Gute Arbeit ist gesunde Arbeit
Von Sabine Wagner
Burn-out ist auf dem Weg, sich zum Standardarbeitsunfall zu entwickeln, der in der Summe volkswirtschaftlich beträchtliche Fehlzeiten zur Folge hat. Die totale berufliche Erschöpfung ist – entgegen einem oft geäußerten Verdacht – doch mehr als nur ein neuer Name für die alten Depressionen: Für das Jahr 2010 hat das Bundesarbeitsministerium gewaltige 53,5 Mio. psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeitstage errechnet – 2001 waren es erst 33,6. Besonders rapide steigen die Fallzahlen offenbar bei Frauen. Welche Rechtspflichten treffen nun vor und bei einem Burn-out den Arbeitgeber?
Im Vorfeld vermeiden
Jedes verhinderte Burn-out spricht für das Betriebsklima in Ihrem Unternehmen und erspart Ihnen beachtliche Kosten. Deshalb liegt der Schwerpunkt ganz klar auf der Vermeidung. Hierzu ist der Arbeitgeber auch aufgrund seiner Fürsorgepflicht verpflichtet. Gemäß § 241 Abs. 2 BGB haben Sie auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Hierzu gehört auch, einem Burn-out vorzubeugen.
Jedes Unternehmen ist ferner gemäß § 618 BGB zum präventiven Gesundheitsschutz verpflichtet. Die Arbeitsumgebung und die Arbeitsleistung sind so zu regeln, dass die Mitarbeiter vor arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren angemessen geschützt werden. Hierzu gehören auch Gefahren durch körperliche sowie psychische Be- oder Überlastung.
Schließlich ist der Arbeitgeber nach § 5 ArbSchG verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung der betrieblichen Arbeitsplätze durchzuführen. Die Gefährdungsbeurteilung erfolgt für Arbeitsbereiche und nicht für konkrete Arbeitsplätze. Für eine solche Beurteilung reicht es, einen sachkundigen Mitarbeiter zu beauftragen; Kosten für einen externen Sachverständigen lassen sich oft vermeiden.
Wirksam gegensteuern
Sowohl im Vorfeld, als auch im Fall, dass ein Mitarbeiter bereits aktuell unter Burn-out leidet, greift die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Sobald die ersten konkreten Anzeichen eines Burn-outs bei einem Mitarbeiter vorliegen, heißt es für Sie gegensteuern: Es gilt, darauf zu achten, dass der Mitarbeiter weniger Überstunden leistet, dass er in den Urlaub fährt und ihn nicht zum x-ten Mal verfallen lässt oder in der Freizeit immer wieder mal bei der Arbeit vorbeischaut; unter Umständen ist ein weiterer Mitarbeiter einzustellen, um den Arbeitsanfall innerhalb der Arbeitszeit zu bewältigen.
Wie aber kommt es überhaupt zum Burn-out und was sind dessen „untrügliche“ Anzeichen? – Die Frage stellt sich zu Recht.
Absolut ausgebrannt
In der heutigen Arbeitswelt können wir uns oft noch so sehr bemühen, unseren Arbeitsberg wegzuarbeiten – während wir den einen abtragen, wächst bereits der nächste. Wir kommen nicht mehr zu dem Erlebnis, eine Arbeit (erfolgreich) abzuschließen und erst einmal durchatmen zu dürfen, den Gedanken kurz freien Lauf zu lassen, um wieder an unsere eigene Kraft und Kreativität heranzukommen. Diese fatale Dynamik hat oft auch zur Folge, dass keine Zeit da ist, das Geleistete selbst wertzuschätzen und/oder dafür von anderen gelobt zu werden. Hier werden mehrere Bedürfnisse nicht erfüllt; Bedürfnisbefriedigung ist aber unsere Ressourcen-Tankstelle.
Perfektionisten sind Burn-out-gefährdeter als Menschen, die sich sagen, dass 80 % Zielerreichung ohnehin optimal sind, und die damit dann auch wirklich zufrieden sind. Mitarbeiter, die nicht Nein sagen können, gehören ebenfalls der Risikogruppe an. Wenn ein Unternehmen über einen längeren Zeitraum „gerade ein Notprogramm“ fährt, also immer am Rand der Belastbarkeit gearbeitet wird, sind ganze Abteilungen gefährdet. Ein Mitarbeiter, der nur Vorgänge mit Priorität Nr. 1 alarmrot hat, ebenso.
Nicht zu vergessen ist, dass wir in der Regel auch privat unter Volldampf stehen und es auch dort selten schaffen, die Seele wieder mal baumeln zu lassen; privat warten kranke Kinder, pflegebedürftige Eltern, der Hausbau, ehrgeizige Pläne für die Schullaufbahn der Sprösslinge etc. Nicht zu unterschätzen ist außerdem die heutige Informationsflut sowie unsere ständige Erreichbarkeit durch E-Mail, Smartphones und andere Mobilgeräte.
Anzeichen erkennen
Bei der Frage nach den Erkennungsmerkmalen wird es kompliziert. Denn Burn-out ist zum einen prozesshaft und zum anderen reagieren die Menschen nicht alle gleich. Das hat zur Folge, dass es derzeit 130 Burn-out-Symptome gibt, die hier freilich nicht aufgezählt werden können.
Sie merken auf jeden Fall eine Veränderung im Verhalten Ihres Mitarbeiters. Er ist auffällig oft gereizt, entgegen seinem Naturell entweder geschwätzig oder kurz angebunden und in der Regel geht damit ein Rückzug der Person einher. Der Mitarbeiter kommt nicht mehr mit zum Mittagessen; hat keine Zeit mehr für den Geburtstagskuchen eines Kollegen etc. Humor und Lachen gibt es nicht mehr. Auch privat zieht er sich extrem zurück und schneidet sich dadurch von allen Möglichkeiten des Ausgleichs ab.
Regelmäßiger sowie übermäßiger Alkoholgenuss zur Beruhigung kann ins Spiel kommen. Oft delegiert der Kollege nicht mehr wie bisher manche Arbeiten, sondern zieht es vor, sie selbst zu machen, da er dann weiß, dass sie pünktlich und ordentlich erledigt werden. Fakt ist aber zu diesem Zeitpunkt, dass der Mitarbeiter im Gegensatz zu früher nur noch einen Bruchteil des früheren Arbeitsvolumens erledigt und die Qualität auch nicht mehr so ist, wie sie einmal war.
Erkennen Sie diese Veränderungen, besteht noch sehr viel Zeit, einen Burn-out abzuwenden. Ist der Prozess aber weiter vorangeschritten und der Mitarbeiter von seinen Gefühlen bereits vollständig abgeschnitten, so meldet sich der Körper mit den unterschiedlichsten Symptomen, um darauf aufmerksam zu machen, dass demnächst etwas aus dem Ruder läuft.
Noch funktioniert dieser Mitarbeiter für das Unternehmen – mit gewissen Einschränkungen. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, wann der Mitarbeiter entweder körperlich und/oder psychisch zusammenbricht bzw. nur noch kopflos durch die Flure des Unternehmens rennt. Dann spielt er vielleicht mit seinem Sicherheitshelm Fußball, statt eine Maschine zu bedienen, weil er zu nichts anderem mehr in der Lage ist. Bei einem Burn-out kann das Immunsystem aber auch zusammenbrechen, der Mitarbeiter nicht mehr schlafen oder sich bewegen.
Die mit einem Burn-out verbundene geistige, emotionale und körperliche Erschöpfung kann am Ende lebensgefährlich werden. Es gibt kein Ich mehr, keine Zwänge, aber auch keinen Sinn mehr weiterzuleben. Der Mitarbeiter ist dann selbstmordgefährdet. In diesem Zustand darf er nicht allein nach Hause geschickt werden, sondern es muss sichergestellt werden, dass er entweder in Begleitung nach Hause gebracht wird und sich dort jemand um ihn kümmert oder dass er direkt in ärztliche Betreuung kommt.
Fazit: Und wie geht’s selbst?
Wichtig ist, dass Vorgesetzte und Arbeitgeber aufmerksam bleiben und einer solch verhängnisvollen Entwicklung so früh wie möglich entgegenwirken. Denn es dauert Monate, bis ein Mitarbeiter wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt – oft nur noch mit einer geringeren Belastbarkeit. Fünf Tage die Woche acht Stunden zu arbeiten, ist dann nicht mehr jedem möglich. Und wer ein weiteres Mal im Burn-out versinkt, wird in vielen Fällen Frührentner.
Zum Schluss gilt es zu bedenken, dass Burn-out nicht nur Arbeitnehmer trifft. Als Verantwortliche müssen wir uns klar machen, dass es die meisten von uns treffen kann.