Data Steward: Wer die Daten­pflege im Unter­nehmen übernimmt

Der Umgang mit Kunden­daten wird zur Ver­trauens­frage. Als Garant von Governance und Com­pliance fun­gieren Data Stewards. Das Berufs­bild ist nicht neu. Es setzt sich am Markt jedoch zu­nehmend durch und könnte künftig eine der wich­tig­sten Funk­tio­nen in Un­ter­nehmen und Or­gani­satio­nen werden.

Das gute Gewissen der Firma

Von David Schahinian

IT-Spezialisten kennen das GIGO-Prinzip: Garbage In, Garbage Out. Wo qualitativ minderwertige oder falsche Daten hineingehen, können in der Regel nur vermurkste Ergebnisse herauskommen. Ein Qualitätsmanagement ist folglich wichtig, um den Mehrwert der Analyse von Informationen sicherzustellen. Nicht erst mit der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) rückte jedoch noch ein ganz anderer Aspekt in den Vordergrund: Das Qualitätsmanagement der mit den Datenmengen verbundenen Prozesse. Dazu zählt beispielsweise die Einhaltung von Governance- und Compliance-Vorgaben sowie die Sicherstellung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Daten, die Kunden oder Geschäftspartner einem anvertraut haben.

Wäre es nicht schön, einen Aufseher und Verwalter im Betrieb zu haben, der sich damit auskennt und an den richtigen Stellschrauben zu drehen weiß? Genau das macht ein Steward: Der Begriff leitet sich aus dem Altenglischen ab und bedeutete ursprünglich so viel wie „Wärter über Haus und Stall“. So viel hat sich daran bis heute nicht geändert, doch sind aus den Viehställen heute die Serverfarmen der Unternehmer geworden. Daher hat man der zeitgenössischen Berufsbezeichnung noch ein „Data“ vorangestellt. Data Stewards sind kritische Komponenten eines Programms zur Verbesserung der Datenqualität, schrieb die Marktforschung Gartner – bereits im Jahr 2007. Um den größten Nutzen zu erzielen, sollten Unternehmen die Rolle richtig definieren und die Stellen mit den richtigen Personen besetzen.

Pfleger und Wächter

Fangen wir mit dem ersten Punkt an: Markus Begerow ist Wirtschaftsinformatiker, arbeitet als Berater und betreibt zudem seit 2010 das Portal datenbanken-verstehen.de. Ihm zufolge ist ein Data Steward unter anderem für die Identifizierung und Bereitstellung neuer Datenquellen sowie die Erstellung und Pflege von Referenzdaten und konsistenten Stammdatendefinitionen verantwortlich. Darüber hinaus veröffentlicht er relevante Unternehmensdaten an die entsprechenden Benutzer in einer Organisation und überwacht die veröffentlichten Datenquellen. Das Beheben von Datenintegritätsproblemen zählt ebenso zu seinem Aufgabenbereich. „Der Data Steward nimmt eine wichtige Rolle im Unternehmen ein, da er nicht nur die Bereitstellung von Informationen angehen muss, sondern auch die Pflege der bereitgestellten Datenquellen gewährleisten soll“, so Begerow weiter.

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Schwarz auf Weiß
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Tatsächlich ist der Data Steward das gute Gewissen im Umgang mit Daten. Er gibt die Regeln, die diesbezüglich gelten, vor bzw. setzt sie um. Er achtet auch darauf, dass sich die Beschäftigten unternehmensweit daran halten. Eingebettet ist die Funktion meist in ein größeres Umfeld der Datenorganisation, bei der er beispielsweise Hand in Hand mit den Datenanalysten und/oder Compliance-Beauftragten einer Organisation zusammenarbeitet.

Es wird deutlich: Data Stewards sind nicht (nur) für ein besseres Umsatzergebnis verantwortlich. Unternehmen werden bei der fortschreitenden Digitalisierung mehr denn je auf sie angewiesen sein. Zumal, wenn unterschiedliche IT-Systeme eingesetzt werden, deren Zusammenarbeit die potenzielle Fehlerquote in der Regel erhöht. Fehler, die sich heute keine Firma mehr leisten kann, wie diverse Datenschutzskandale gezeigt haben. Wer nachlässig mit Daten umgeht oder sie gar unerlaubt nutzt, muss damit rechnen, dass das früher oder später ans Tageslicht kommt. Die Folgen können von finanziellem Schaden über Reputationsverlust bis hin zu Klagen reichen – nicht selten auch alles zusammen.

Noch konkreter werden die Tätigkeitsfelder von Data Stewards beim Blick in einige aktuelle Stellenausschreibungen für das Berufsbild. Ein Kreditinstitut etwa sucht Data Stewards (übrigens: auch den Begriff Data Stewardess gibt es bereits) für die Entwicklung von Datenqualitätskontrollen entlang der Datenprozesse des Unternehmens gemeinsam mit den Fachbereichen. Weitere Tätigkeiten sind die selbstständige Analyse von Auffälligkeiten und die Erarbeitung geeigneter Korrekturmaßnahmen sowie die Mitarbeit am Aufbau und der Entwicklung eines Metadatenmanagements. In einem Modeunternehmen soll der gesuchte Data Steward dagegen die Geschäftsdatenanforderungen dokumentieren und sie zusammen mit der IT- und der Rechtsabteilung in technische Lösungen übersetzen sowie die Kundendaten und -prozesse verbessern helfen.

Unterschiedliche Anforderungen

Der Data Steward ist (noch) kein Ausbildungsberuf. Entsprechend unterschiedlich sind die Anforderungen, die die Unternehmen an potenzielle Bewerber stellen. Vor allem hängen sie auch von den konkreten geforderten Tätigkeiten ab: Zuweilen werden Data Stewards auch als studentische Aushilfskräfte angestellt. Ein gutes Datenverständnis jedenfalls ist unabdingbar. Wer des Weiteren hauptsächlich Stammdaten pflegen soll, dem reichen mitunter schon Kenntnisse der Microsoft-Produkte und SAP-Erfahrung, wie ebenfalls einer aktuellen Ausschreibung zu entnehmen ist.

Professionelle Data Stewards sollten in der Regel ein Studium der Informatik oder benachbarter Fächer vorweisen und mit verschiedenen Datenbanksystemen umgehen können. Eine strukturierte Arbeitsweise und gute Kommunikationsfähigkeit sind ebenfalls Pflicht: Bei der Regeleinhaltung zählt Akribie, beim Vermitteln über verschiedene Abteilungen hinweg Empathie und diplomatisches Geschick.

Gleichermaßen groß ist auch die Bandbreite hinsichtlich des zu erwartenden Lohns. Laut einer Berechnung des Vergleichsportals gehalt.de beträgt er zwischen 35.839 und 60.541 Euro brutto im Jahr bei 40 Wochenstunden. Die Zahlen sind als Richtwerte zu verstehen, da die Grundlage von 325 Datensätzen im Vergleich zu anderen Berufsbildern recht gering ist. Das Jobportal Stepstone listet ein Minimum von 42.000 und ein Maximum von 68.100 Euro im Jahr auf, bei einem Durchschnitt von 52.900 Euro.

Datenqualität zählt

Unterdessen hat sich das Berufsfeld bereits weiter aufgefächert. Das Marketing-Fachblatt Werben und Verkaufen etwa berichtete im September 2018, dass einige Unternehmen mittlerweile die Position eines „Data Quality Stewards“ eingeführt haben. Er regele im Unternehmen alle Fragen, Unstimmigkeiten oder Standards zu Datenquellen und sorge dafür, dass diese in der benötigten Qualität zur Verfügung stehen: „Er ist die Schnittstelle, Inhouse-Berater und Treiber der Digitalisierung.“ Außerdem steige die Motivation der Mitarbeiter in den Fachbereichen durch einen Data Steward, zitiert das Blatt Markus Gallenberger von Uniserv, einem Kundendatenmanagement-Dienstleister.

George Firican von der University of British Columbia nennt weitere Typen des Data Stewards, die ebenfalls Eingang in die Unternehmen und die Fachliteratur gefunden haben. Dazu zählt etwa der „Business Data Steward“, der die kritischen Daten verwaltet, die von einer Geschäftseinheit erstellt oder verwendet werden. Ein „Process Data Steward“ dagegen verwaltet alle Daten über einen Geschäftsprozess hinweg.

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Vor der Datennutzung kommt die Datenqualität. (Bild: Business Application Research Center – BARC GmbH)

Hoher Nachholbedarf

Wie es in der deutschsprachigen Praxis mit dem Data Steward aussieht, hat das Analystenhaus BARC 2018 in einer Studie erforscht, für die mehr als 200 Teilnehmer befragt wurden. Aus den Antworten destillierten die Autoren interessante Kernergebnisse. Demnach sahen die Befragten es als eine primäre Aufgabe des Data Stewards an, Vertrauen in Daten durch die Bereitstellung einer konsistenten und verlässlichen Datenbasis aufzubauen. Für die Arbeit in zerklüfteten Datenlandschaften brauche es einen konkreten Ansprechpartner, Pfleger und Wächter – da ist der Begriff wieder – für Daten.

„Nur wenige Unternehmen scheinen Erfahrungen mit dem Einsatz eines Data Stewards gesammelt zu haben“, fanden die Studienautoren des Weiteren heraus. Dabei gelte es doch, Ursachen wie Datenqualitätsmangel zu bekämpfen, anstatt nur Symptome im operativen Tagesgeschäft zu behandeln. Konkret hatten nur 13 % der Befragten einen Data Steward zur Unterstützung der Analytik etabliert. 36 % räumten ein, ihn zu benötigen, aber nichts in dieser Richtung geplant zu haben. Ein Grund für die bisher vergleichsweise geringe Verbreitung von Data Stewards liegt wohl in der fehlenden Managementunterstützung sowie der fehlenden adäquaten Organisation der Umsetzung von Data Stewardship. Oftmals werde der Wert einer solchen Initiative noch nicht erkannt, zumal der unmittelbar monetäre Erfolg nur schwer messbar sei, heißt es in der BARC-Studie weiter.

Was kann ich für Sie tun?

Jeder ist ein Data Steward! Auch diese Argumentationslinie gibt es, und sie ist nicht ganz von der Hand zu weisen: Was beispielsweise Leaks oder Datendiebstahl in Unternehmen angeht, sitzt das größte Sicherheitsrisiko trotz aller Vorkehrungen manchmal immer noch vor dem Rechner. Insofern sollte ein bewusster und regelkonformer Umgang mit Daten für jeden Mitarbeiter selbstverständlich sein. Wer diese Aufgabe zu seinem Beruf machen will und Freude daran hat, weniger inhaltlich, sondern mehr organisatorisch mit Daten zu arbeiten, dürfte künftig gute Chancen auf einen Job haben. Der Bedarf wird aufgrund des Wachstums der Datenberge und der zunehmenden Komplexität künftig sicher steigen.

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David Schahinian arbeitet als freier Journalist für Tageszeitungen, Fachverlage, Verbände und Unternehmen. Nach Banklehre und Studium der Germanistik und Anglistik war er zunächst in der Software-Branche und der Medienanalyse tätig. Seit 2010 ist er Freiberufler und schätzt daran besonders, Themen unvoreingenommen, en détail und aus verschiedenen Blickwinkeln ergründen zu können. Schwerpunkte im IT-Bereich sind Personalthemen und Zukunftstechnologien.

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