Einmal rückfällig reicht nicht
Von Sabine Wagner
Selbst dann, wenn die Firma alles tut und dem alkoholkranken Mitarbeiter eine Therapie ermöglicht, muss man sich klar machen, dass die Chancen nicht gut stehen. Denn Rückfälle gehören zum Krankheitsbild: Über 80 % greifen innerhalb eines Jahres nach der Kur wieder zur Flasche. Es ist also in den meisten Fällen nur eine Frage der Zeit, wann das Thema Kündigung auf den Tisch kommt.
Alkoholkranke Mitarbeiter sind für jedes Unternehmen eine große Belastung. Desto eher alle Beteiligten die Tatsache der Erkrankung akzeptieren und desto eher man mit professioneller Unterstützung an diesem Thema arbeiten kann, desto weniger Reibungsverluste entstehen im Unternehmen. In der Regel wird aber leider viel zu lange weggeschaut – dafür umso mehr hinter dem Rücken des alkoholabhängigen Mitarbeiters geredet.
Voraussetzungen
Nehmen wir an, das Unternehmen hat rasch und beherzt reagiert: Der Mitarbeiter befindet sich in einer ambulanten Entziehungskur – und wird rückfällig. Nur dann, wenn die folgenden drei Voraussetzungen vorliegen, ist eine rechtsgültige Kündigung möglich:
- Es liegt eine negative Gesundheitsprognose vor: Tatsachen, die die Prognose weiterer Erkrankungen des Arbeitnehmers in bisherigem Umfang rechtfertigen.
- Es ist eine Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens gegeben (durch Störungen des Betriebsablaufs infolge von Fehlzeiten des betreffenden Arbeitnehmers) und/oder erhebliche Belastungen des Unternehmens mit Lohnfortzahlungskosten.
- Die Abwägung der Interessen beider Seiten muss so ausfallen, dass dem Unternehmen die Beeinträchtigung seiner betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen nicht mehr zugemutet werden kann; Faktoren der Abwägung sind die Dauer des Arbeitsverhältnisses, unter Umständen die Krankheitsursache sowie Fehlzeiten des Arbeitnehmers und dessen Alter.
Eine einmalige Entgleisung während der Entziehungskur reicht noch nicht aus, um eine negative Gesundheitsprognose zu bejahen – so entschieden vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 5. September 2012 (Az. 15 Sa 911/12). Aus einem einzelnen Rückfall kann noch nicht geschlussfolgert werden, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft wieder rückfällig werden wird.
Teil 1 erklärt, warum wegsehen nichts hilft, nennt sichere Anzeichen einer Alkoholerkrankung und schildert Maßnahmen der Wiedereingliederung. Teil 2 sagt, was zu tun bleibt, wenn eine krankheitsbedingte Kündigung unumgänglich geworden ist.
K.o.-Kriterien
Auf der juristisch sicheren Seite bleibt das Unternehmen,
- wenn der Arbeitnehmer mehrfach rückfällig geworden ist,
- wenn er anschließend eine stationäre Entziehungstherapie abgelehnt hat,
- wenn der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz alkoholbedingte Ausfallserscheinungen zeigt und
- wenn ein geeignetes betriebliches Eingliederungskonzept durchgeführt wurde.
Je nach Tätigkeit des Arbeitnehmers kann das Unternehmen ferner noch vortragen, dass der alkoholerkrankte Arbeitnehmer aufgrund von Unfallverhütungsvorschriften oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht mehr weiterbeschäftigt werden kann.
Fazit: Sicher mit Rechtsbeistand
In allen anderen Fällen empfiehlt es sich, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht einzuschalten, bevor das Unternehmen eine ordentliche Kündigung gemäß § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ausspricht. Eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung wegen Alkoholabhängigkeit ist gemäß Urteil des Arbeitsgerichts Naumburg vom 6. September 2007 (Az. 1 Ca 956/07) grundsätzlich nicht zulässig.