Die Technologie steht parat
Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group
Seit gut über zehn Jahren taucht das Schlagwort „Triple-Play“ regelmäßig wieder auf, tatsächliche Dienste lassen aber auf sich warten. Video-on-demand und interaktives Fernsehen sind Begriffe, die im Zusammenhang mit Triple-Play genannt werden, in der Realität aber noch nicht richtig angekommen sind.
Vor der Versteigerung der UMTS-Lizenzen wurde von einigen der Bewerber das mobile Fernsehen als die Killerapplikation angesehen, aber bis heute sind außer einigen halbherzigen Markttests noch keine wirklichen Dienste zu sehen. Wird das gerade testweise eingeführte mobile Fernsehen per Handy doch noch Killerapplikation? Was leisten sie und wem nutzen sie? Gibt es sinnvolle geschäftliche Anwendungen für diese Technologien? Welchen Nutzen kann der Geschäftskunde und das Unternehmen aus den neuen Möglichkeiten ziehen?
Definition
Mobiles TV ist die Bezeichnung für die Möglichkeit zum Empfang Fernsehprogrammen über mobile Endgeräte wie z.B. Handy, Smartphone oder PDA (Personal Digital Assistant). Dabei kann es sich sowohl um Programme der öffentlich-rechtlichen und privaten Sendeanstalten handeln als auch um speziell für den Empfang über Handy hergestellte Programme. Auch kann mittels mobiles TV kostenloser oder kostenpflichtiger Inhalt ausgestrahlt werden. Die Abrechnung und Kundenbeziehung liegt üblicherweise beim jeweiligen Mobilfunkanbieter.
Mobiles Fernsehen – neue Lösungen?
Triple-Play steht für eine Integrationsstufe, bei der über einen gemeinsamen Zugang Sprache, Internet und Fernsehübertragung geliefert wird. Somit ist nur noch ein Anbieter erforderlich und der Kunde erhält eine Rechnung für alle Dienste. Dies erspart zumindest einen Teil der Administration. Soweit so gut. Aber zunächst ändert sich nicht viel, wenn der gleiche Inhalt über einen weiteren Zugang bereitgestellt wird. Die Gerätekombination PC, Settop-Box und Fernsehgerät wird vielleicht nicht überall auf Begeisterung stoßen, zumal der PC ja auch noch Zugang zum Breitbandanschluss benötigt.
Mobil geht das Ganze natürlich auch mittels eines UMTS-Mobilfunkgerätes und des DMB- oder DVB-H-Standards, allerdings bei niedrigen Bandbreiten und nicht in der bekannten Qualität eines Fernsehgerätes. Aber die Displays auf den Mobilfunkgeräte sind ja in der Regel auch wesentlich kleiner.
Wer braucht mobiles Fernsehen?
Für IP-TV scheint es eine Reihe von sinnvollen Anwendungen zu geben, die sowohl den Unternehmen als auch den Nutzern Vorteile bringen. Wie sieht es aber mit dem neuen und rechtzeitig vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft 2006 in einigen ausgewählten Großstädten in Deutschland nach dem DMB-Standard eingeführten Dienst des mobilen Fernsehens aus? Hierfür ist zunächst ein neues Handy erforderlich und es wird wohl einige Monate dauern, bis eine größere Anzahl und Auswahl von Endgeräten zur Verfügung steht. Um mobiles Fernsehen nutzen zu können, ist ein Zusatzvertrag erforderlich, der Kosten in Höhe von ca. € 10 pro Monat mit sich bringt. Diese Kosten kommen natürlich zusätzlich zu Mobilfunk- und Rundfunkgebühren, Kabelanschluss oder anderen Kosten. Dafür kann auf einem Mini-Display dann unterwegs das laufende Fernsehprogramm von 4 Programmen verfolgt werden.
Das erst in 2007 marktreif zur Verfügung stehende DVB-H Angebot, das einen für die Handy-Nutzung abgewandelten DVB-Standard einsetzt, kann am Start voraussichtlich 16 und im Endausbau 50 Programme übertragen. Damit ist der abgeleitete DVB-Standard DMB auf jeden Fall überlegen. Erste kommerzielle Chipsets für den Einbau in mobile Endgeräte wird es ab Anfang 2007 geben (z.B. von Qualcom).
Es gibt sicher Situationen, in denen es gut wäre, mobiles Fernsehen verfügbar zu haben, z.B. in einem längeren Stau auf der Autobahn, bei Wartezeiten am Bahnhof oder Flughafen. Auf der anderen Seite sind dies eher seltenere Nutzungsfälle im Vergleich zur mobilen Telephonie und die Monatsgebühren stellen eine Eintrittsbarriere dar. So wird das mobile Fernsehen in der „klassischen“ Form vermutlich eine Nischenanwendung bleiben.
Anders könnte es aussehen, wenn neben dem bzw. anstelle des Standard-Fernsehprogrammes spezielle Informationsinhalte angeboten werden. Insbesondere bei Informationen mit hoher Aktualität, die der Nutzer unterwegs braucht oder auch nur wünscht, bringt dieses Angebot einen tatsächlichen Mehrwert. Diese multimedialen Informationen können natürlich grundsätzlich auch nach dem MMS-Standard verteilt werden, die nicht nur in Form eines Abonnements vermarktet werden sondern auch mit einer Zahlung pro Nutzung. Eine Stärke haben sowohl IP-TV wie auch mobiles Fernsehen über das Handy, den Rückkanal! Damit bieten sich beide Medien grundsätzlich für interaktive Programme an, die im heutigen Kabelverteil-Fernsehen nur mit Aufwand zu realisieren sind. Auch bei der Ausstrahlung nach dem DVB-T Standard muss man auf die Rückkanalfähigkeit verzichten
Das mobile Fernsehen per Handy hat neben dem Rückkanal auch noch den Ortsbezug. Damit lassen sich vermutlich neuartige Formen interaktiver Unterhaltung und Information realisieren. Für den Kreis der Spiele-Entwickler ist das sicher eine interessante Option. Damit das mobile Endgerät sinnvoll für Bewegbildinformationen genutzt werden kann, ist schon bei der Produktion die Größe (bzw. die Kleinheit) des Displays zu berücksichtigen. Dies setzt spezielle Produktionen zusätzlich zum Standard-Fernsehangebot voraus und Redaktionen, die die Informationen beschaffen und aufbereiten. Die Informationsinhalte können entsprechend der Zielgruppeninteressen recht vielfältig sein: Sportergebnisse, wirtschaftliche Nachrichten, Börsenkurse, politische Nachrichten, Veranstaltungen, Sonderangebote …
Damit mobile Bewegbildangebote erfolgreich angenommen werden, sind Unternehmen erforderlich, die die Diensteentwicklung, die Redaktion und die Produktion übernehmen. Selbst bei niedrigen Produktionskosten stellt sich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit. Nicht nur die absolute Größe der Zielgruppe ist zu berücksichtigen, sondern auch der Aufwand bei der vertrieblichen Bearbeitung und Ansprache der potenziellen Kunden. Im Bereich der Spieleindustrie ist dieses Risiko vermutlich für das neue Medium vermutlich geringer aufgrund der bestehenden Erfahrungen mit den Spielekonsolen.
Neben der Größe des Displays könnte die Standzeit des Akkus möglicherweise limitierendes Element bei der Nutzung des Mobilfunkhandys als „Fernsehgerät“ sein. Zwar sind die Standby-Zeiten der Akkus in den letzten Jahren wesentlich besser geworden und erreichen Werte bis zu einer Woche. Bei durchgehendem Sende- und Empfangsbetrieb und bei eingeschaltetem Farbdisplay dürfte sich dies schnell wieder in den Bereich von Stunden verkürzen. Und wenn dann nach längerem Fernsehkonsum wegen niedriger Akku-Leistung kein Gespräch mehr geführt werden kann, wird man beim nächsten Mal vermutlich wieder zurückhaltender beim mobilen Fernsehgenuss sein.
Die bessere Alternative für mobiles Fernsehen ist auf absehbare Zeit sicherlich DVB-T, zumindest in den Regionen, in denen DVB-T empfangbar ist. Die Anzahl der Sender ist mit derzeit ca. 25 ungleich größer, die Bildqualität um Quantenstufen besser und der Empfang ist (bis auf die Rundfunkgebühren) kostenfrei!
Fazit
Für die mobile Bewegbildübertragung sind die potenziellen Anwendungen zwar durchaus vorstellbar. Ob sich eine wirtschaftliche Umsetzung mit zielgruppenspezifischen Angeboten ergibt und welche Anwendungen tatsächlich eine hinreichend große Zielgruppe finden, bleibt ab zu warten. Der Spielebereich wird aber vermutlich entsprechende Produkte anbieten, die die Interaktionsfähigkeit nutzen und vielleicht auch den Ortsbezug.
Die besondere Stärke von IP-TV und mobilem Fernsehen ist auf jeden Fall die Rückkanalfähigkeit, die als Basis für neuartige Informations- und Unterhaltungsformate dienen kann, die sich deutlich vom heutigen Verteil-Fernsehen unterscheiden können.