Experten fürs Kleingedruckte
Von Michael Praschma
Warum kommen Unternehmen mit ihrer Software so oft in Schwierigkeiten? – Das Problem sind die Menschen. Und dann dieser 2. Hauptsatz der Thermodynamik: Unordnung nimmt ganz von alleine immer zu! Damit diese unheilvollen Faktoren nicht ins Chaos führen oder unnötige Kosten und Komplikationen verursachen, gibt es unter anderem den verantwortungsvollen Job des Lizenzmanagers.
Dabei geht es oft um deutlich mehr, als stur Softwarelizenzen zu verwalten. Die Stellenausschreibungen für Lizenzmanager (m/w/d), gerne auch Licensing Manager genannt, spiegeln in der Praxis vorwiegend den betrieblichen Bedarf wieder. Den Unternehmen geht es ja in der Regel eher selten um eine saubere systematische Unterscheidung der Berufsbilder (siehe Kasten).
Wozu Lizenzmanagement?
Gesucht werden selbst bei größeren Unternehmen oft Allrounder, die sich zum Beispiel im Kontakt mit Fachabteilungen um den akuten und zukünftigen Bedarf Gedanken machen, bei der Beschaffung mitwirken, Verantwortlichkeiten optimieren, Strategien des Softwareeinsatzes entwickeln, manchmal auch Admin-Funktionen ausüben usw. – all das neben dem Lizenzmanagement im eigentlichen, engeren Sinn.
Um die Begriffe kurz zu klären …
In der Praxis werden die Tätigkeiten oft schlampig bezeichnet und sind personell teils auch in einer Hand gebündelt – aber manchmal ist es doch gut zu wissen:
- Software-Lizenzmanagement gehört zusammen mit Software Asset Management (SAM) und Software Licence Compliance zum übergeordneten IT Asset Management (ITAM). Letzteres ist zusätzlich auch für Hardware und die gesamte IT-Bestandsverwaltung zuständig.
- Bei Software Licence Compliance geht es speziell um die Vermeidung von Unterlizenzierung. Sie ist meist beim Lizenzmanagement angesiedelt.
- Das Software Asset Management deckt über die Lizenzierungsfragen hinaus sämtliche mit der Softwarenutzung, -beschaffung und -verwaltung zusammenhängenden Aufgaben ab.
Noch einmal kurz zurück zum Faktor Mensch und dem Wildwuchs in der Unternehmens-IT: Spätestens mit dem erzwungenen Exodus von Mitarbeitern ins Homeoffice wurde überdeutlich, dass die Durchsetzung einer überschaubaren, einheitlichen Unternehmenssoftware den Verantwortlichen zunehmend entgleitet. Es geht längst um mehr als einzelne Anwendungen, die jemand in einer Abteilung in Eigenregie auf dem Firmencomputer installiert, weil er sie besonders effizient findet. Oder um Apps auf Mobilgeräten, die der Außendienst beruflich mitnutzt.
Das Problem sind Dinge wie Konferenztools (Zoom, Microsoft Teams), gemeinsame Textverarbeitung etwa mit Google Docs, die Verwendung betrieblicher Software auf zusätzlichen Laptops zu Hause und noch einiges mehr: oft aus akutem Bedarf eingeführt, schlecht bis gar nicht dokumentiert, als inoffizielle Routine etabliert. Das mag eine Weile funktionieren – bis der Datenschutz vor der Tür steht, eine Cyberattacke die gesamte IT lahmlegt oder ein Softwareanbieter empfindliche Forderungen wegen Verletzung der Lizenzvereinbarungen anmeldet.
Teil 1 klärt die Bedingungen und erläutert die vier wichtigsten Schritte. Teil 2 geht genauer auf die Problematik der Softwarelizenzen ein und sagt, wo SAM am meisten spart. Ein Extrabeitrag sieht sich an, wie externe Dienstleister bei der Lizenzoptimierung behilflich sind.
Softwarelizenzen: Teufel im Detail
Es muss aber gar nicht immer um solchen groben Unfug gehen. Softwarelizenzen teilen oft das Schicksal alles „Kleingedruckten“, nämlich übersehen zu werden. Mehr Geräte oder Nutzer im Unternehmen, das kann wie erwähnt in eine Unterlizenzierung führen. Doch auch Überlizenzierungen kommen vor, etwa wenn Software nicht mehr oder in geringerem Ausmaß genutzt wird. Beides kann unnötige Kosten verursachen. Andererseits lassen sich Lizenzkosten optimieren, wenn Prozesse etwa in die Cloud verschoben werden oder günstigere Anwendungen in Betracht kommen.
Die Nutzung illegaler Software scheint vor allem in China und Russland eher der Normalzustand zu sein. (Bild: Statista/BSA)
Eine Frage der Sorgfalt ist auch die Auswahl der Anbieter. Es ist nicht schwierig, Softwarelizenzen zu Discount-Preisen zu finden. Dabei muss man im Lizenzmanagement aber verschärft darauf achten, ob die rechtliche Konstruktion überhaupt sauber ist. Anderenfalls können durch Fehllizenzen empfindliche finanzielle Forderungen auf das Unternehmen zukommen. Oder man steht auf einmal ohne Software-Key da, wie es Kunden des unter Betrugsverdacht pleitegegangenen Billiganbieters Lizengo erging.
Teil 1 klärt, wann das Unternehmen haftet, wenn Raubkopien auf Firmenrechnern laufen. Teil 2 warnt vor den BYOD-Risiken und rät zu einem vernünftigen Lizenzmanagement.
Profunde Detailkenntnisse sind auch bei einer Reihe weiterer Fragen erforderlich, zum Beispiel unter welchen Umständen der Erwerb von gebrauchter Software zulässig ist oder inwiefern Software gesondert genutzt werden darf. So ist etwa Windows Enterprise ein Upgrade von Windows Pro; die Lizenzierung erfolgt nur unter besonderen Konditionen.
Skills fürs Lizenzmanagement
Ausbildungen zum Lizenzmanager gibt es bereits am freien Markt. Dabei können durchaus fünfstellige Gebühren fällig werden, zuzüglich der Kosten für optionale Zertifizierungen, zum Beispiel durch Hersteller, den TÜV Rheinland oder Hochschuleinrichtungen (zum „Geprüften Lizenzmanager“).
Diese Ausbildungen umfassen nicht unbedingt mehr als das mit dem Lizenzmanagement direkt zusammenhängende Rüstzeug. Kaufmännische, betriebswirtschaftliche und vor allem IT-Fachkenntnisse, die im Job nützlich oder sogar nötig sein können, sind entweder vorausgesetzt oder müssen eben anderweitig erworben werden. In Stellenangeboten werden beispielsweise Abschlüsse in Fach- bzw. Wirtschaftsinformatik erwartet, in Wirtschaftsrecht, als Diplom-Verwaltungswirt, außerdem neben einschlägiger Erfahrung auch gute Englischkenntnisse.
Es ist hinsichtlich der Qualifikationen aber wichtig zu verstehen, dass Lizenzmanagement für Unternehmen kein Selbstzweck ist. Sie sehen es verständlicherweise als (leider) unvermeidlichen Job, damit der Laden reibungslos läuft. Und damit Lizenzmanager und -managerinnen das bringen, müssen sie eben einiges mehr können als Lizenzverträge verstehen und ausverhandeln.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazinreihe „IT & Karriere“ erschienen. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Das ganze Unternehmen mitdenken
Wie präzise die ausdrücklichen Anforderungen und Aufgabenbereiche in den Stellenanzeigen zutreffen, wird unterschiedlich sein – je nachdem, wie weit das ganze Thema sich im Bewusstsein und in der betrieblichen Praxis des jeweiligen Unternehmens bereits etabliert hat. Bei manchen kleineren und mittleren Unternehmen werden Lizenzmanager vor der Herausforderung stehen, eben dieses Bewusstsein und die entsprechende Praxis überhaupt erst einmal einzuführen. Hier können die Aufgaben dann sehr weit gefächert sein:
- Ist-Zustand und Bedarfe werden mit Zuständigen und weiterem Personal auf Leitungsebene und in den Fachabteilungen erhoben bzw. besprochen und geplant. Eventuell findet in diesem Rahmen auch Beratung statt. Dies betrifft genutzte Software, auch z. B. dezentral vorliegende Lizenzen etc.
- Hieraus und aus eigenen Analysen ergeben sich Bereinigungen und Neuanschaffungen von Software unter besonderer Berücksichtigung der geeigneten Lizenzen, die optimiert, das heißt kalkuliert und verhandelt werden müssen. Die zentralen Kompetenzen im Lizenzmanagement, nämlich Software- und Rechtskenntnisse sowie Verhandlungserfahrung, werden vor allem hier gebraucht. Hinzu kommt ein sicheres Gespür für Preis-Leistungsverhältnisse bei unterschiedlichen Anbietern. Günstige Lizenzen allein garantieren auf lange Sicht nicht unbedingt die wirtschaftlichste Softwarelösung für den Bedarf des Unternehmens.
- Von Vorteil ist dabei, über ein ausreichendes Verständnis der konkreten betrieblichen Abläufe und ihre Verzahnung mit Software und generell der IT zu verfügen. Das geht bis hin zum Mitdenken des Einsatzes von mobilen Geräten, Cloud-Anwendungen und Servertechnologie.
- Effizientes Lizenzmanagement entfaltet seine Wirkung erst im Rahmen einer ganzheitlichen IT-Strategie, in der – abgeleitet aus den Unternehmenszielen – möglichst klare und langfristige Rahmenbedingungen enthalten sind für beispielsweise Hardware, Software, Vernetzung, Hybrid Cloud, SaaS etc. In Unternehmen mit größeren IT-Abteilungen wird dies in der Regel nicht Job des Lizenzmanagements sein, sondern Querschnitts- oder Leitungsaufgabe.
- Kommunikations- und Teamfähigkeit steht zwar für unzählige Jobs im Anforderungsprofil. Hier ist das aber tatsächlich ausschlaggebend. Der „menschliche Faktor“ im direkten Gespräch wird es oft deutlich leichter machen, die nötige Compliance mit professionellem Lizenzmanagement bis zum letzten Anwender durchzusetzen. Auch die reibungslose Koordination zwischen Lizenzmanagement und IT-Administration erfordert nicht nur lupenreine Fachexpertise, sondern auch kommunikative Kompetenz.
- Ein Lizenzmanagement-Tool (oder gleich ein Tool für Software Asset Management, SAM) ist einzupflegen, zu aktualisieren und in alle relevanten Prozesse einzubinden. Bei Bedarf muss ein solches Tool auch erst ausgesucht und beschafft werden. Damit zusammenhängend geht es um die Dokumentation, Sicherung (inklusive Backups) und Verfügbarmachung der Software- und Lizenzunterlagen.
Viel Arbeit – viel Geld?
Gehälter im Lizenzmanagement werden für eine breite Verantwortung gezahlt: von Beschaffung, Inventarisierung und Vertragsverhandlung über Speicherung und Softwarekonsolidierung bis hin zur Koordination mit dem IT-Management einschließlich Admins und Anwender.
Dass angesichts der Vielfalt der Tätigkeiten erhebliche Gehaltsunterschiede bestehen, überrascht nicht. Für einen – wenn auch wenig aussagekräftigen – Durchschnitt wurde zuletzt ein Monatsbrutto von ca. 3600 Euro, nach anderen Quellen zwischen 2900 und knapp 5900 Euro (durchschnittlich: 4350 Euro) angegeben.
Die Lizenz hol ich mir
Wer im Unternehmen die Verantwortung dafür übernimmt, dass unterschiedlichste Softwareprodukte im betrieblichen Alltag reibungslos funktionieren und auch legal angewendet werden, muss mehr als nur die rechtlichen Grundlagen und Fallstricke von Lizenzmodellen und Verträgen kennen – aber eben doch mit diesen genauestens vertraut sein. Das erfordert nicht zuletzt die Bereitschaft, sich ständig fortzubilden, und zwar in allen oben beschriebenen Bereichen. Der Job als License Manager ist beileibe kein beschaulicher Posten, auf dem man sich ausruhen kann, sobald erst einmal alles sauber geregelt ist. Dafür bietet er aber ein vielfältiges Tätigkeitsprofil und der Aufstieg ins übergeordnete IT Asset Management ist in den meisten Fällen quasi schon vorprogrammiert.
Michael Praschma ist Texter, Lektor und Redakteur. Er beherrscht so unterschiedliche Gattungen wie Werbetext, Direct Marketing, Claims, Webtext, Ghostwriting, Manuals oder PR. Außerdem treibt er sich – schreibend und anderweitig engagiert – in Journalistik, Non-profit-Organisationen und Kulturwesen herum. Seine Kunden kommen aus verschiedensten Branchen. Am MittelstandsWiki schätzt er die Möglichkeit, mit eigenen Recherchen auf den Punkt zu bringen, was Verantwortliche in Unternehmen interessiert. → https://praschma.com/