Als Nächstes die Anlagenanschlüsse
Die Umstellung von ISDN auf All-IP im Festnetz der Deutschen Telekom ist im vollen Gange. Bei dem Pressegespräch im Oktober 2016 gab Klaus Müller, Leiter strategische Entwicklung und Transformation der Telekom Deutschland, die jüngsten Zahlen der Umstellung bekannt. Demnach waren Ende Oktober bereits 1,1 Millionen und damit rund ein Drittel der Geschäftskundenanschlüsse bereits umgestellt. Dabei handelt es sich laut Müller in erster Linie um kleinere Geschäftskunden und Filialen von Handelsketten, die mit einem Router und einer kleinen TK-Anlage auskommen. Die Umstellung in solchen Fällen sei meist relativ einfach und könne innerhalb eines Monats von der ersten Kundeninformation bis zur Umstellung bewerkstelligt werden.
Reine Telefonie-Anschlüsse
Laut Müller soll bis Ende 2016 die Hälfte aller Festnetzanschlüsse bereits umgestellt worden sein. In ländlichen Gebieten, die der Breitbandausbau (noch) nicht erreicht habe, werde Telekom Deutschland auf DSL-Light umstellen. Die Bandbreiten mit maximal 384 kBit/s im Down- und 64 kBit/s im Upstream würden für die Telefonie ausreichen, nur beim Surfen im Internet müsse der Kunde Bandbreitenabstriche machen. Doch parallel zur All-IP-Umstellung werde auch der Breitbandausbau voranschreiten, und Ende 2018 seien dann 80 % aller Haushalte mit einem solchen versorgt.
Ab Anfang 2017 sollen reine Telefonie-Anschlüsse im Zuge eines Massen-Rollouts ebenfalls an das IP-Netz angebunden werden. Das sind meist die Anschlüsse älterer Menschen, es können aber zum Beispiel auch industriell genutzte Anschlüsse, etwa für einen Notruf sein.
Bei diesen sogenannten Single-Play-Anschlüssen werden die Kunden nur über den Umstellungszeitpunkt informiert, weil es dabei zu einem kurzfristigen Netzausfall kommt. Am Teilnehmeranschluss selbst muss nichts geändert werden. Die Umstellung sei laut Müller ein reiner Kartentausch in der Vermittlungsstelle. Die analoge Teilnehmerleitung sei danach über eine MSAN-POTS-Karte an das IP-Netz angebunden.
Skalierbare Cloud-Lösung
Unternehmen mit einer ISDN-TK-Anlage mit vielen Nebenstellen haben künftig mehrere Möglichkeiten, auf eine All-IP-Anbindung der Telekom umzusteigen: per TK-Anlage aus der Cloud, mit einer laut Telekom Deutschland relativ leicht zu konfigurierenden SIP-Trunk-Lösung oder mit einer individuell angepassten Lösung in Zusammenarbeit mit dem Service-Anbieter T-Systems.
Die neue Cloud-PBX von Telekom Deutschland ist in Festnetz wie Mobilfunknetz eingebunden und bietet deshalb gerade in diesem Zusammenspiel ein paar Vorteile gegenüber anderen Anbietern. (Bild: Telekom Deutschland)
Seit Mitte November 2016 gibt es mit DeutschlandLAN Cloud PBX eine laut Telekom „für jede Unternehmensgröße skalierbare“ Lösung, bei der die Kunden auf eine IP-TK-Anlage in der Private Cloud der Deutschen Telekom zugreifen. Dabei soll der Anwender Rufnummernverwaltung sowie Aktivierung und Deaktivierung von Unified-Communications-Diensten über eine Web-Oberfläche verwalten. Anders als andere TK-Anlagen aus der Cloud bietet diese Lösung laut Peter Arbitter, Leiter Portfolio Geschäftskunden Telekom, eine direkte Einbindung des D1-Mobilfunknetzes. Das heißt: Ein Anschluss kann nicht nur auf eine Mobilfunknummer umgeleitet werden, sondern das Mobilfunkgerät hat dieselbe Nummer wie der Festnetzanschluss und ist ein gleichwertiger Client in dieser Lösung. Eine Live-Vorführung in München hat gezeigt, wie ein Anruf im Gespräch von einem Gerät zum andern übernommen wird. Ein Basisanschluss kostet knapp 55 Euro, jeder zusätzliche Port knapp 3 Euro. UCC-Funktionen wie Assistenz, Dokumenten-Sharing oder Ähnliches können laut Telekom Deutschland jederzeit hinzugebucht oder gekündigt werden.
Die Private Cloud der Telekom ist deutschlandweit die größte, und der Anbieter hat als erster für sein IP-basiertes Fest- und Mobilfunknetz vom Verband der Schadensversicherer das Zertifikat VdS 2471-S1 G115903 erhalten. Die Zertifizierung umfasst das Routing, die Verfügbarkeit, geschlossene Benutzergruppen sowie die Unterstützung von Sicherheitsprotokollen. Mit diesem Zertifikat seien die IP-Netze für Alarmanlagen geeignet. Das Zertifikat gab es bisher noch nicht, die Telekom hat es beim Verband angefordert. Andere Anbieter werden folgen.
SIP-Trunks und Sonderdienste
Dirk Erben (Portfoliomanagement, Presales und Marketing Geschäftskunden der Telekom Deutschland) erklärte die neue SIP-Trunk-Lösung des Anbieters. Diese sei bereits seit April auf dem Markt und werde ab Jahreswende 2016/17 deutschlandweit verfügbar sein. Zum Berichtszeitpunkt seien gut hundert Anschlüsse realisiert worden. Das Produkt DeutschlandLAN SIP-Trunk soll so stabil konfiguriert sein, dass ein Kunde mit einem oder mehreren S2M-Anschlüssen seine ISDN-Anlage einfach gegen eine IP-TK-Anlage aus dem Portfolio der Telekom Deutschland tauschen könne. Der Netzbetreiber ersetzt die ISDN-Anbindung durch eine entsprechende Anzahl an SIP-Trunks. Der Kunde muss die Anlage nur noch anschließen und seine bisher genutzten Rufnummern mit Rufnummernkonzept dort eintragen.
Sonderdienste lassen sich auf mehreren Wegen in das All-IP-Netz einbinden. (Bild: Telekom Deutschland)
Das hört sich revolutionär an, denn SIP-Trunking galt bisher bei allen Anbietern als Projektgeschäft. Das SIP-Protokoll ist nicht eindeutig definiert und selbst verschiedene Software-Releases eines Herstellers sind nicht unbedingt zueinander kompatibel. Doch die Telekom hat das Angebot auch eingeschränkt: Es lassen sich auf jeden Fall die Basisfunktionen nutzen. Es sei aber nicht gewährleistet, dass alle Spezialfunktionen der Anlagen funktionieren würden. Trotzdem wird es nicht wenige Kunden geben, die möglichst alle Dienste einer bei der Telekom gekauften Anlage nutzen wollen. Die Telekom bietet für die All-IP-Migration bei Geschäftskunden einen Kundenservice mit gut 300 Mitarbeitern an.
Großkonzerne, Behörden und Kunden aus dem Gesundheitswesen werden laut Erben bereits seit 2013 von T-Systems auf die Thematik hingewiesen. Hier handle es sich durchweg um Projektgeschäft, und es seien auch schon einige Projekte im vollen Gange. Er und Klaus Müller sind sich einig, dass auch diese Kunden bis Ende 2018 auf All-IP umgestellt hätten.
Sonderdienste wie Notrufe, Fax-Anschlüsse, Brandmelder oder Cash-Terminals laufen laut Karsten Lehbahn, Leiter Team Sonderdienste bei der Telekom, „problemlos an IP-Anschlüssen“. Wer den Betrieb auch bei Stromausfall gewährleisten möchte, könne mit USVs arbeiten. Für kleinere Betriebe gebe es einen Akku für die Router der Telekom. Mehr als hundert Hersteller von solchen Geräten und Anlagen sowie TK-Anlagen und Anbieter von Notrufdiensten hätten bisher das Testcenter für Sonderdienste der Telekom genutzt und ihre Produkte angepasst. Alternativ bieten sich Mobilfunk oder ein Single-Play-Anschluss an. Um eine reibungslose Migration zu gewährleisten, werde erst auf IP umgestellt, wenn die Frage der Sonderdienste und Hardware geklärt sei.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazinreihe „Kommunikation und Netze“. Einen Überblick mit freien Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Handlungsbedarf: jetzt
Die Erfahrung der bisherigen Umstellungsphase zeigt, dass Unternehmen gut daran tun, das Projekt Umstellung auf All-IP schnell anzugehen. Die Telekom stellt regionenweise um; Anfang 2017 steht laut Klaus Müller Hamburg auf der Agenda. Thomas Nickel, Kundenbetreuer bei der Vater Unternehmensgruppe in Kiel, hat bei seinen Kunden festgestellt: „Bisher waren es vor allem die kleinen Handwerksbetriebe, Kanzleien und Praxen. Die Umstellung an sich ist dabei nicht kompliziert. Doch die Telekom schreibt die Firmen einer Region massenweise an. Und wenn es dann Probleme gibt, sind die Kundenservice-Leitungen ständig belegt. Bei manchen unserer Kunden haben sie zum Beispiel vergessen, einen Router zur Verfügung zu stellen bzw. im Zuge der Umstellung zu installieren. Es wird umgestellt, und die Firma ist telefonisch nicht erreichbar. In solchen Fällen haben wir dann schnell einen passenden Router besorgt und angeschlossen. Doch in diesen Phasen sind auch die Dienstleister heiß gefragt. Und jede Stunde ohne Telefon bedeutet verärgerte Kunden und auch Umsatzeinbußen.“
Nickel rät daher, das Thema möglichst bald anzugehen. Denn auch bei einem einfachen Netz muss vorab geklärt werden, ob das LAN Voice-over-IP-fähig ist, welche Lösung künftig eingesetzt werden soll und wie die Sonderdienste jeweils behandelt werden sollen. Sobald die Telekom in einer Region die Firmen anschreibt, wird die Zeit knapp. Darüber hinaus gibt ein gewisser Vorlauf auch Zeit, sich das Angebot alternativer Anbieter in der Region anzusehen. Viele betreiben schon seit Jahren ein auf IP-basierendes Festnetz.