Additive Fertigung sucht ihren Abschluss
Von Friedrich List
Die additive Fertigung fasziniert sowohl große Unternehmen wie auch die sogenannte Maker-Bewegung, die in der heimischen Werkstatt ungewöhnliche Objekte kreiert oder nicht mehr erhältliche Ersatzteile in Kleinstserien herstellt. In der Industrie jedenfalls hält der 3D-Druck mittlerweile in großem Stil Einzug in die Fertigung.
Nach einer Analyse der Online-Jobvermittlung Joblift steht gerade in der Automobilindustrie ein Boom bevor. Dazu hat das Unternehmen 17 Millionen Stellenanzeigen ausgewertet. Wenn es um freie Jobs in der additiven Fertigung geht, behauptet zwar der Maschinen- und Anlagenbau seine Spitzenstellung. Aber die Bedeutung der additiven Fertigung wächst auch in der Luft- und Raumfahrt sowie in der Zahn- und Medizintechnik.
3D-Drucker als Jobmotoren
Die Joblift-Untersuchung verzeichnete für 2017 einen Aufschwung von 88 %. 2016 schrieb die Industrie 2178 Stellen in der additiven Fertigung aus, 2017 waren es schon 4099 Stellenanzeigen. Gefragt sind in erster Linie Konstrukteure und Maschinenbauer. Dichtauf folgen Programmierer, Sales-Experten und Business-Development-Spezialisten. Rund die Hälfte der Inserate schalteten große Industrieunternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern. Aber inzwischen interessieren sich auch kleinere Unternehmen für 3D-Druck-Spezialisten. Der Grund dafür ist die rapide technische Verbesserung der Drucker. Sie sind mittlerweile kompakt, bedienungsfreundlich und preiswert genug, dass sich eine Anschaffung auch für ein kleineres Unternehmen lohnt. Das machte sich auch bei der Zahl offener Stellen bemerkbar. Sie stieg 2017 um satte 120 % an.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazinreihe „IT & Karriere“ erschienen. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Bei der Integration der additiven Fertigung in die Produktion arbeiten Experten verschiedener Fachgebiete zusammen: Werkstofftechniker, Konstrukteure und Produktionsplaner. „Für jedes Anwendungsszenario gilt es, die geeignete Technologie beziehungsweise Prozesskette auszuwählen und in einen effizienten Produktionsprozess umzusetzen, oder auch verschiedene Verfahren miteinander zu kombinieren“, erklärt Prof. Gerd Witt, Leiter des Instituts für Produkt Engineering an der Universität Duisburg-Essen, auf ingenieur.de. Zudem seien Kenntnisse über die unterschiedlichen Verfahren und die Vielfalt der nutzbaren Werkstoffe notwendig sowie Know-how in der Konstruktion von additiven Bauteilen.
Quereinsteiger dominieren
Während Industrie und Handwerk mehr und mehr Jobs für 3D-Druck-Spezialisten anbieten, hinkt die Ausbildung noch hinterher. Zurzeit beschäftigen sich hauptsächlich Quereinsteiger mit der neuen Fertigungstechnologie. Sie durchlaufen klassische Bildungswege, studieren beispielsweise Ingenieurswissenschaften. Eigenständige Ausbildungen, also spezielle Studiengänge an Universitäten oder Fachhochschulen, oder aber handwerkliche Berufsausbildungen fehlen bislang. Man kann weder Verfahrenstechnik Additive Fertigung studieren, noch gibt es einen Verfahrensmechaniker Additive Fertigung.
Im Moment gehören zwar die Grundlagen der neuen Verfahren zum Stoff im Maschinenbaustudium, aber tiefere Kenntnisse können sich Ingenieure und Konstrukteure erst im Unternehmen aneignen. Dabei, so Prof. Witt, sei das Wissen um den 3D-Druck inzwischen so umfangreich, „dass die Einrichtung eines speziellen Master-Studiengangs durchaus gerechtfertigt wäre.“ Laut Witt diskutiert man in den Hochschulen darüber, auch gebe es schon erste Lehrstühle zum Thema.
Studienbroschüre: Die Hochschule Schmalkalden bietet eine zweisemestrige berufsbegleitende Weiterbildung zum Anwendungstechniker (FH) für Additive Verfahren/Rapid-Technologien an. (Bild: Hochschule Schmalkalden)
Spezialisierung nach dem Studium
Obwohl ein eigener Studiengang vorerst noch Zukunftsmusik bleibt, können sich Interessierte mit Ingenieurstudium oder einer Ausbildung im Handwerk entsprechend fortbilden. So bietet die Hochschule Schmalkalden die berufsbegleitende Weiterbildung Anwendungstechniker (FH) für Additive Verfahren/Rapid-Technologien an. Sie richtet sich vor allem an technische Fachkräfte aus kleinen und mittelständischen Betrieben. Schmalkalden kooperiert dabei mit dem Verband Deutscher Werkzeug-und Formenbauer (VDWF), Prof. Witts Fachgebiet Fertigungstechnik der Universität Duisburg-Essen, dem Institut für werkzeuglose Fertigung der Fachhochschule Aachen und dem Werkzeugbau-Institut Südwestfalen. Die Fortbildung dauert ein Jahr. Ihre Teilnehmer durchlaufen sieben mehrtägige Präsenzphasen in Schmalkalden, Aachen, Duisburg und Halver und legen dann auch ihre Prüfungen ab.
Im ersten Semester sind die Grundlagen von additiver Fertigung, 3D-Druck im nicht-industriellen Bereich sowie Werkstoffe und deren Qualifizierung Thema. Hinzu kommen kunststoff- und metallbasierte Fertigungsprozesse. Das zweite Semester beinhaltet Schwerpunkte wie Produktentwicklung und Konstruktion, Projektmanagement, Fertigungsprozesse für nichtmetallische und organische Werkstoffe sowie Qualitätssicherung. Außerdem beschäftigen sich die Studenten mit der Einführung additiver Verfahren in die betriebliche Fertigung. Praxisseminare bieten Einblicke in verschiedene Anwendungsgebiete, etwa die Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrt oder die Medizintechnik.
Der Zertifikatslehrgang Fachingenieur Additive Fertigung VDI ist modular aufgebaut und zielt auf eine praxisorientierte Qualifizierung ab. (Bild: VDI Wissensforum GmbH)
Weiterbildung für Ingenieure
Beim VDI gibt es einen Weiterbildungslehrgang zum Fachingenieur Additive Fertigung. Er vermittelt Kenntnisse rund um das Produktionsverfahren selbst. Zudem sind neben technischen auch wirtschaftliche, rechtliche und soziale Aspekte Thema. Die sieben Module können über einen Zeitraum von zwei Jahren gebucht werden. Zielgruppe sind Mitarbeiter aus produzierenden Unternehmen, speziell Fach- und Führungskräfte aus Maschinen- und Anlagenbau, der Fahrzeugindustrie oder Zulieferern.
Wer auf Online-Angebote zurückgreifen möchte, kann Angebote von Udemy, Coursera oder der MIT-Plattform edX nutzen. Zudem engagieren sich viele Unternehmen in der Weiterbildung ihrer eigenen Mitarbeiter. So verlässt sich der Maschinenbauer Trumpf aus Ditzingen auf eigene Teams. Zurzeit sind über 200 Mitarbeiter im Bereich additive Fertigung tätig, aber das Unternehmen will die Zahl der Stellen weiter aufstocken. Die EOS GmbH bietet seit 2017 in Zusammenarbeit mit der englischen Universität Wolverhampton und der deutschen SRH Hochschule Berlin eine Ausbildung zum Applikationsingenieur für die Additive Fertigung an. Sie dauert ein halbes Jahr, steht aber nur einem handverlesenen Kreis offen. Jeder Kurs hat acht Teilnehmer.
Bei seinem Ausbildungsprogramm Applikationsingenieur für die Additive Fertigung kann der 3D-Druck-Pionier EOS in Krailling auf eine Menge von Echtdaten aus eigenen Projekten zurückgreifen. (Bild: EOS GmbH)
Handwerk am Start
In mehreren Handwerksberufen spielt der 3D-Druck mittlerweile ebenfalls eine große Rolle, auch als Teil der Ausbildung. Dazu gehören Zahntechniker, technische Modellbauer, Orthopädieschuhmacher und Feinmechaniker. In der Ausbildung zum Hörakustiker kommt sie mit Blick auf die Materialauswahl vor. Was jedoch fehlt, sind laut einer Untersuchung des Heinz-Piest-Instituts für Handwerkstechnik in Hannover Lehrinhalte über das Erstellen von CAD-Daten und Datenverarbeitung. Darüber hinaus gibt es jedoch mehr und mehr gewerkespezifische Fortbildungsangebote. Das sind beispielsweise die Fachkraft für Additive Fertigungsverfahren Metall oder für Kunststoff.
Ich bring mich in Form
Für manche mag die 3D-Druck-Technologie wie eine nette kleine Spielerei wirken. Doch sowohl im industriellen Bereich wie auch im Handwerk ist jetzt schon nicht mehr wegzudenken. Wer ein ausgeprägtes technisches Verständnis, aber auch die nötigen theoretischen Kenntnisse mitbringt und über ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen verfügt, sollte sich die Ausbildungsangebote auf jeden Fall einmal etwas genauer ansehen – und seine Karriere in die richtige Form drucken.
Friedrich List ist Journalist und Buchautor in Hamburg. Seit Anfang des Jahrhunderts schreibt er über Themen aus Computerwelt und IT, aber auch aus Forschung, Fliegerei und Raumfahrt, u.a. für Heise-Print- und Online-Publikationen. Für ihn ist SEO genauso interessant wie Alexander Gersts nächster Flug zur Internationalen Raumstation. Außerdem erzählt er auch gerne Geschichten aus seiner Heimatstadt.