequenzen besprechen, aber auch Hilfsangebote machen.