Saubere Entscheidungen haben Bestand
Von der Fachredaktion anwalt.de
Eine betriebsbedingte Kündigung kommt nicht etwa nur in Frage, wenn es um eine komplette Betriebsstilllegung geht. Sie kann auch wegen Rationalisierung, Änderung des Produktionsablaufs oder Standortverlagerung erfolgen. Allerdings sollten Unternehmer genau wissen, was sie tun und welche Kündigungsfristen sie einhalten müssen, damit sie die Entscheidung nicht noch vor Gericht auseinandersetzen müssen.
Der in Deutschland geltende Kündigungsschutz stellt an Arbeitgeber strenge Anforderungen: Bestandsschutz und der Erhalt des Arbeitsplatzes sind oberste Gebote. Allerdings ist rückblickend über die letzten Jahrzehnte eine Lockerung zu beobachten. Zum einen wurden immer mehr Beschäftigungsverhältnisse etabliert, bei denen der Kündigungsschutz nicht oder nur eingeschränkt besteht, etwa bei befristeten Beschäftigungsverhältnissen oder für Zeitarbeiter. Zum anderen ist eine Kündigungsschutzklage durch Anhebung des Schwellenwertes von fünf auf zehn Beschäftigte eingegrenzt worden. In der Praxis ist es allerdings so, dass Klagen bei betriebsbedingten Kündigungen keineswegs selten sind. Der Grund: Dem Unternehmen unterlaufen Fehler, so dass die Kündigung rechtswidrig und unwirksam ist.
Innerhalb der Dreiwochenfrist
Nur mithilfe einer Kündigungsschutzklage kann der Arbeitnehmer rechtlich auf die Freistellung reagieren. Er muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen. Gut zu wissen ist, dass dieser Termin absolut ist: Wenn die Frist abgelaufen ist, wird sogar eine rechtswidrige Kündigung bestandskräftig – selbst falls unterdessen Verhandlungen über eine Weiterbeschäftigung oder einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses etc. laufen.
Teil 1 erläutert die rechtliche Lage, wenn Richter über unternehmerische Entscheidungen zu befinden haben. Teil 2 sieht sich die Problematik in der Praxis an und begegnet den Nachweispflichten im Prozessfall. Teil 3 zeigt schließlich am konkreten Fallbeispiel, was fahrlässige Fehler anrichten können.
Das Bundesarbeitsgericht ist sehr streng, wenn die Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage vom Arbeitnehmer nicht eingehalten wird. Das zeigt sich an einem Urteil der Erfurter Arbeitsrichter:
- Ein Arbeitnehmer wollte gegen seine Kündigung gerichtlich vorgehen und wandte sich an die Geschäftsstelle seiner Gewerkschaft. Als der Büroleiter zum vereinbarten Termin keine Zeit hatte, hinterließ der Beschäftigte seine Unterlagen, damit die Gewerkschaft für ihn als Prozessvertreter die Kündigungsschutzklage einreicht. Doch wegen Bauarbeiten gingen die Unterlagen für mehrere Wochen verloren. Nachdem sie wieder aufgetaucht waren, beantragte die Gewerkschaft beim Arbeitsgericht die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage, die abgelehnt wurde. Die Kündigung wurde vom Gericht wegen der Fristversäumung als von Anfang an wirksam beurteilt (Urteil v. 28. Mai 2009, Az.: 2 AZR 548/08).
Nach Anzahl der Beschäftigten
Kündigungsschutzklage können nur Arbeitnehmer erheben, die in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmern beschäftigt sind (Azubis werden bei diesem Schwellenwert nicht als Arbeitnehmer mitgezählt). Arbeitnehmer, deren Beschäftigungsverhältnis bis einschließlich 31. Dezember 2003 begonnen hat, sind klageberechtigt, wenn in ihrem Betrieb mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt waren (Mitarbeiter, die ab dem 1. Januar 2004 neu eingestellt wurden, werden dann dabei aber nicht mitgezählt). Grund für diese Sonderregelung ist eine Anhebung des Schwellenwertes für das Kündigungsschutzgesetz, die der Gesetzgeber mit Inkrafttreten seit dem 1. Januar 2004 vorgenommen hat.
Arbeitnehmer, die in Kleinbetrieben beschäftigt sind und nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen, können allerdings ebenfalls gerichtlich Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durchsetzen, etwa eine Abfindung. Zudem gilt auch für sie ein spezieller Kündigungsschutz, z.B. wenn sie schwerbehindert oder in Elternzeit oder Pflegezeit sind.
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Was Richter prüfen (können)
Ob die unternehmerische Entscheidung an sich richtig war, wird von den Arbeitsgerichten nicht geprüft. Mit anderen Worten: Im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses spielt es keine Rolle, ob z.B. die Rationalisierung an sich sinnvoll oder die Betriebsstilllegung zweckmäßig war. Denn grundsätzlich steht es allein im Ermessen des Arbeitgebers, wie er sein Unternehmen organisiert und ausgestaltet.
Das bedeutet aber nicht, dass es dem Unternehmer völlig frei steht, eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen. Er muss viele gesetzliche formelle und auch materielle Kriterien beachten, z.B. den Betriebsrat hinzuziehen und auch die so genannte Sozialauswahl ordnungsgemäß nach den gesetzlichen Vorgaben durchführen.
- Wie die rechtlichen Spielregeln in der Praxis aussehen und warum Unternehmer in Krisenzeiten noch vorausschauender planen sollten, legt Teil 2 dieser Serie dar. Teil 3 schildert schließlich einen besonders groben Schnitzer und seine Folgen.