Digitalnomaden: Wer den Bescheid nach Bali bekommt

Wenn Arbeit und Lebensmittelpunkt im digitalen Universum liegen, ist es doch egal, von wo aus ich mein Geld verdiene. Oder doch nicht? Die Selbstständigkeit mit Laptop unter Palmen findet ihre Grenzen im Arbeitsrecht, bei der Einkommens- und Umsatzsteuer sowie nicht zuletzt bei der Sozialversicherung.

Laptop unter Palmen

Von Doris Piepenbrink

Es ist keine gute Idee, lediglich mit einem Touristenvisum ausgestattet im Ausland zu arbeiten. Wer erwischt wird, muss mit Strafen und Ausweisung rechnen. Einige Länder wie Costa Rica, die Bahamas oder Thailand stellen aber spezielle Visa für digitale Nomaden aus. Für Indonesien (z.B. Bali) ist ein 211A-Visum für zwei bis sechs Monate verfügbar. Angestellte ausländischer Firmen erhalten in vielen Ländern ein Remote-Worker-Visum, das bis zu fünf Jahre gültig ist.

In Indonesien und einigen anderen Ländern müssen die Einkünfte aus dem Ausland stammen und dort auch versteuert werden. Die digitalen Nomaden gelten nämlich nur als Besucher und dürfen im Land nicht geschäftlich tätig werden. Für die USA gibt es ein Business-Visum, das ist aber für Geschäftsreisende gedacht. Wer sich irgendwo niederlassen möchte, benötigt ein Arbeitsvisum, die berühmte Green Card. Die wird in der Regel nur für Personen ausgestellt, die investieren, im Bereich Journalismus arbeiten oder hochqualifiziert sind. Aus all diesen Beispielen ist schon ersichtlich: Ein Arbeitsaufenthalt im Ausland sollte gut geplant sein.

Arbeitsrecht und Arbeitsort

Je nach Gastland müssen digitale Nomaden ihren vorübergehenden Wohnort zumindest als Zweitwohnsitz anmelden. Und damit sind sie Bewohner des Landes. Sie müssen sich an dortige Gesetze und je nach Dauer des Aufenthalts auch an das dortige Arbeitsrecht halten. Denn es gilt das Arbeitsrecht des Staates, in dem der „gewöhnliche Arbeitsort“ liegt. Für Freelancer und Remote Worker in Indonesien oder der Dominikanischen Republik etwa ist das Deutschland. Ansonsten gilt der Ort, an dem man den größten Teil des Jahres arbeitet.

Grundsätzlich ist es immer von Vorteil, sich vorab über Feiertage, übliche Arbeitszeiten und Besonderheiten im Arbeitsrecht vor Ort zu erkundigen, selbst wenn für einen selbst das deutsche gilt. In Portugal beispielsweise ist es Firmen nicht erlaubt, mit ihren Mitarbeitenden außerhalb der Arbeitszeit zu kommunizieren. Tun sie es doch, droht eine Geldstrafe. Wer also mittags an der Algarve mit dem Laptop am Strand sitzt und arbeitet, kann durchaus auf das Thema angesprochen werden.

Versicherungen und Bescheinigungen

Am einfachsten gestalten sich Arbeitsaufenthalte im europäischen Ausland. Solange sich Digitalnomaden mit einer EU-Staatsbürgerschaft jeweils nur bis zu sechs Wochen in einem EU-Land aufhalten, sind keine Visa notwendig. Kranken- und Sozialversicherung laufen weiter über die deutschen Institutionen. Doch selbst bei kurzen Arbeitsaufenthalten ist auch für Selbstständige eine Entsendebescheinigung, die sogenannte A1-Bescheinigung, notwendig. In ihr ist festgelegt, ob man im Heimat- oder Gastland sozialversichert ist. Sie gilt in der Regel für sechs Wochen.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazin­reihe „IT & Karriere“ erschienen. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften be­kommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Seit Juli 2023 gibt es dank eines Multilateralabkommens zudem die Ausnahmevereinbarung MRA für Digitalnomaden. Sie erlaubt Arbeitsaufenthalte von bis zu 49,99 % der jährlichen Arbeitszeit in bestimmten europäischen Ländern mit deutscher Sozial- und Krankenversicherung. Der Sitz der eigenen Firma bleibt dann in Deutschland. Das heißt aber auch, dass es während des Auslandaufenthalts einen Wohnsitz in Deutschland geben muss. Das Multilateralabkommen soll die nächsten fünf Jahre gelten und wird voraussichtlich danach verlängert. Unterschrieben haben es derzeit Deutschland, die Schweiz, Liechtenstein, Kroatien, Tschechien, Österreich, die Niederlande, die Slowakei, Belgien, Luxemburg, Malta, Norwegen, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, Finnland und Frankreich.

Die A1-Bescheinigung sowie die Ausnahmebescheinigung MRA beantragen Freiberufler online auf dem SV-Meldeportal. Für andere Länder kann geprüft werden, ob eine herkömmliche Ausnahmevereinbarung gemäß Artikel 16 Absatz 1 VO (EG) 883/2004 möglich ist, sofern weiterhin auf eine deutsche Sozialversicherung und einen Wohnsitz oder eine Firmenadresse in Deutschland Wert gelegt wird. Der Antrag wird in der Regel über die Krankenkasse gestellt. In Ländern wie Indonesien und der Dominikanischen Republik geht es gar nicht anders, weil die Digitalnomaden dort nur als Besucher gelten. Die A1-Bescheinigung mit und ohne Ausnahmevereinbarung muss im Gastland auf Verlangen vorgezeigt werden. Frankreich und Österreich beispielsweise sollen das relativ häufig kontrollieren. Denn Grenzgänger benötigen diese ebenfalls. Außerdem ist es je nach Gesundheitssystem vor Ort ratsam, eine Auslandskrankenversicherung abzuschließen, um keine bösen Überraschungen zu erleben, weil die eigene Krankenkasse nicht für die höheren Kosten im Gastland aufkommt.

Und natürlich: die Steuer

Arbeiten im Ausland hat darüber hinaus auch steuerliche Auswirkungen. Falls Deutschland mit dem beabsichtigten Reiseziel ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen hat, gilt die 183-Tage-Regel. Das heißt, wenn sich die Person in dem jeweiligen Staat weniger als 183 Tage im Jahr aufhält, gilt das deutsche Steuerrecht, ansonsten das Steuerrecht vor Ort. Dabei legen manche Staaten zwölf Monate ab Einreise zugrunde, andere das jeweilige Steuerjahr. Das kann einen Unterschied machen, vor allem, wenn das Limit unter- oder überschritten wird. Dabei sind zwei Fragen abzuwägen: Wo sehe ich einerseits meinen Lebensmittelpunkt? Und wo lassen sich andererseits Steuern sparen? In Italien liegt die Einkommenssteuer zum Beispiel deutlich unter dem Satz von Deutschland. Und ausländische Einkünfte müssen hier nicht gemeldet werden, wenn die Person in den vergangenen neun von zehn Jahren keinen Wohnsitz im Land hatte. Die Bahamas verlangen derzeit bis auf eine Umsatzsteuer noch keine Steuern. Die Vereinigten Emirate sind gänzlich steuerfrei. In Malaysia sind Einnahmen aus dem Ausland von der Einkommensteuer befreit. Das Gleiche gilt für Panama. Steht das Reiseziel fest, lohnt sich also eine Beratung bei einer Steuerkanzlei.

Bleibt der Firmensitz in Deutschland, ist es wichtig, vorab eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr) zu beantragen. Bei Ländern, die mit Deutschland ein DBA haben, ist der Umgang mit der Umsatzsteuer vereinfacht geregelt. Das gilt insbesondere für das europäische Ausland. Haben Freelancer also Kunden in einem dieser Länder, stellen sie nur den Nettobetrag in Rechnung und geben die eigene USt-IdNr mit an. Bei der späteren Umsatzsteuerermittlung müssen die Erträge jedoch mitberücksichtigt werden. Das gilt nicht nur für Digitalnomaden, die im Ausland Kundschaft haben, sondern auch für deutsche Selbstständige, die Kunden aus dem europäischen Ausland bedienen.

Mein Workspace am Strand

Wenn das Traumziel, z.B. Bali, feststeht und dort auch schon eine Unterkunft mit stabilem WLAN gebucht ist, dann beginnt der weniger schöne Teil der Reisevorbereitungen: Sind Reisepass beziehungsweise Personalausweis für die Dauer des Aufenthalts noch gültig oder müssen sie verlängert werden? Die nächsten Schritte sind Visum sowie die A1-Bescheinigung mit spezieller Ausnahmevereinbarung beantragen. In diesem Fall ist die Aufenthaltsdauer auf ein halbes Jahr begrenzt. Obwohl auf Bali nur Kunden außerhalb des Gastlandes erlaubt sind, ist es dennoch sinnvoll, vorsichtshalber die USt-IdNr zu beantragen. Vielleicht arbeitet in der Nachbarhütte jemand aus der Schweiz, der Unterstützung benötigt. Und dann kommen noch Dinge wie Impfungen, Auslandskrankenkasse, und die Klärung: Wer kümmert sich so lange um meine Wohnung in Deutschland? Sind diese wesentlichen Fragen geklärt, steht der Arbeitshängematte am Strand von Bali nichts mehr im Wege.

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