Anwesenheitsprämie: Wann Anwesenheitsprämien zur Falle werden

Für Betriebe mit zehn oder weniger Mitarbeitern gilt der normale Kündigungsschutz nicht. Dieser Vorteil wird zum Problem, wenn Anwesenheitsprämien ausgesetzt werden – eben weil das Arbeitsverhältnis jederzeit beendet werden kann. Was das LAG Düsseldorf befand, schildert die Fachredaktion anwalt.de.

Kleinbetriebe unter Willkürverdacht

Von der Fachredaktion anwalt.de

Um überflüssige Fehlzeiten bei der Belegschaft zu reduzieren, setzen Unternehmen mitunter Anreize durch Anwesenheitsprämien: Wer gewissenhaft zur Arbeit antritt, bekommt eine zusätzliche Sondervergütung, wer öfter fehlt, bekommt nichts. In der Praxis gibt es solche arbeitsvertraglichen Vereinbarungen in zahllosen Varianten. Nun ist Unternehmen aber nicht gleich Unternehmen – vor allem gilt bei Kleinbetrieben mit zehn oder weniger Mitarbeitern der gesetzliche Kündigungsschutz nicht.

Normalerweise kann eine Stichtagsregelung zu einer Anwesenheitsprämie das Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses voraussetzen. Allerdings gilt das nicht für Kleinbetriebe. Hier kann eine solche Klausel eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellen. Denn bei Kleinbetrieben, die gemäß § 23 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz von seinem Anwendungsbereich ausgeschlossen sind, kann der Arbeitgeber quasi ohne Einhaltung gewisser Voraussetzungen einseitig eine Kündigung aussprechen. Damit hätte er dem Arbeitnehmer die zeitanteilig versprochene Anwesenheitsprämie einseitig entzogen, obwohl dieser sein Verhalten gemäß der Prämienvereinbarung ausgerichtet und die vertraglichen Voraussetzungen erfüllt hat.

Klausel führt zur Klage

Einen solchen Fall hatte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zu entscheiden. In einer kleinen Immobilienfirma, die lediglich drei Arbeitnehmer beschäftigte, wurde eine Arbeitnehmerin in Teilzeit eingestellt (20 Wochenstunden). Im Arbeitsvertrag waren folgende Klauseln enthalten:

„a.) Mit dem Novembergehalt eines jeden Jahres eine Sonderzahlung (Anwesenheitsprämie) in Höhe eines weiteren Monatsgehalts bei Bestehen eines zu diesem Zeitpunkt ungekündigten Arbeitsvertrags, bei Rumpfjahren jedoch nur zeitanteilig. Die Sonderzahlung reduziert sich, wenn die krankheitsbedingten Fehlzeiten 1 Woche (5 Arbeitstage) im Kalenderjahr überschreiten, um jeweils 1/52 pro angefangener Woche der Fehlzeit. Die Sonderzahlung ist zurück zu gewähren, wenn die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06. des darauf folgenden Kalenderjahres kündigt.“

Nachdem der Arbeitnehmerin gekündigt worden war, weigerte sich der Arbeitgeber anteilig die Anwesenheitsprämie zu bezahlen. Die Arbeitnehmerin ging zwar ohne Erfolg gegen ihre Kündigung vor, bekam vom Landgericht Düsseldorf aber in Hinblick auf die Anwesenheitsprämie Recht. Denn die Klausel unter a) hält der Inhaltskontrolle der §§ 305 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht stand.

Undurchsichtig und unangemessen

Wegen ihrer widersprüchlichen Formulierung bezüglich der „Sonderzahlung“ und „Anwesenheitsprämie“ ist sie zum einen intransparent (Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Denn die getroffene Formulierung deutet einerseits auf eine Anwesenheitsprämie hin, mit dem Ziel, das Verhalten des Arbeitnehmers zu steuern. Andererseits deutet der Wortlaut eine Sonderzahlung an, die für Betriebstreue geleistet wird.

Zwar können solche Mischsondervergütungen zulässig sein. Allerdings ist die Klausel in sich widersprüchlich, weil sie zum einen die Stichtagsregelung bezüglich des Bestehens des Arbeitsverhältnisses enthält, auf der anderen Seite aber gleichzeitig die Formulierung bezüglich der „Rumpfjahre“ auf eine anteilige Kürzung hindeutet.

Unabhängig davon verstößt die Passage wegen der Abhängigkeit von dem Bestehen des Arbeitsverhältnisses gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen, weil der Arbeitgeber bei Kleinbetrieben einseitig die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen kann. Der Ausschluss des Kündigungsschutzgesetzes, den der Arbeitgeber eines Kleinbetriebes einerseits bei der Kündigung genießt, muss also auch bei Vereinbarungen über Sonderzahlungen berücksichtigt werden.

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Fazit: Arbeitsverträge sauber aufsetzen

Eine Sonderzahlung kann aufgrund krankheitsbedingter Fehltage zwar gemäß § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz anteilig gekürzt werden. Allerdings kann man daraus nicht ableiten, dass umgekehrt jede anteilige Kürzung schlechthin zulässig ist. Gerade Inhaber von Kleinbetrieben sollten darauf achten, dass ihre Arbeitsverträge rechtlich einwandfrei verfasst sind. Denn werden hier Fehler gemacht, kann dies für den Betrieb erhebliche Folgen haben. Deshalb ist die Beratung durch einen fachkundigen Rechtsanwalt dringend zu empfehlen.

Nützliche Links

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 2010 (Az.: 16 Sa 235/10) gibt es online als PDF.