Der erste Versuch ist der einzige
Von Sabine Philipp und Sebastian Sand
Nichts verschwindet von selbst. Selbst eine Festplatte, die sich gar nicht mehr dreht, hat meist noch alle Daten. Spezialisten können sie wieder lesbar machen – es sei denn, panische Selbstversuche zur Wiederherstellung geben der Technik vollends den Rest. Sogar Laptops, die von einem Flugzeug überrollt oder von einem herabfallenden Stahlträger getroffen werden, geben heute in den Laboren ihre Geheimnise wieder preis. Wichtig ist jedoch, dass Datenrettung gleich beim ersten Anlauf richtig gemacht wird.
Als Faustregel gilt: Softwarefehler, so genannte logische Schäden, sind weniger tragisch; hier ist Selbsthilfe mit Erste-Hilfe-Programmen durchaus erlaubt und oft auch möglich. Bei mechanischen oder pysikalischen Schäden am Datenträger heißt es dagegen: Finger weg – Fachmann her!
Software gegen Mechanik
Ob ein Hardwarefehler vorliegt, erkennt man meist daran, dass die Festplatte seltsame Geräusche von sich gibt, die sie bislang nicht gemacht hat, oder sich schlicht nicht mehr booten lässt. Solche mechanisch zerstörten Drives sind höchst empfindlich und müssen nach dem Ausbau wie ein rohes Ei behandelt werden. Prinzipiell sollten sie nur im fast staubfreien Reinraum geöffnet werden. „Oft hat man nur einen Versuch“, erklärt Edmund Hilt, Managing Director von Kroll Ontrack in Böblingen. Je häufiger Laien Rettungsversuche starten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass alles verloren geht.
Als Peter Böhret 2007 in die europäische Ebene aufrückte, trat Edmund Hilt seine Nachfolge als Managing Director von Kroll Ontrack in Böblingen an. Dort ist er kein Unbekannter. Für das Unternehmen, das seine Kompetenzen als professioneller Datenretter mehr und mehr in Richtung elektronischer Spurensicherung ausweitet, war Hilt bereits Ende der 1990er-Jahre tätig.
Kroll Ontrack GmbH, Hanns-Klemm-Straße 5, 71034 Böblingen, Tel.: 07031-644-0, info@krollontrack.de, www.krollontrack.de
Hardwarefehler sind mit 56 % die häufigste Ursache von Datenverlust bei Kroll Ontrack, wie eine interne Untersuchung ergab. „Anwenderfehler machen zwar nur 26 % der Fälle aus, aber hier ist keine saubere Trennung möglich“, legt Hilt dar. Denn schließlich könnten Hardwarefehler auch durch Fehlnutzung entstehen. Softwarefehler sind nur in 9 % der Grund. Mit den entsprechenden Programmen können diese Probleme häufig auch in Eigenregie gelöst werden. Dabei geben Diagnosetools Auskunft über den Zustand der Dateien.
Neue Technik, neue Szenarien
So genannte Solid State Disks (SSDs) sind zwar unempfindlicher gegenüber Erschütterungen als gewöhnliche Festplatten. Wenn trotzdem etwas passiert, kann die Rettung aber viel teurer werden. Denn während sich auf den üblichen Harddisks eine bekannte und genormte Datenspeicherung befindet, arbeiten SSDs ganz anders und verwenden je nach eingesetztem Controller unterschiedliche Algorithmen. Das Problem ist, dass die Retter hier meist nicht nach einem festen Schema arbeiten können, sondern selbst Entwicklungsarbeit leisten müssen. Das kostet natürlich.
Teil 1 erklärt, was wichtig ist, wenn die Platte plötzlich streikt. Teil 2 sagt, was bei Softwarefehlern möglich ist, und listet die wichtigsten Programme für die Selbsthilfe. Teil 3 begutachtet Hardwareschäden und gibt einen Überblick über die großen Profilabore. Teil 4 ist als Ratgeber gedacht: Es geht darum, was Sie von einem guten Datenretter erwarten dürfen. Ein Sonderbeitrag widmet sich dem Problem der Online-Datenrettung aus der Cloud für Mobilgeräte.
Ein weiteres, ebenso aktuelles wie heikles Thema ist die Virtualisierung. Da hier meist die wichtigen Geschäftsdaten auf einem physikalischen Server mit mehreren virtuellen Systemen konzentriert sind, ist das Risiko eines Totalverlusts bei einem Hardware-Ausfall besonders hoch. „Leider unterschätzen viele Unternehmer die Risiken, wie der mehr als zehnfache Anstieg bei Datenrettungen virtueller Systeme gegenüber dem Vorjahr zeigt“, stellt man in Böblingen fest. Aber auch hier lässt sich vieles noch retten. Meist sind physikalische Defekte und Fehler des Betriebssystems oder bei der Konfiguration die Ursache.
Mord mit Magneten
Es gibt schließlich auch Fälle, bei denen der beste Datenretter nicht mehr helfen kann. Nämlich dann, wenn die magnetische Information physikalisch zerstört wurde. Tatsächlich ist dies eine Methode Harddrives zuverlässig blank zu putzen. „Wir machen uns das bei der professionellen Datenlöschung mit einem starken Elektromagneten zu Nutze“, sagt Hilt.
Eher ungewollt geschieht die Zerstörung, wenn die Bänder nicht nach Vorschrift gelagert werden. Oft oxidiert die Magnetschicht und blättert ab. Um das zu verhindern, geben die Hersteller an, wie die Bänder gelagert werden müssen und wie häufig sie überschrieben werden dürfen.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazinreihe. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Die Magneteigenschaften gehen auch verloren, wenn sie über ihre materialspezifische Curie-Temperatur erhitzt werden. Bei Festplatten, die aus Aluminium-Nickel-Cobalt bestehen, liegt dieser Wert bei 850° C. Ansonsten sind auch Brandopfer gut zu retten, vor allem wenn „nur“ Ruß ins Gehäuse eingedrungen ist.
Fast nie kommt es vor, dass geschredderte Festplatten wiederhergestellt werden – utopisch ist aber auch das nicht: „Noch ist der Kostenaufwand einfach zu hoch“, erklärt Hilt. „Aber wer weiß, was in ein paar Jahren möglich sein wird.“
- Was jetzt schon möglich ist, wenn es sich um Softwarefehler dreht, erläutert – samt einer Liste bewährter Recovery-Programme – Teil 2 dieser Serie. Teil 3 folgt Hardwareschäden ins Labor und Teil 4 legt dar, woran Sie erkennen, was ein Datenretter taugt.