Der Letzte lässt das Licht an
Von Sabine Philipp
In einer Werkshalle bei Frankfurt am Main testet das Ingenieurteam gerade ein neues Smart-Meter-System, das die Spezialisten für einen Kunden entwickelt haben. Die Arbeitsgruppe setzt sich überwiegend aus Elektrotechnikern und Informatikern zusammen, deren Aufgabe darin besteht, Hard- und Software für Embedded Systems zu entwickeln. Alles dreht sich dabei um Halbleiterkomponenten, Betriebssysteme und Applikationen, aber auch um Sensoren und um Steuerungstechnik. „Die Einsatzgebiete dieser Komponenten sind sehr vielfältig“, erklärt Rolf Schultheis, Leiter Geschäftsfeld IT bei Ferchau. „Die Hardware wird im Umfeld von Industrie 4.0, in intelligenten Fahrzeugen oder in Smart-Home-Lösungen eingesetzt. Es kommen täglich zahlreiche Anwendungsfälle hinzu, die vor zehn Jahren noch reine Science-Fiction gewesen wären.“
Die IT fungiert dabei als Querschnittstechnologie. Gefragt sind Kenntnisse in C, C++, Java, und SQL, die Fähigkeit, über den Tellerrand hinauszublicken und nicht zuletzt Sozialkompetenz. Kontaktschwache Nerds sind dem Diplom-Betriebswirt Schultheis zufolge weniger gefragt, denn die Arbeit findet in erster Linie im Team statt. Das sieht auch Philipp Brühwiler so. Der studierte Elektrotechniker ist Projektleiter bei Gigatronik. Die Teams, die er leitet, vernetzen im Kundenauftrag Systeme und Komponenten im Smart-Home- und Gebäudetechnikumfeld, die unter anderem von firmeninternen Kollegen entwickelt werden. Brühwilers Team ist darauf fokussiert, die einzelnen Komponenten im Haus und im Außenbereich zu vernetzen. „Kurzum, unsere Aufgabe besteht darin, ganz unterschiedliche Komponenten intelligent zusammenzubringen. Das kann die Heizung sein, die an das Klimasystem gekoppelt ist und für eine angenehme Wärme bei niedrigem Energieverbrauch sorgt. Aber auch das Elektrofahrzeug, das mit dem Energiemanagement verbunden ist und in Zeiten, in denen Stromüberschuss herrscht, auftankt.“
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazinreihe „IT & Karriere“. Einen Überblick mit Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Um all das zu realisieren, arbeiten in seinen Projektteams die unterschiedlichsten Spezialisten zusammen, etwa Systemarchitekten, Programmierer und die Techniker, die die Anlagen schlussendlich in Betrieb nehmen. „Wer in diesem Bereich arbeitet, sollte offen für Teamarbeit sein und viel Eigeninitiative zeigen.“ Und auch Flexibilität wird gefordert, denn das Umfeld wandelt sich ständig. „Es kommt durchaus vor, dass sich die Anforderungen im Laufe des Projekts ändern. Die große Herausforderung besteht darin, flexibel darauf reagieren zu können und konstruktiv mitzudenken. Das Umsetzen allein genügt nicht.“
Für Entwickler sei ein Ingenieurstudium sicher der richtige Weg, meint Brühwiler, doch die Herausforderungen in diesem Arbeitsbereich sind vielfältig: „Wir haben auch Bedarf an Experten, die auf einer übergeordneten Ebene Business Cases und Geschäftsmodelle entwerfen.“ Deshalb ist ein technisches Studium nicht unbedingt Voraussetzung, Verständnis und Begeisterung für solche Systeme aber umso mehr, denn „Anwender erwarten integrierte intelligente Lösungen, keine einzelnen Komponenten“.
Arbeit im intelligenten Büroturm
Beim Thema Smart Home denken viele nur an Hightech-Wohnhäuser und vergessen dabei, dass es natürlich auch um intelligent vernetzte Bürogebäude, Gewerbeimmobilien und öffentliche Bauwerke geht. Solche Großbaustellen sind die Domäne von Christian Luft, Teamleiter Energiemanagement und Energiedesign bei Drees & Sommer. Unter seiner Leitung werden weltweit innovative Konzepte für große Immobilienprojekte umgesetzt, von Flughäfen über Einkaufszentren bis hin zu Bibliotheken und Hotels. „Früher hat man einfach eine Heizung eingebaut. Ein modernes Gebäude kann man aber heute ohne intelligente Gebäudeautomation nicht mehr betreiben“, erklärt Luft. Ein weiterer wichtiger Punkt sei vor allem das Lichtmanagement. „In vielen Gebäuden ist es üblich, dass sich die Lichtstärken der Lampen an die Außenhelligkeit anpassen und entsprechend hochdimmen, wenn es dunkler wird.“ Oft geht es aber auch in die andere Richtung, denn „neue Leuchtmittel sind sehr hell und werden im Laufe der Zeit immer dunkler. Um eine konstante Helligkeit zu ermöglichen, installiert man einen Sensor, der die Leuchtkraft misst, und sie entsprechend dimmt.“
Bevor Christian Luft jedoch mit seiner Arbeit loslegen kann, setzen sich seine Kollegen mit dem Kunden zusammen und eruieren den tatsächlichen Bedarf. Sie nehmen die Anforderungen auf, und beraten den Kunden über die Möglichkeiten. Seine Mitarbeiter sind zumeist gelernte Versorgungstechniker, die ein Grobkonzept erstellen und es anschließend an technische Systemplaner wie Luft übergeben. Gemeinsam überwachen sie dann die Umsetzung.
Physiker als Allzweckwaffe
Christian Luft hat seine Karriere mit einer Ausbildung zum Heizungsbauer begonnen. Durch verschiedene Großprojekte ist er in das Thema hineingewachsen. Anschließend studierte er Maschinenbau mit Fachrichtung Versorgungstechnik, und er schloss parallel zu seiner Arbeitstätigkeit den Master in Elektrotechnik und Informationstechnik ab. Sein Team setzt sich aus Experten verschiedener Fachrichtungen zusammen. Neben Architekten und Versorgungstechnikern sind auch Physiker mit von der Partie. „Heizen und Kühlen ist reine Physik; es geht darum, die Wärme- und Kälteströme dort hinzubekommen, wo es ein Unter- oder ein Überangebot gibt“, kommentiert er trocken.
Physiker sind für ihn regelrechte Allzweckwaffen, übrigens ebenso wie Mathematiker und Informatiker. „Sie haben ein tiefes, naturwissenschaftliches Grundlagenwissen; und sie bringen neue Ideen mit ein, weil sie einen anderen Blickwinkel haben als Leute, die schon lange in der Baubranche arbeiten.“ Für Luft ist die ursprüngliche fachliche Ausrichtung seiner Kollegen daher eher nebensächlich. Wichtiger sind für ihn technisches Verständnis, Spaß an der Umsetzung neuer Konzepte und vor allem Wissbegierde. „Es gibt ständig neue Produkte, Gesetze und wissenschaftliche Erkenntnisse, die für die Arbeit wichtig sind. Man sollte deshalb bereit sein, sich da ständig weiterzubilden.“
„In den letzten Jahren haben sich die Ansprüche erhöht“, ergänzt Heike Steffen, Personalreferentin bei Drees & Sommer. „Der Bereich ist vielfältiger geworden. Es gibt mehr Normen, aber auch mehr Möglichkeiten, interessante Konzepte umzusetzen.“ Dazu gehören auch moderne Tools, die es erlauben, mithilfe von Building Information Modeling sehr komplexe Gebäude zu planen. Da die Fachliteratur oft englisch ist, sollte man hier sattelfest sein. Aber man muss nicht zwangsläufig studieren, um im smarten Baugewerbe Karriere zu machen. Auch für Handwerker tun sich interessante Wege auf.
Know-how aus der Praxis
Bernd Dechert, Geschäftsführer Technik und Berufsbildung im Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) setzt auf eine solide Grundausbildung. „Die Ausbildungsberufe Elektroniker Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik und Informationselektroniker sind eine gute Ausgangsbasis, um sich später im Bereich Smart Home zu spezialisieren“, stellt er fest. Beim Informationstechniker-Meister werden die Ausbildungsinhalte aktuell sogar angepasst, sodass die zukünftigen Absolventen einen Schwerpunkt auf den Bereich Smart Homes legen könnten.
Insbesondere im Ausbildungsberuf Elektroniker Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik bekommt man aber eine gute Grundausbildung, gerade im Bereich der Niederspannung, die bei Smart-Home-Themen ja eine große Rolle spielt. „Doch was letztlich am meisten zählt, ist die praktische Erfahrung“, erklärt der Diplom-Ingenieur. „Das eigentliche Know-how im Bereich Smart Home wird nach der Ausbildung erworben, weil es zu umfangreich für eine Erstausbildung ist. Für Gesellen und Meister gibt es dafür unter anderem das Weiterbildungsmodul Gebäudesystemintegratoren.“
Wer diesen Weg gehen möchte, sucht sich vernünftigerweise einen Ausbildungsbetrieb, der sich bereits auf das Thema spezialisiert hat, etwa wenn man auf www.elektrobetrieb-finden.de im Feld Betriebssuche das Stichwort „Smart Home“ eingibt. „In der Datenbank sind etwa 600 Betriebe gelistet“, kommentiert Dechert. Insgesamt schätzt er, dass es deutschlandweit gut 1000 Betriebe gibt, die hier professionell unterwegs sind. Er empfiehlt, sich die Web-Auftritte genauer anzuschauen, denn viele Betriebe präsentieren dort ihre Referenzobjekte. Gute Ansprechpartner seien auch die Innungen vor Ort, da diese ihre Betriebe gut kennen.
Das Arbeitsumfeld für Smart-Home-Praktiker ist weit gespannt. „Zu den Aufgaben gehört es, die Systeme und die Vernetzung an die Bedürfnisse des Endkunden anzupassen“, erläutert Dechert. „Bei großen Betrieben findet oft eine Spezialisierung statt; d.h. ein Teil der Elektroniker installiert die Hardware, der andere Teil die Software. Im Bereich der Planungstätigkeiten gibt es die unterschiedlichsten Konstellationen. Bei dem einen übernimmt ein Planungsbüro diese Aufgabe, bei dem anderen der Meister oder ein Altgeselle.“ Da es um die Integration verschiedener Systeme geht, sollte man auch ein Verständnis für andere Gewerke mitbringen, wie etwa den Heizungsbau. „Die Tätigkeiten sind intellektuell anspruchsvoll. Ein guter Realschulabschluss ist die Mindestvoraussetzung“, rät Dechert und fügt hinzu: „Man sollte bereit sein, sein Wissen alle fünf Jahre neu auszurichten. Die Innovationszyklen sind sehr kurzlebig.“
Zukunftstechnologie schon heute
Eine Mühe, die sich allemal lohnt, ist sich Rainer Holtz vom Bundestechnologiezentrum für Elektro- und Informationstechnik e.V. (BFE) in Oldenburg sicher. „Es ist ein sehr kreatives Berufsfeld, bei dem es wenig Routine gibt. Der eine Kunde möchte über sein Smartphone die Stereoanlage, ein anderer zentral die Lichter im gesamten Haus steuern.“ Mitunter kann das eine kniffelige Sache sein. „Man muss schauen, welche Geräte zu diesem Szenario passen, und sie dann so verbinden, dass sie zentral gesteuert werden können.“
Beim BFE sind smarte Technologien schon länger ein Thema. Der Bildungsdienstleister hat u.a. den Lehrgang zum Informationstechnikmeister auf die neuen, smarten Herausforderungen abgestimmt. Seit 2013 wird dieses Konzept bereits umgesetzt. Ein Ziel dabei ist es, einen tieferen Einblick in die Systeme der Gebäudetechnik zu vermitteln und zu zeigen, wie man sie zu einem Gesamtkonzept integrieren kann. Nicht nur für Holtz liegt der Reiz der Smart-Home-Technologien darin, dass man spannende Vorhaben umsetzen kann. „Sie haben mit Dingen zu tun, von denen man in der Zeitung liest“, begeistert sich auch Rolf Schultheis.
Fazit: Automatisch neue Aufgaben
Und wie sind die Aussichten? Laut der VDE-Studie „Young Professionals der Elektro- und Informationstechnik 2015“ ordnen 12 % der 200 Befragten ihre Tätigkeit dem Bereich Smart Home zu. Die repräsentative Interhyp-Wohntraumstudie hat unter Beteiligung von 2100 Bundesbürgern herausgefunden, dass intelligente Haussysteme in Deutschland inzwischen schon so häufig sind wie der klassische Wintergarten: Je 6 % der Deutschen haben sich für eine dieser Optionen entschieden. Die Zahl der vernetzten Eigenheime könnte in Zukunft allerdings noch steigen, denn für 32 % der Befragten gehört ein Smart-Home-System zur idealen Ausstattung ihres Traumhauses.
Auch Heike Steffen von Drees & Sommer sieht einen wachsenden Bedarf. Sie ist überzeugt, dass smarte Komponenten auch beim Bau von Wohnquartieren eine große Rolle spielen werden. „Der Bereich Smart Home ist zwar noch nicht so groß, wie man sich das erhofft hat“, meint dazu Bernd Dechert, die Unternehmen der Branche hätten aber mitunter zweistellige Wachstumszahlen. Auch er ist daher optimistisch und erwartet eine deutlich ansteigende Nachfrage nach Spezialisten für die Architektur der Zukunft.