Die Wolkenbaumeister
Von Dirk Bongardt
Cloud Computing steht heute nicht mehr so sehr im Fokus der öffentlichen Diskussion wie noch vor ein paar Jahren. Deshalb anzunehmen, die Nutzung von Cloud-Technologien sei rückläufig, wäre jedoch ein Trugschluss. Im Gegenteil: Die Nutzung der Cloud wird mehr und mehr selbstverständlich, Modelle wie Software as a Service (SaaS), Platform as a Service (PaaS) und Infrastructure as a Service (IaaS) sind in vielen Unternehmen integraler Bestandteil der IT-Landschaft. IT-Mitarbeiter, die solche Cloud-Technologien administrieren und weiterentwickeln, stehen vor enormen Herausforderungen – und sind nicht zuletzt deshalb gefragte Spezialisten.
Clouds sind auch nur Computer
IT-Profis beschreiben die Cloud mit einem geflügelten Wort: „Es gibt keine Cloud. Es gibt nur Computer anderer Leute.“ Das zeigt die wohl größte Herausforderung von Cloud-Architekten: Sie müssen komplexe Systeme schaffen, die die bislang im Unternehmen selbst vorgehaltenen IT-Ressourcen mit denjenigen von externen Dienstleistern vernetzen.
Im privaten Bereich hat sich Multicloud Sourcing längst etabliert, auch wenn es niemand so nennt: Nutzer verschicken E-Mails via Webmailer, verfassen Briefe über Online-Textverarbeitungen, archivieren ihre Foto- und Videoaufnahmen auf den Servern von Google oder Amazon. Ein analoges Vorgehen im geschäftlichen Bereich wirft allerdings eine Reihe von Problemen auf: Der Schutz personenbezogener, oder aus anderen Gründen höchst vertraulicher Unternehmensdaten hat nicht erst seit Inkrafttreten der DSGVO Priorität. Und wenn private Nutzer für ein paar Stunden nicht auf ihre Daten bei Google Photos zurückgreifen können, hat das weit weniger Konsequenzen als in einem Unternehmen, dessen Mitarbeiter nach einem Ausfall des Cloud-Dienstleisters für Stunden zur Untätigkeit verdammt sind.
Teil 1 beginnt dort, wo der Datenschutz am wichtigsten ist: bei den Auftragsdatenverarbeitern für Kommunen. Dabei geht es auch gleich um die zentralen Vorgaben der Privacy Compliance. Teil 2 nimmt sich dann den deutschen Norden und Osten vor, um zu prüfen, welche Rechenzentren sich dort anbieten. Teil 3 berichtet mitten aus dem Digitalisierungskessel an Rhein und Ruhr, Teil 4 sichtet die Lage im deutschen Südwesten, bevor Teil 5 sich in Bayern umsieht. Auch ein Seitenblick nach Österreich und eine Übersicht über die dortigen Cloud-Anbieter sind bereits online, ebenso eine Vorschau auf das Projekt Gaia-X, das namentlich für den Mittelstand interessant sein könnte. Zur Frage der Datenhoheit könnten Zertifizierungen und nicht zuletzt Open Source gute Cloud-Antworten geben. Ein Extra-Beitrag widmet sich außerdem den Fragen der App-Portabilität.
Aufgaben
Ein Cloud-Architekt entwirft und entwickelt IT-Architekturen, zu denen typischerweise eine Reihe sehr verschiedener Komponenten gehören: Frontend- und Backend-Plattformen, cloudbasierter Datentransport, Vernetzung usw. Die Herangehensweisen haben sich erst in den letzten zwei Jahrzehnten etabliert und befinden sich, wie die Systeme selbst, in einem fortschreitenden Entwicklungsprozess.
Der Cloud-Architekt steht oft vor der Herausforderung, eine Brücke von komplexen geschäftlichen Erfordernissen zu den entsprechenden Lösungsmöglichkeiten in der Cloud zu schlagen. Cloud-Architekten arbeiten dabei eng mit Entwicklern zusammen, um optimale Lösungen zu finden. Neben technischen Kompetenzen benötigt ein Cloud-Architekt deshalb auch Know-how als Manager und Vermittler. Zu seinen Aufgaben gehört die Ist-Analyse und, in Abstimmung mit den Verantwortlichen im Unternehmen, die Definition der Ziele, die er dann dem Cloud-Partner entsprechend kommunizieren muss.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazinreihe „IT & Karriere“ erschienen. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Die strategische Planung, das Definieren benötigter Standards, die interne Beratung und auch das IT-Portfoliomanagement gehören ebenfalls zu den Aufgaben des IT-Baumeisters. Bei allem Enthusiasmus für die Möglichkeiten, die sich mit dem Einsatz neuer Cloud-Systeme öffnen, muss er aber auch zu nüchterner Analyse in der Lage sein und die langfristigen Ziele im Blick behalten: Der Einsatz der Cloud soll die Unternehmens-IT entlasten und sie skalierbar machen – und nicht komplexer und fragiler. Redundanzen erhöhen mitunter die Betriebssicherheit, sind aber in jedem Fall auch Kostentreiber. Gute Cloud-Architekten sind deshalb immer bestrebt, neue IT-Funktionalitäten nach den Regeln der Economy of Scale und einer effizienten Wiederverwertung möglichst einfach und optimiert in bestehende IT-Landschaften zu integrieren.
Cloud-Modelle im Vergleich
Public Cloud: Zugang zu IT-Infrastrukturen für die breite Öffentlichkeit über das Internet.
Private Cloud: Anders als die Public Cloud steht eine Private Cloud ausschließlich einer Organisation zur Verfügung. Gehostet und verwaltet wird sie entweder intern oder von externen Servicepartnern.
Hybrid Cloud: Hybrid Clouds kombinieren die Vorteile von Public und Private Clouds entsprechend den Bedürfnissen der Anwender.
Community Cloud: Die Community Cloud ähnelt der Public Cloud, beschränkt die Nutzung aber auf einen kleineren Nutzerkreis – oft anzutreffen, wenn mehrere Behörden, Universitäten oder Forschungsgemeinschaften eine gemeinsame Cloud nutzen (z.B. die Academic Cloud).
Virtual Private Cloud: Eine VPC ist eine abgeschottete Private Cloud, die auf grundsätzlich öffentlich zugänglichen Infrastrukturen basiert.
Multicloud: Die Multicloud stellt eine Weiterentwicklung der Hybrid Cloud dar. Auch hier sind Public und Private Clouds vereint. Aus Anwendersicht bilden diese einzelnen Clouds eine einzige große Cloud.
Qualifikationen
Kenntnisse und Erfahrungen im Cloud-Computing oder einer verwandten technischen Disziplin sind zweifellos Grundvoraussetzungen für die Arbeit als Cloud-Architekt. Darüber hinaus empfiehlt beispielsweise Michael Sheehy, langjähriger Administrator und Dozent der Cloud Academy, mindestens ein paar der folgenden Qualifikationen mitzubringen oder sich anzueignen:
- Sehr gute Kenntnisse mindestens eines der Betriebssysteme Windows, Linux, Unix oder Solaris. Hilfreich sind Vorerfahrungen als Administrator, insbesondere eines der weiter verbreiteten Betriebssysteme.
- Ein grundlegendes Verständnis von Netzwerkarchitekturen und Begriffen wie TCP/IP, Adresssystemen, DNS, Transportprotokollen. Sheehy rät, sich mit solchen grundlegenden Begriffen gründlich vertraut zu machen.
- Programmiersprachen: Sheehy betrachtet Kenntnisse in Programmier- oder Scriptsprachen nicht als unbedingtes Muss, aber als in jedem Fall enorm hilfreich.
- Sicherheit: Bei der Konzeptionierung von Cloud-Architekturen spielt Sicherheit eine entscheidende Rolle. Ein tiefes Verständnis von wesentlichen Sicherheitskonzepten und Technologien – etwa der Arbeitsweise von Firewalls – ist deshalb ein Muss für den Cloud-Architekten.
Von diesen Grundlagen aus diversifiziert sich der Qualifikationsweg eines Cloud-Architekten, abhängig von der bevorzugten Plattform. Gleichermaßen gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben Cloud-Experten, die eine der Plattformen Amazon Web Services, Microsoft Azure oder Google Cloud beherrschen.
Neben diesen Hard Skills verlangt die Arbeit eines Cloud-Architekten auch einige Soft Skills. Dazu zählen zuvorderst die Fähigkeit, zuzuhören, zu moderieren und zu vermitteln. Denn beim Entwurf einer Cloud-Architektur müssen die unterschiedlichsten Stimmen gehört und Interessen gegeneinander abgewogen und ausgeglichen werden. Die eigentlichen Anwender mögen das erste Wort haben, aber sicher nicht das einzige: Auch Rechtsabteilung, Controlling, Human Resources oder der Betriebsrat werden sich einbringen. Dass sich alle Projektbeteiligten schnell einig werden, ist eher die Ausnahme als die Regel. Je nach Qualifikation, Einsatzort, Unternehmensgröße und Personalverantwortung verdient ein Cloud-Architekt dann zwischen 3000 und 5500 Euro monatlich.
Meine Wolke 7
Die Arbeit eines Cloud-Architekten erfordert also ein hohes Maß an technischem, ebenso wie an Management-Know-how. Wer sich für diesen Karriereweg entscheidet, hat ein spannendes, sehr weites Feld vor sich, das sich in permanenter Entwicklung befindet. Generalisten, die Kenntnisse auf vielen verschiedenen Gebieten der IT haben, zudem führungsstark und verhandlungsgeschickt sind, haben beste Chancen.
Dirk Bongardt hat vor Beginn seiner journalistischen Laufbahn zehn Jahre Erfahrung in verschiedenen Funktionen in Vertriebsabteilungen industrieller und mittelständischer Unternehmen gesammelt. Seit 2000 arbeitet er als freier Autor. Sein thematischer Schwerpunkt liegt auf praxisnahen Informationen rund um Gegenwarts- und Zukunftstechnologien, vorwiegend in den Bereichen Mobile und IT.
Dirk Bongardt, Tel.: 05262-6400216, mail@dirk-bongardt.de, netknowhow.de