Mission für Metalldrucker
Von Friedrich List
Wenn es darum geht, Kleinserien, Funktions- oder Demonstrationsmodelle, Prototypen oder einzelne Teile nach Maß zu fertigen, sind die additiven 3D-Technologien nahezu konkurrenzlos. Bislang führt der Weg in den meisten Fällen von der ersten Projektkalkulation direkt zu einem professionellen Dienstleister.
Das liegt zum einen am benötigten Know-how, zum anderen an den Gerätekosten, die gut und gerne einige Hunderttausend Euro erreichen. Zu den teuersten Geräten überhaupt gehören Drucker für die Metallverarbeitung im Lasersinter-Verfahren SLS. Dabei werden dünne Schichten entweder aus Kunststoff, Metall oder Keramik übereinandergelegt. Der Laser verflüssigt das Material und verbindet so eine Schicht mit der nächsten. Das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD hat einmal die Durchschnittkosten für 3D-Drucksysteme nach Technologie aufgeschlüsselt: Demnach liegen Stereolithografie und Lasersintern bei 200.000 bis 1 Mio. Euro, Polyjet Modeling kommt auf 50.000 bis 500.000 Euro und Fused Deposition Modeling auf 200.000 bis 500.000 Euro. Und die Preise sind seit der Erhebung 2013 nicht wesentlich gesunken. Die gute Nachricht ist, dass im industrierelevanten Lasersintern Deutschland international sehr gut aufgestellt ist: Mit Playern wie EOS, Concept Laser, ReaLizer und SLM Solutions sowie Voxeljet (Polyjet Modeling) findet man wichtige Weltmarktanbieter im eigenen Land – was mit Blick auf Normung und Vertragsgestaltung durchaus von Vorteil ist.
Material, Technologie und Größe
Drucker, die Metalle verarbeiten, brauchen allerdings starke Laser, um ihren Werkstoff zu sintern. Das kann aus Sicherheitsgründen nur in spezialisierten Labors geschehen. Das Gleiche gilt für Geräte, die lichtaushärtende Polymere nutzen: Dabei entsteht das Objekt aus einem Bad aus stark reaktiven Monomeren, die man besser nicht als große Pfütze auf dem Werksgelände haben möchte.
Schicht für Schicht: Ein präzisionsgesteuerter Laserstrahl sintert das Materialpulver für Werkzeugstahl, Edelstahl oder Bronze. (Bild: Speedpart)
Mit Stahl und Titan oder Keramikpulver können ohnehin nur professionelle Geräte umgehen, die auch mehrere Materialien gleichzeitig verarbeiten können. Bei solch komplexen Anlagen kommen neben dem Basispreis noch Aufwendungen für Installation und Kalibrierung, Arbeitsschutzvorkehrungen, Schulung etc. hinzu, außerdem die Materialkosten und unter Umständen separate Maßnahmen für die sichere Lagerung des ungesinterten Rohpulvers.
Dafür können die Maschinen, mit denen spezialisierte Dienstleister arbeiten, ausreichend filigrane Strukturen und vor allem auch Gegenstände produzieren, die größere Belastungen aushalten. Das gilt für winzige Metallzahnräder ebenso wie für Werkzeuge, Ersatzteile und Triebwerksringe von Flugzeugen. Musterbeispiel ist die LEAP-Einspritzdüse von GE Aviation: Was zuvor eine zwanzigteilige Baugruppe mit 19 Lötstellen war, ist im generativen 3D-Verfahren ein einziges integrales Komplexteil geworden – um ein Viertel leichter und fünfmal so lange nutzbar.
Derartige Stücke aus Metall, Keramik oder einem Materialmix können nur Dienstleister herstellen, die im Business-to-Business-Geschäft sind. Komplexe Elektronikteile liefern allerdings auch die heutigen High-End-Geräte noch nicht, obwohl die Mikroelektronik in der Fertigung beweglicher Systeme ohne Montage bereits erfolgreich 3D-Druckverfahren nutzt. Und dass sich 3D-Fertigung durchaus mit bewährten Verfahren etwa der Metallumformtechnik verträgt, hat zuletzt Rosswag Engineering gezeigt, wo man die massiven, materialaufwendigen Bauteilbereiche zuerst schmiedet, um dann auf diesem Rohteil die feineren Strukturen mit SLM additiv aufzubauen.
Schwarz auf Weiß
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Ein weiteres K.o.-Kriterium ist die Größe des Bauteils. Modelle aus ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymerisat) oder Plastikersatzteile für Solaranlagen könnten im Prinzip auch die sogenannten FabLabs, die es in vielen großen Städten gibt, übernehmen. Aber selbst hier sind die Dimensionen ein limitierender Faktor. Fabberhouse etwa liefert nur bis etwa 200 × 1200 × 150 mm. Wer Eigenkreationen drucken lassen will, die größer sind, muss sich weiter umgucken. Dasselbe gilt für Kleinserien, detaillierte Architektur- und Funktionsmodelle, die Visualisierung von anspruchsvollen Designs und für Objekte aus einem anderen Material als ABS- oder PLA-Kunststoff.
Dienstleister
Kompetente B2B-Dienstleister bieten die komplette Servicepalette von der Beratung bei Material und Technologie über die Erstellung der Druckvorlagen nach Kundenwunsch bis zur Fertigung und Qualitätskontrolle. Unternehmen wie Rapidobject aus Leipzig bieten alles aus einer Hand und beliefern auch die Industrie mit Prototypen.
Wer für ein sein Projekt oder für ein anspruchsvolles Einzelstück den passenden Partner sucht, wird im Internet schnell fündig. Allein in Deutschland findet sich eine Vielzahl von kleineren und größeren Unternehmen mit sehr unterschiedlichem Hintergrund. Als 3D-Druckdienstleister treten IT-Experten, technisch versierte Unternehmensberater und an 3D-Druck-Technologien interessierte Spin-offs von Universitäten auf, junge Start-ups ebenso wie etablierte Ingenieurbüros mit langjähriger Erfahrung. Sie bieten alles vom dreidimensionalen Konzept bis hin zum fertig ausgedruckten Produkt. Auch klassische Handwerksbetriebe sind vertreten. Nicht selten bieten die Firmen komplette Servicepakete von der Erstellung der CAD-Vorlage bis zum fertigen Produkt oder sogar einer Kleinserie an.
Neben Branchengrößen wie Stratasys gibt es zahlreiche regionale Anbieter. Solche Firmen haben meist einen Vor-Ort-Service und können mitunter auch bei der Vermarktung einer Kleinserie helfen. Zusatzkriterien bei der Anbieterwahl sind neben Größe und Materialanforderungen bzw. dem daraus resultierenden Herstellungsverfahren Branchenkenntnisse oder die Ausrichtung auf eine spezielle Zielgruppe. So hat sich Tripremo in Baden-Württemberg auf das Handwerk spezialisiert, während die Innovative Didaktik GmbH auf die Bedarfslage von Bildungseinrichtungen ausgerichtet ist. Das englische Fripp Design wiederum ist eine Erfinderwerkstatt, die mit Picsima Silikon-Speziallösungen für Gesichtsprothesen und Brustimplantate anbieten kann. Voxeljet hingegen wäre das Beispiel für einen großen Industriedienstleister mit entsprechend großen Kapazitäten.
3D-Fertigung: Der 3D-Servicebetrieb Speedpart arbeitet unter anderem dem DMLS-System (Direct Metal Laser Sintering) EOSINT M270. (Bild: Speedpart)
Viele der genannten 3D-Druckdienste schließen mit ihren Services praktische Versorgungslücken. Wer ein nicht mehr lieferbares Ersatzteil braucht, kann es nun nachkonstruieren (lassen) und damit 3D-Anbieter beauftragen. Das ist billiger als eine neue Maschine oder der Stundensatz eines Schlossers. Eine Sonderstellung nimmt die 1999 gegründete Fraunhofer-Allianz Generative Fertigung ein. Das Kerngeschäft des übergreifenden Verbunds aus 14 Instituten ist die Auftragsforschung, er kann aber auch kundengenau beraten. Publikationen wie die „Markt- und Trendstudie Laserstrahlschmelzen“ (zuletzt 2013) sind sehr gute Ausgangspunkte für die eigene Markterkundung.
Plattformen für komplexe Projekte
Im Internet gibt es Portale, auf denen sich eine Vielzahl von 3D-Dienstleistern präsentiert. Einer der größten dieser Plattformen in Europa ist 3dhubs.com, die ein niederländisches Unternehmen betreibt. Hier finden sich kleine und große Anbieter, zumal die Betreiber private ebenso wie gewerbliche Anbieter akzeptieren. Rund 350 Anbieter allein aus Deutschland sind hier registriert, nach Schätzungen des Unternehmens melden sich im Monat um die 40 neu an.
Hinzu kommen noch Einkaufsplattformen, die sich an professionelle Anwender richten, also für die Bereiche additive Fertigung und Rapid Prototyping. Erst seit rund zwei Jahren ist der Anbieter Additively auf dem Markt. Das schweizerische Unternehmen ist ein Start-up, das aus einer Forschungsarbeit an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich entstanden ist. Ingenieure und Betriebe, die auf der Suche nach 3D-Drucklösungen sind und über eigenes Fachwissen verfügen, können bei Additively aus über 300 Anbietern und 250 verschiedenen Materialien wählen. Auch eine individuelle Beratung ist möglich.
Das Angebot von Additively richtet sich dabei ausdrücklich an mittelständische Unternehmen: „KMU haben zunehmend das Bedürfnis nach in 3D gedruckten Teilen und Produkten, können sich aber eigene Maschinen dafür kaum leisten“, sagt Additively-Gründer Matthias Baldinger. Die Plattform bringt diese Kunden mit Dienstleistern für 3D-Printing zusammen, die dann die Teile herstellen. Additively selbst hilft Neuanwendern in der additiven Fertigung bei der Auswahl der richtigen Technik und der am besten geeigneten Partner. Auch die Kommunikation kann SSL-gesichert über die Plattform laufen.
Nicht zuletzt geht der Dienst auf Veranstaltungen wie der Euromold 2015 in Düsseldorf aktiv auf Interessenten und Anwenderunternehmen zu. Diese Beratungsbörse war auf der Messe stark nachgefragt. Und der Bedarf an gezieltem 3D-Consulting dürfte angesichts der Vielzahl von Materialien, Technologien und Service-Geschäftsmodellen noch deutlich steigen.
Traceparts, ein französisches Unternehmen, geht einen ganz anderen Weg. Es richtet sich an technische Planer, Entwickler und Industriedesigner, die für ihre Projekte ganz bestimmte Bauteile suchen. In den Datenbanken finden sie fertigte CAD-Vorlagen für industrielle Bauteile, die sie herunterladen und vor Ort ausdrucken können. Die Vorlagen liegen im STL-Format vor, sind also für die Stereolithografie ausgelegt. Das Portal ist kostenlos und umfasst Hunderte Kriterienkataloge, über 100 Mio. CAD-Modelle und Produktdatenblätter für eine Vielzahl von Prozessen in der Produktentwicklung, im Einkauf, in der Wartung und in der Herstellung.
Reverse Engineering und 3D-Scan
Um eine additive Fertigungslinie aufzusetzen, sind die entsprechenden CAD-Vorlagen erforderlich. Doch die liegen in der Regel nicht so vor, wie der neue Produktionsvorgang es erfordert. Man kann sie nun entweder mit einem 3D-Scanner abtasten oder aber das erforderliche Polygonnetz in einem Konstruktionsprogramm zeichnen. Je komplexer die Form ist, desto schwieriger wird das. Die Konstruktion eines Brain Gears mit zwölf Achsen und 24 paarweise gekoppelten Kegelzahnrädern dürfte die meisten CAD-Zeichner überfordern.
In jedem Fall wird das Reverse Engineering, bislang ein relativ wenig beachteter Seitentrieb des 3D-Zweigs, deutlich an Bedeutung gewinnen. Momentan geht es oft noch ungewöhnliche Wege. Rapidobject bekam zum Beispiel das fehlende Heckteil eines BMW-Motorrads aus Knetmasse geformt eingeschickt. Mitarbeiter scannten die Vorlage und nahmen das Ergebnis als Grundlage für CAD-Daten, die dann entsprechend den Vorgaben des Kunden weiter bearbeitet wurden. Anschließend wurde das Produkt im Lasersinter-Verfahren hergestellt, und der Kunde konnte sein individuelles Ersatzteil einbauen.
Insgesamt müssen Unternehmen damit rechen, dass sie eine Vielzahl von Bauteilen entweder abtasten und neu digitalisieren oder das Konstruktionsbüro noch einmal an die Entwürfe setzen müssen. Dabei ist von technischer Seite auch die Frage zu berücksichtigen, ob die bisherige Bauteilgeometrie und -gliederung überhaupt noch sinnvoll ist – oder ob sich bisher zusammengesetzte Komponenten nicht besser in einem Stück fertigen lassen. In jedem Fall ist eine Nachbearbeitung durch geschulte Fachkräfte vonnöten, und sei es nur darum, weil die additive Rekonstruktion nicht die Schweißnähte des Originalbauteils nachbilden muss.
Relativ überschaubar klingt das, solange die Objekte transportierbar sind. Spezialisierte Dienstleiter können aber mit einigem Aufwand auch von fest installierten Anlagen und Vorrichtungen reproduzierbare 3D-Vorlagen abnehmen. Generell können Anbieter dort helfen, wo belastbare Materialien gefordert sind, komplexe Formen, herausragende Einzelstücke oder wenn es um größere Gegenstände geht. Ingenieurbüros und Re-Engineering-Anbieter wie Creaform bieten außerdem praktische Schulungen vor Ort an, die Mitarbeiter mit den relevanten Rekonstruktions- und Erfassungstechniken, den Scan-Methoden und der Flächenrückführung sowie der 3D-Datenanalyse vertraut machen. Tatsächlich ist die dimensionale Messtechnik eine eigene Wissenschaft, deren Spezialisten in naher Zukunft begehrte Fachkräfte sein dürften.
Fazit: Technologie als Standortvorteil
Obwohl der 3D-Druck erst eine kurze Geschichte hat, gibt es bereits ein gewaltiges Spektrum an Möglichkeiten. Vor allem bei den Materialeigenschaften hat sich in den letzten Jahren viel getan. Das macht den Anbietermarkt unübersichtlich, aber unterm Strich ist die Angebotslage für Geschäftskunden hierzulande überdurchschnittlich: Namentlich in den Bereichen Lasersintern und Laserschmelzen ist Deutschland momentan technologisch der beste Standort. Auch die schwierigen Fragen von Normung und Produkthaftung finden damit leichter eine Lösung.