Maschinen sprechen mit uns
Von Robert Prazak
Wer ein neues Outfit braucht, ein Hotel buchen möchte, ein nettes Restaurant fürs Abendessen sucht oder Geld versenden möchte, könnte immer häufiger mit Chatbots ins Gespräch kommen. Anstelle von Menschen liefern dann Maschinen die gewünschten Auskünfte. Solche digitalen Assistenten begegnen uns inzwischen im Internet an allen Ecken und Enden. Vereinfacht gesagt handelt es sich um Programme, die mit Anwendern kommunizieren und Fragen mittels Text oder Sprache beantworten. Sie laufen unter anderem auf dem Facebook Messenger oder ähnlichen Diensten wie dem chinesischen WeChat, können aber auch direkt über eine Chat-Funktion in Websites eingebaut werden. „Wie kann ich Dir helfen?“, heißt es dann, und statt sich via Hotline auf die Suche nach menschlicher Auskunftsfreude zu begeben, stellen Kunden ihre Fragen einfach an einen digitalen Ansprechpartner.
Die Anwendungsmöglichkeiten sind erstaunlich vielfältig: Vodafone vertraut auf einen Chatbot namens TOBi, der via Messaging Anfragen beantwortet oder an die zuständige Stelle weiterleitet. Seit Kurzem ist der Bot auch über den Business Chat von Apple verfügbar. Bei WetterOnline liefert ein Chatbot personalisierte Wetterberichte via Facebook Messenger und WhatsApp. Mit Domino’s Pizza Bot können Kunden der Gastronomiekette ihre gewünschte Pizza mittels Messenger bestellen. Disney hat Bots bereits mehrmals für die Promotion neuer Filme eingesetzt, etwa für „Zootopia“.
Alles begann mit Eliza
Ganz neu ist die Idee ja nicht: Schon vor mehr als 50 Jahren entwickelte der deutsch-amerikanische Computerwissenschaftler Joseph Weizenbaum in den USA ein Programm namens Eliza, das mit Menschen plaudern konnte. Tatsächlich wusste Eliza, übrigens nach der Figur in George Bernard Shaws Theaterstück „Pygmalion“ benannt, auf alle Fragen eine Antwort – wirklich treffend war die aber nur im Ausnahmefall, eher handelte es sich um oberflächlichen Small Talk, der rasch ins Nichts führte.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Heise-Beilage „IT- und Technologieunternehmen stellen sich vor“. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
An der grundlegenden Idee hat sich seither nichts geändert, allerdings wurden die Programme ausgeklügelter und der Umgang mit digitalen Services selbstverständlicher. Bei den modernen Chatbots handelt es sich um eine Schnittstelle zur Konversation mit Nutzern, bei der definierte Aufgaben erledigt werden und sich eine 1:1-Kommunikation entwickelt, die als natürlich empfunden wird – schließlich antwortet der Bot offenbar prompt auf die Fragen des Nutzers. Grundlagen dafür sind eine Datenbank, in der die Antworten auf mögliche Fragen hinterlegt sind, sowie Algorithmen zur Steuerung des Prozesses.
Nutzen auf beiden Seiten
Für Unternehmen liegen die Vorteile auf der Hand: Sie ersparen sich einerseits die Kosten für den Einsatz menschlicher Mitarbeiter, andererseits brauchen ihre Kunden nicht selbst auf der Website nach Informationen zu suchen. Zudem bieten Chatbots die Möglichkeit, auf die Entwicklung einer App für Kundenanfragen und -kontakte zu verzichten – die Kommunikation läuft über Messenger-Dienste. Im Unterschied zu Apps besitzen Bots ja die Fähigkeit, zu lernen und somit auf einzelne Nutzer besser zu reagieren. Und je mehr Daten für die künstliche Intelligenz (KI) bereitstehen, desto genauer kann auf den Nutzer eingegangen werden. Dabei tun sich Unternehmen mit einer großen Kundenbasis leichter, denn eine große Menge an Daten ist die Basis des digitalen Lernfortschritts. Die gute Nachricht für Firmen mit weniger Finanzkraft: Rund um Chatbots entsteht gerade ein vielfältiges Ökosystem, aus dem günstige oder sogar kostenlose Anwendungen entnommen werden können.
Für die User liegen die Stärken von Chatbots in deren Schnelligkeit, sofortiger Verfügbarkeit und mehr Bequemlichkeit. Statt in der Endlosschleife einer Hotline festzusitzen, können sie direkt an die gesuchten Informationen gelangen. Ein Chatbot kennt kein Wochenende und keine Urlaubszeiten und wird nicht müde, die ewig gleichen Fragen im Support zu beantworten. Prinzipiell gilt für Chatbots, was für die virtuellen Assistenten von Google, Apple und Amazon gilt, die ja im Prinzip auch solche digitalen Tratschmaschinen sind: Je standardisierter die Situation, desto treffsicherer die Antwort.
Wer also nach dem Wetter fragt, eine bestimmte Adresse benötigt oder den richtigen Ansprechpartner im Unternehmen wissen will, bekommt gute Antworten. Irreführende Fragen hingegen führen die Maschinen aufs Glatteis – und jede fehlende oder gar falsche Antwort wiederum zu verärgerten Kunden, die dann eine Zeit lang keinen Chatbot mehr nutzen möchten. Wenn die Bots nicht einwandfrei funktionieren oder Ansprüche der Kunden nicht zufriedenstellen, liegt das selten an Fehlern in der Programmierung. Vielmehr sind es falsche Vorstellungen der Unternehmen, was Roboterhelfer heute schon können und was User von ihnen erwarten.
Goldene Brücken bauen
Ein Warnzeichen: Laut einer Umfrage der Unternehmensberatung PwC, die unter anderem in Deutschland durchgeführt wurde, erwarten sich 75 % der Befragten wieder mehr menschliches Zutun im Kundenservice statt digitaler Dienste. Eine ähnliche Umfrage der US-Software-Firma Pegasystems zeigt, dass der Großteil der Chatbot-Erfahrungen höchstens als mittelprächtig bezeichnet werden kann: Die Mehrzahl der Konsumenten empfand die Maschinenauskünfte schlicht als unintelligent. Die bisherigen Erfahrungen mit Chatbots zeigen auch, dass deren Grenzen definiert und erklärt werden müssen: Wenn die Maschine keine Antwort mehr weiß, sollte sie an einen menschlichen Experten verweisen, statt sich im sinnlosen Austausch von Banalitäten zu verlieren.
Es gibt außerdem Bereiche, in denen Kunden stets seriöse, treffende Kommunikation erwarten, etwa im Gesundheitsbereich oder bei Dienstleistungen im Finanzsektor. Und auch politisch sind Chatbots nur mit größter Vorsicht denkbar – das beweist das Debakel, das Microsoft vor zwei Jahren mit seinem Twitter-Chatbot erlitt. Das Programm namens Tay ließ sich von Menschen dazu verleiten, obszöne und rassistische Sprüche ins Netz zu werfen. Das Projekt musste in Windeseile gestoppt werden und gilt seitdem als Beweis, dass nicht alles sinnvoll ist, was technisch machbar scheint.
Die Zukunft wird in der Erstellung maßgeschneiderter Chatbots liegen, die zum Beispiel auf realen Vorbildern aus dem Kundensupport beruhen. Unternehmen wie ObEN aus den USA können aus Bildern und Stimmaufzeichnungen solche virtuellen Abbilder echter Menschen erstellen, die dann mit Kunden interagieren. Mittels KI sollen sie die Stimmung ihres Gegenübers rasch erkennen und ihrerseits entsprechende Mimik darstellen – das erhöht die Bereitschaft, mit ihnen zu sprechen.
Neben der Nutzung von KI für die Weiterentwicklung der Chatbots sind es vor allem organisatorische Fragen, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden: Welche Informationen werden zur Verfügung gestellt, wie tief in die Organisation sind sie eingebunden, wo sind die Schnittstellen mit anderen Service- und Kommunikationsangeboten? Fragen, die Mut und Ressourcen von den Firmen verlangen, denn KI erfordert den Aufbau von Know-how, das auf die Branche zugeschnitten werden muss.
Keine Versteckspiele
Zunehmend gewinnen auch Sicherheitsaspekte sowie ethische Fragen an Bedeutung. Ein Chatbot stellt theoretisch ein Security-Risiko dar. Durch Maßnahmen wie Verschlüsselung, Zwei-Wege-Authentifizierung oder automatische Datenlöschung nach Ende der Kommunikation gibt es aber ausreichend Möglichkeiten, sich und seine Kunden zu schützen. In Zukunft werden vermehrt biometrische Verfahren zum Einsatz kommen.
Auch der Datenschutz, der in Europa weltweit die höchsten Standards aufweist, muss bedacht werden. So sollte die Weitergabe von Kundendaten genau überlegt und bei Bedarf eingeschränkt werden. Stichwort Ethik: Es darf kein Zweifel bestehen, dass es sich beim Gegenüber um eine Maschine handelt und nicht um einen Menschen. Wenn die Anwender nicht wissen, ob nun ein Algorithmus oder ein Mitarbeiter aus Fleisch und Blut die Antworten liefert, hat das Folgen: So musste die Dating-Plattform Ashley Madison beschämt eingestehen, dass die Kunden in den meisten Fällen nicht mit Menschen flirteten, sondern mit Bots.
Gekommen, um zu bleiben
Fehler, die bei Unternehmen zu Lerneffekten führten. Und mit jeder Nutzung der auskunftsfreudigen Helfer werden die Algorithmen verfeinert. Laut einer Prognose von Gartner werden bis 2020 25 % aller Support- und Serviceleistungen weltweit eine Chatbot-Technologie verwenden; 2017 waren es gerade mal 2 %. Dazu kommt, dass solche Funktionen am Smartphone den Umgang zur Selbstverständlichkeit werden lassen. Chatbots, so viel steht fest, werden unsere ständigen Begleiter.