Dentaltechnik: Wer das Lächeln neu erfindet

Losgröße 1 ist die Maxime der Zahntechnik: Zahnspangen und Zahnersatz müssen individuell passen und passgenau gefertigt werden. Mit Scannern, Fräsmaschinen und 3D-Druckern hat die Digitalisierung Einzug gehalten. Die jüngsten Innovationen aus Österreich sind Laser Cutter und Volumentomografen.

Zahnschiene to go

Von Friedrich List

Die Dental Manufacturing Unit (DMU) aus Puch bei Hallein ist mit ihrer vollautomatischen Laserschneidanlage für unsichtbare Zahnschienen für den Staatspreis Innovation 2023 nominiert. Das Unternehmen gehört zu den kleinen und mittleren Unternehmen, die mit ihren Innovationen den hohen Standard der österreichischen Dentaltechnik aufrechterhalten.

Vollautomatischer Laserschneider

Die DMU hatte bereits 2022 den Salzburger Wirtschaftspreis WIKARUS erhalten, ebenfalls für den LAC (Laser Aligner Cutter). Das Unternehmen war in der Kategorie „Innovation“ mit dem 1. Platz ausgezeichnet worden. Das Gerät ist weltweit einzigartig: Mithilfe von Sensoren, künstlicher Intelligenz und Lasertechnologie, fertigt es unsichtbare Zahnschienen in nur einer Minute – die konventionelle Herstellung dauert sieben Minuten. Außerdem senkt der Laser Aligner Cutter die Produktionskosten um bis zu 75 %. Die Laserschneidanlage von DMU schneidet die Schiene aus einem Kunststoffwerkstück heraus, und zwar so, dass das Gerät keine scharfen, sondern runde Schnittkanten hinterlässt. Das erhöht den Tragekomfort und reduziert den Aufwand einer Nachbearbeitung im Herstellprozess deutlich.

Unsichtbare Zahnschienen, sogenannte Aligner, dienen dazu, Fehlstellungen von Zähnen zu korrigieren. Kieferorthopäden nutzen sie anstelle von losen Klammern oder festsitzenden Brackets. Aligner eignen sich jedoch nur zur Korrektur von leichten Fehlstellungen.

MW-52521395303 889a9f32b2 o.jpg
Könnte passen: durchsichtig und mit runden Kanten. Die Dental Manufacturing Unit hat mit ihrem vollautomatischen Laser Aligner Cutter gute Chancen auf den Staatspreis Innovation 2023. (Bild: Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH)

Die Behandlung dauert zwischen sechs und 18 Monaten und kann mehr als 30 individuell angepasste Spangen erfordern, die jeweils individuell gefertigt werden. Nach einer eingehenden Untersuchung durch den Zahnarzt werden die Zähne zunächst mit einem Intraoralscanner gescannt. (Manche Praxen nutzen auch noch Abdrücke in Formmasse.) Dieses Scans bilden dann die Grundlage für die Korrektur, für die Visualisierungen des Behandlungsziels und für die Herstellung der Aligner.

Scan-Technologie aus Bischofshofen

Nicht nur bei der Herstellung von Alignern, sondern auch bei der Produktion von Zahnersatz oder Brücken hat die Digitaltechnik Einzug gehalten. Dazu gehört die CAD/CAM-gestützte Produktion von Brücken oder Kronen, aber auch eine durch digitale Volumentomografie (DVT) unterstützte Diagnostik. Sie erzeugt ein dreidimensionales Bild des Kiefers und problematischer Regionen. Kontrastmittel oder das Verharren in einer Röhre wie bei einer CT (Computertomografie) sind nicht mehr nötig. DVT sorgt z.B. für eine präzisere Planung von Implantaten.

3D-Scans ersetzen vielerorts bereits die herkömmlichen Abdrücke in Silikonmasse und die alten Gipsmodelle. Wo sie noch in Gebrauch sind, lassen sie sich durch zeitgemäße Scan-Technologie in digitale Modelle überführen. Cadstar, ansässig in Bischofshofen, ist das einzige Unternehmen in Österreich, das diese Art spezialisierter Scanner herstellt.

Die Cadstar-Scanner erfassen herkömmliche Zahnabdrücke, sodass ein Zahnersatz nach Maß produziert werden kann. Dabei ist das Unternehmen Teil einer ganzen Fertigungskette; sie beginnt beim Zahnarzt, der einen Gebissabdruck anfertigt und an den Zahntechniker schickt. Der fertigt daraus ein Gipsmodell. Dieses Modell wird gescannt. Mithilfe spezieller Software modellieren Zahntechniker den benötigten Zahnersatz, und auf Grundlage dieses Datensatzes fräst ein Gerät dann den eigentlichen Zahnersatz, den der Zahntechniker dann genau anpasst.

ITK-Austria-23.jpg

Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Heise-Beilagenreihe „IT-Unternehmen in Österreich stellen sich vor“. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.

Cadstar begann 2015 mit der Produktion von 3D-Scannern aus eigener Entwicklung (vorher hatte das Unternehmen die Geräte anderer Hersteller verkauft). Inzwischen liefert die Bischofshofener Firma ihre Produkte nicht nur bis nach Mexiko, sondern produziert auch über 90 % der Scanner-Komponenten im eigenen Haus.

Dabei arbeiten die einzelnen Geräte als Teil eines digitalen Netzwerks, ähnlich wie in der Industrie 4. 0 können sie miteinander kommunizieren. Der Workflow in Praxen und Laboren ist oft schon digital, ebenso helfen Software, Datenbanken und andere Anwendungen bei jedem Schritt der Behandlung. Das beginnt bei der Diagnostik und setzt sich mit der Planung der Behandlung bis zu deren Ende fort.

Viele Patienten empfanden die Abformung ihres Gebisses mit Silikonmasse als unangenehm. Immerhin ist es nicht mit dem Abformen getan; man muss das Aushärten der Masse abwarten. Laserscanner erledigen diesen Job weitaus bequemer und mit weniger Zeitaufwand. Der erzeugte Datensatz kann dann direkt weiter verarbeitet werden. Simulationssoftware erlaubt die Visualisierung der nächsten Behandlungsschritte: Patienten sehen mithilfe von Software wie dem Invisalign Outcome Simulator, wie die Zahnkorrektur ablaufen wird und welches Ergebnis sie erwarten können. Auch die Entwicklung und Produktion von Zahnersatz oder Alignern geht schneller vonstatten.

Als Nächstes werden die Daten dann in eine CAD-Software geladen, mit deren Hilfe dann z.B. Brücken, Inlays, Kronen oder Aligner entworfen und hergestellt werden. Zahntechniker passen die im Grunde schon nach Maß gefertigten Stücke so individuell an, dass sie sich von den anderen Zähnen nicht mehr unterscheiden. Auch das Spektrum der Werkstoffe hat sich erweitert. Mit der CAD/CAM-Technologie lassen sich nicht nur PMMA oder Zirkon verarbeiten, sondern auch Zirkon-Multilayer sowie Glas- oder Hybridkeramiken.

Serie: Digitale Disruption
Teil 1 gibt einen ersten Überblick: Was soll digitale Disruption überhaupt sein? Und für wen wird es dabei eng? Teil 2 sieht sich an, wie Steuer- und Wirtschaftsdaten Wert schöpfen und welche Strategie die DATEV angesichts des Wandels einschlägt. Teil 3 gibt schließlich einen praktischen Ausblick mit Beispielen, die vor Augen führen, dass Digitalisierung am besten mit Verstand geschieht.

Studiengang für Zahntechnik

Diese Entwicklungen schlagen sich auch in der Ausbildung nieder, die das Handwerk hinter sich lässt und sich mehr und mehr akademisch ausrichtet. So bietet die Fachhochschule Kärnten seit Februar 2023 einen Weiterbildungsstudiengang Digitale Dentaltechnik an. In fünf Semestern können hier Dentaltechniker und Zahnärzte Grundlagenwissen, digitale Methoden und praktische Fähigkeiten erwerben, hinzu kommen Methoden der Bildaufnahme, Modellierung und Fertigung. Auch Kommunikations- und Präsentationstechniken sind Thema, ebenso Kenntnisse im digitalen Workflow.

Der Unterricht findet zum Teil vor Ort am Campus Villach und am Ausbildungszentrum Zirkonzahn in Gais in Südtirol statt. Den anderen Teil bilden Online-Lehrveranstaltungen. An der FH Kärnten bewerben können sich Zahntechnikermeister mit mindestens einem Jahr im Beruf, aber auch Absolventen von Ingenieurstudiengängen oder Wirtschaftswissenschaften mit Bezug zur Zahntechnik und mindestens einem Jahr Berufserfahrung. Der Aufbaustudiengang nimmt einmal im Jahr 18 Studierende auf.

„Die ersten Gespräche haben wir schon vor drei Jahren geführt“, sagte Bundesinnungsmeister Richard Koffu gegenüber der Branchenzeitschrift Dentaldialogue. Die Standesvertretung der österreichischen Zahntechniker hat das Studium gemeinsam mit Experten der Hochschule und der Dentalbranche entwickelt. „Die Hauptgründe, die uns zu diesem Projekt bewogen haben, waren die Verbesserung des Images und, mit dem Master of Science einen höheren Ausbildungsgrad für Zahntechniker zu schaffen“, so Koffu weiter.

Entscheidend für den Studiengang war eine Stiftungsprofessur für Digitale Fertigung für die Medizintechnik, die 2021 mit Sebastian Spintzyk besetzt wurde. Am Lehrstuhl werden Materialien und Technologien erforscht und in der Lehre eingesetzt, die sich für Anwendungen in Zahnmedizin und Dentaltechnik eignen. Der wichtigste Förderer des Studiengangs ist der österreichische Technikpionier und Unternehmer Enrico Steger. Steger hat ab 2003 ein manuelles Kopierfräsgerät zur Herstellung von Zahnersatz aus Zirkon entwickelt. Mit seinem Unternehmen Zirkonzahn vermarktet er diese und weitere Innovationen – weltweit insgesamt zwölf Patente.

Friedrich-List-square.jpg

Friedrich List ist Journalist und Buch­autor in Hamburg. Seit Anfang des Jahr­hunderts schreibt er über Themen aus Computer­welt und IT, aber auch aus Forschung, Fliegerei und Raum­fahrt, u.a. für Heise-Print- und Online-Publikationen. Für ihn ist SEO genauso interessant wie Alexander Gersts nächster Flug zur Inter­nationalen Raum­station. Außerdem erzählt er auch gerne Geschichten aus seiner Heimatstadt.

Nützliche Links