Balkonkraftwerke: Wie Sonnenenergie in die Steckdose kommt

Sie sollen Stromkosten senken, einfach zu installieren sein und einen persönlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten – Balkonkraftwerke werden als die Tausendsassas der Energiewende für jedermann gepriesen. Was bringen sie wirklich? Was ist beim Kauf sowie bei Montage und Anschluss zu beachten?

Energiewende an der Hausfassade

Von Michael Praschma

Knapp 350.000 installierte Balkonkraftwerke waren Anfang 2024 in Deutschland registriert – mit einer mehrfach so hohen Dunkelziffer. 80 % davon sind allein im Vorjahr hinzugekommen. 266 MW Gesamtleistung können diese recht handlichen Paneele insgesamt liefern. Das entspricht grob gerechnet der Leistung von 60 Windkraftanlagen (an Land). Die Preise beginnen im Onlinehandel bei wenigen hundert Euro, der Anschluss erfolgt über die heimische Steckdose. Scheint die Sonne vom klaren Himmel, kann damit z.B. im Winter ein kleiner Heizlüfter mit 800 W laufen, ohne dass sich der Stromzähler dreht. Kurz: Das Prinzip leuchtet ein, der Trend ist heiß.

Was genau gilt als Balkonkraftwerk?

Eine Antwort fällt gar nicht so leicht, sobald es um mehr geht als die nackte Definition „kleine Fotovoltaikanlage zur Hausmontage mit Anschluss an das 230-V-Stromnetz“. So galt z.B. bisher (und zu Redaktionsschluss) in Deutschland eine zulässige Leistungsgrenze von 600 W. Die wird voraussichtlich und frühestens Ende März 2024 auf 800 W angehoben. Alles, was mehr kann, unterliegt einem komplizierteren Anmeldeverfahren.

„Steckersolargeräte“ heißen die Produkte technisch korrekt. Rechtlich gelten sie als EEG-Anlage (Erneuerbare-Energien-Gesetz). Sie müssen den Normen des VDE entsprechen und können bei Standardmodulen auch in über 4 m Höhe montiert werden – übrigens nicht nur an Balkonen, sondern z.B. auch auf Terrassen, Garagendächern, Freiflächen o.Ä.

Die Solarpaneele sind mit einem Wechselrichter ausgestattet, der den erzeugten Strom in Wechselstrom umwandelt, sodass er über eine Steckdose in das häusliche Netz eingespeist werden kann. Dort sorgt er dafür, dass Geräte im jeweiligen Stromkreis primär mit diesem Strom betrieben werden. Der Zähler „dreht“ also weniger.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Heise-Themenspecial „Fotovoltaik“. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Heften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.

Kosten und Nutzen

Die gesunkenen Anschaffungskosten haben den Balkonkraftwerkboom maßgeblich befördert. Hier kommt einiges Erfreuliche zusammen. Bereits seit Anfang 2023 wird auf den Preis für Fotovoltaik keine Mehrwertsteuer mehr aufgeschlagen. Die Entwicklung wesentlicher Preisfaktoren wie der Kosten von Solarmodulen und Wechselrichtern zeigt nach unten, ist aber schwer vorherzusagen, weil sie stark von der Nachfrage und von Kosten in den Lieferketten abhängig sind.

Wie stark sich die Rentabilität eines Balkonkraftwerks durch Förderungen verbessert, ist nicht allgemein zu beantworten. Es gibt zahlreiche Programme von Bundesländern wie von Kommunen, die sich bei der turbulenten Situation der öffentlichen Haushalte aber schnell ändern oder auch eingestellt werden können. Manche Förderungen werden z.B. nur an Mieter ausgezahlt. Anfang 2024 variierten die kommunalen Förderungen zwischen 50 und 500 Euro. Uneinheitlich geregelt ist, ob die Förderung vor oder nach dem Kauf zu beantragen ist. Hier muss man also selbst bei den zuständigen Landes- und Kommunalbehörden nachforschen.

Stichwort Einspeisevergütung: Momentan sind noch Stromkunden im Vorteil, die einen Zähler haben, der auch rückwärts läuft. Das neue Gesetz soll das übergangsweise erlauben. Somit steht für jede eingespeiste Kilowattstunde dieselbe Strommenge weniger auf der Rechnung. So schön wird es aber nie wieder. Die übliche Einspeisevergütung ist deutlich niedriger, sie muss voraussichtlich beim Netzbetreiber beantragt werden, und in vielen Fällen werden zusätzliche Zählergebühren fällig. Die können durchaus höher sein als die Einspeisevergütung. Hier kann man sich also keine goldene Nase verdienen.

Einen allgemeinen Richtwert für die Rentabilität eines Balkonkraftwerks bieten z.B. der Balkonkraftwerk-Rechner des Energiemagazins sowie der Stecker-Solar-Simulator der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft.

Worauf beim Kauf achten?

Der Markt für Balkonkraftwerke ist relativ neu. Daher liegen kaum Langzeiterfahrungen vor. Mit einer Google-Suche nach „Test Balkonkraftwerke“ lassen sich aber einige Favoriten herausfiltern und Anhaltspunkte für den Kauf finden. Skepsis ist bei Billigangeboten angeraten. Hier ist mitunter der Wechselrichter ein Schwachpunkt, der bei hohen Temperaturen überhitzt und abschaltet. Das ist dann kaum zu ändern, sollte aber als Garantie- oder Gewährleistungsfall vereinbart werden. Die branchenführende Produkt- und Leistungsgarantie liegt übrigens (beim Anbieter Yuma) derzeit bei 30 Jahren.

Serie: Green Energy studieren
Mehmet Toprak hat recherchiert, welche Hochschulen Studiengänge für angehende Smart Energy Manager, Umwelt­techniker etc. anbieten. Nach einer ersten Übersicht konzentriert sich Teil 1 dieser Serie auf Nordrhein-Westfalen und den Westen Deutschlands. Teil 2 nimmt sich dann die Studiengänge in Süddeutschland vor.

Achtung bei Geräten mit offenen Kabelenden! Ein Stecker muss hier von einer Elektrofachkraft angebracht werden. Ansonsten ist neben der Qualität der Komponenten auch die Stabilität des Montagesets ein Kriterium. Angesichts zunehmend schwerer Unwetter sollte es eine Auskunft über die Hagelbeständigkeit der Paneele geben (möglichst maximale Hagelwiderstandsklasse 5). Und besonders bei der Montage an höheren oder exponierten Gebäudeteilen muss das Montageset selbst, aber auch die Trägerkonstruktion hohe Belastungen aushalten. Im Zweifelsfall kann man eine Windlastberechnung durchführen lassen.

Die Wechselrichter müssen mit einem Relais ausgestattet sein, das bei Fehlfunktionen den Wechselrichter ausschaltet. Das ist gewährleistet, wenn der Wechselrichter eine Konformitätserklärung gemäß VDE-AR-N 4105 hat. Die Verbraucherzentrale NRW weist darauf hin, dass ein Anspruch darauf besteht, dass Wechselrichter ohne dieses Relais nachgerüstet oder ausgetauscht werden.

Oft wird mit attraktiv erscheinenden Modellrechnungen dafür geworben, das Balkonkraftwerk mit einem Batteriespeicher zu verbinden. Das allerdings hält etwa der Solarenergie-Förderverein für weder finanziell noch ökologisch sinnvoll. Selbst bei einer – zusätzlich aufwendigen – Koppelung ans Netz funktionieren die Batterien nicht bei einem Stromausfall. Zum Stand der gegenwärtigen Speichertechnologie würden hier auch für wenig Ertrag wertvolle und seltene Rohstoffe verschwendet.

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Die priWall Duo von Priwatt lässt sich einfach selbst montieren. Der zugehörige Wechselrichter ist bereits auf 800 W ausgelegt. (Bild: Priwatt GmbH)

Einbau: Einfacher geht es nicht

Bei Anlagen bis 600 W (ab Geltung des Solarpakets I: 800 W) Einspeiseleistung (!) sind Montage und Anschluss eines Balkonkraftwerks durch Mieter bzw. Wohnungseigentümer selbst ohne Meldung an den Netzbetreiber erlaubt. Insgesamt dürfen schon heute Solarmodule mit einer Gesamtleistung bis zu 2000 W eingebaut werden.

Für eine optimale Stromausbeute sollte man darauf achten, dass eine möglichst lange und intensive Sonneneinstrahlung gewährleistet ist. Wesentliche Faktoren dafür sind die Ausrichtung nach Süden und der in Mitteleuropa beste Neigungswinkel der Paneele von 30 Grad. Im Einzelfall können aber auch andere Lösungen günstiger sein, z.B. weil morgens und gegen Abend mehr Strom verbraucht wird, während die Sonne noch scheint. Generell sollte natürlich so wenig Verschattung wie möglich auftreten.

Auf dem Balkon bei den Nachbarn

In folgenden Punkten weichen geltende Bestimmungen in Österreich und in der Schweiz von den Bedingungen in Deutschland ab (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

  • Die maximale Einspeiseleistung des Wechselrichters beträgt schon jetzt 800 W (A) bzw. weiterhin 600 W pro Haushalt (CH).
  • Für die gesamte Anlage oder für alle Komponenten müssen Konformitätserklärungen vorliegen (CH).
  • Der Anschluss an das Stromnetz muss dem Netzbetreiber gemeldet werden, der die Eignung des Stromzählers prüft (A/CH). Mitunter wird mit Hinweis auf eine ÖNORM der Anschluss per Schukostecker abgelehnt; diese Norm ist jedoch nicht bindend (A).
  • Die Beantragung einer Einspeisevergütung (auf die ein Rechtsanspruch besteht) lohnt sich in Einzelfällen, da der Aufwand geringer als in Deutschland ist (A).
  • Balkonkraftwerke unterliegen der örtlich gültigen Bauordnung; die Rücksprache mit dem Vermieter wird empfohlen (CH).
  • Keine Bestimmung, aber auch interessant: Durch eine höhere jährliche Sonnenstundenzahl und ihre südlichere Lage sind beide deutsche Nachbarn mit einer höheren Stromausbeute durch Fotovoltaik gesegnet (A/CH).

Was sich mit Inkrafttreten des „Solarpakets I“ ändert

Zu Redaktionsschluss war das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen, unter diesem Vorbehalt sollte aber dieses gelten: Statt der Meldepflicht reicht eine Registrierung im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur. Teilweise verlangen Netzbetreiber schon jetzt keine Anmeldung mehr. Dies sollte also individuell erfragt werden. Balkonkraftwerke sind nun auch rechtlich keine Bauprodukte mehr; damit entfallen die Beschränkungen auf den Einbau bis maximal 4 m Höhe und eine maximale Fläche von 2 m².

Ebenso gilt: Der Anschluss kann unabhängig vom eingebauten Stromzähler erfolgen, und zwar für Module mit 800 W, insgesamt bis 2000 W. Das ist so gemeint, dass die Einspeiseleistung durch den Wechselrichter auf 800 W begrenzt ist, aber Module bis 2000 W verwendet werden dürfen, damit auch eine geringe Sonneneinstrahlung besser ausgenutzt werden kann. Schukostecker sind nun als „Energiesteckvorrichtung“ zugelassen; wichtig: NA-Schutz beim Wechselrichter! Weiterhin unzulässig ist der Anschluss über Mehrfachsteckdosen, sogenannte „Verteiler“. Und nicht zuletzt ist eine Zustimmung von Vermietern oder Eigentümern nicht mehr erforderlich, sobald Steckersolarkraftwerke in den „Katalog der privilegierten Maßnahmen“ im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) und im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) aufgenommen worden sind.

Der bürokratische, technische und finanzielle Aufwand hat sich alles in allem auf ein Niveau gesenkt, das Balkonkraftwerke inzwischen für die meisten Haushalte mit geeigneten Standorten zu einer sinnvollen Investition macht.

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