Abfangjäger gegen Copter
Von Ariane Rüdiger
Drohnen werden immer beliebter und allmählich ein vertrautes Bild am Himmel. Für die IT- und besonders die RZ-Branche geht damit ein neues Risiko einher: Was, wenn eine Drohne, beladen mit Sprengstoff oder Spionagetechnik, ein Rechenzentrum bedroht? Zwar weiß niemand, ob hierzulande schon einmal Derartiges versucht wurde. Allerdings haben Hobbyflieger längst bewiesen, dass man sich sicherheitsrelevanten Einrichtungen unbemerkt von oben nähern und sensible Details mit der Kamera festhalten kann. Bei YouTube kursieren mehrere Filmchen, die private Drohnen beim Überflug von Atomkraftwerken aufgenommen haben. Die Suchbegriffe „AKW“ und „Drohne“ genügen, um an entsprechendes Material zu kommen.
Aufspüren, einfangen, zerstören
Wie groß das Risiko ist, dass tatsächlich ein Drohnenangriff auf ein Rechenzentrum erfolgt, dazu gibt es bislang keinerlei Zahlenmaterial. Das US-Marktforschungsunternehmen Gartner schätzt, dass allein im Jahr 2017 drei Millionen neue Drohnen am Himmel aufsteigen, 34 % mehr als 2016. Der Löwenanteil, nämlich 2,8 Millionen, geht demnach in den Hobby- und Privatbereich. Bei den restlichen 200.000, so Gartner, handele es sich jedoch um professionell ausgerüstete Geräte, was sich nicht zuletzt an ihren Preisen festmachen lasse: Von den 6 Milliarden US-Dollar Umsatz, die für das Drohnengeschäft 2017 vorausgesagt werden, sollen 3,7 Milliarden allein auf sie entfallen. Für Deutschland meldet die Gesellschaft für Konsumforschung (GFK) 300.000 verkaufte Drohnen im Jahr 2016; 2017 sollen es 500.000 Kameradrohnen für den Hobby- und Privatbereich. Wie genau diese Geräte tatsächlich eingesetzt werden, weiß allerdings niemand.
Wie immer im Bereich IT-Sicherheit dauert es nicht lange, bis nach dem Bekanntwerden einer neuen potenziellen Bedrohung die ersten Gegenmittel auf den Markt kommen. Im Fall der Risikodrohnen reicht das Angebot von einer Art biologischer Schädlingsbekämpfung mit Greifvögeln über Funkstörgeräte und Laserattacken bis hin zu Netzen, welche die fliegende Drohne einfangen und sie zu Boden bringen sollen, wo sie das Sicherheitspersonal des angegriffenen Rechenzentrums in Empfang nehmen und ihre Software und Bauweise analysieren kann. Beim Aufspüren der Drohnen kommen Radar und Funkanalyse zum Einsatz, zur Bestimmung des Drohnentyps dienen unter anderem Geräusch- und Bildanalysen.
Mit Laserstrahlen und Störsendern
Marktdaten gibt es zu diesem Segment noch nicht, dafür ist es schlicht zu neu. Im Folgenden einige Beispiele dafür, welche Systeme bislang für die Drohnenabwehr zur Verfügung stehen; manche sind allerdings in Deutschland gar nicht erhältlich.
Futuristisch mutet Boeings Compact Laser Weapons System an. Es peilt aufgespürte Drohnen mit einem 2-kW-Laser an und setzt sie innerhalb von 15 Sekunden in Brand. Das System, zu dessen Bedienung eine Person reicht, besteht aus einem Laser, einem Gerät, um den Strahl genau auszurichten, einer Kühleinheit und Batterien. Allerdings dient diese Lösung eher dem Militäreinsatz, weniger dem Schutz von Rechenzentren.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazinreihe „Rechenzentren und Infrastruktur“. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Sehr professionelle Ansprüche erfüllt das AUDS (Autonomous UAV Defense System) der britischen Firma Blighter Surveillance. Zum System gehören ein Radargerät mit 10 km Reichweite, das den umliegenden Luftraum überwacht, ein Video- und ein Temperaturdetektor sowie mehrere Videosysteme, die fliegende Drohnen verfolgen sollen. Ist anhand der gesammelten Informationen das Fluggerät identifiziert, tritt ein Störsender in Aktion. Er arbeitet mit Richtungsantennen und steuert seinen Funkstrahl so genau auf die Drohne, dass der übrige Funkdatenverkehr nicht gestört werden soll. Ergebnis: Die Drohne kann die Lenksignale nicht mehr empfangen und ihre Mission nicht ausführen.
Ebenfalls mit einer Kombination aus Störsender, Wärmebildkamera und Radar arbeitet der Xpeller, den die Airbus DS Electronics and Border Security (EBS) auf der Consumer Electronics Show (CES) 2017 in Las Vegas präsentierte. Erhältlich sind mehrere Ausführungen in unterschiedlichen Größen, darunter auch mobile Drohnenjäger, deren Komponenten sich in einem Rucksack verstauen lassen.
Neueste Rechentechnik setzt die norwegische Firma Squarehead Technology ein. Sie verwendet ein schnelles Rechner-Array für die Auswertung der Signale aus dem optoakustischen Detektionssystem ihres Kooperationspartner Norsonic, ebenfalls aus Norwegen. Dritter im Bunde ist da französische Unternehmen Orelia SAS, ein Spezialist für die Analyse optoakustischer Signale. Gemeinsam bauen die Firmen an einem System, das Drohnen erkennen, klassifizieren und abwehren soll.
Auf die harte Tour
Andere Entwickler verlegen sich auf gewehrähnliche Instrumente. Die australische Firma Drone Shield etwa strahlt mit ihrer Drone Gun einen Funkstrahl aus, der die Verbindung zwischen Drohne und Steuerpult stört oder ganz kappt. Die Klassifikation der Drohne erfolgt dabei mithilfe einer intelligenten Software und einer Datenbank, die alle verfügbaren Drohnenfluggeräusche speichert – denn das Fluggeräusch jedes Drohnentyps soll so individuell sein wie ein Fingerabdruck. Das britische Unternehmen OpenWorks Engineering hingegen schießt mit seinem Skywall 100 ein Netz samt Fallschirm direkt auf die Drohne. Das Netz fängt die Drohne ein, am Fallschirm schwebt sie alsdann zu Boden, wo sie eingesammelt und analysiert werden kann. Der Skywall 100 wurde bereits eingesetzt, um den Ex-US-Präsidenten Barack Obama bei seinem Besuch vor potenziellen Dohnenattacken zu schützen. Das System musste damals aber offenbar nicht in Aktion treten.
Ebenfalls mit Fangnetzen arbeitet eine Lösung des französischen Anbieters MALOU (Mission Aérienne Légère à Organisation Unique). Dessen Abwehrdrohne MPI200 fliegt an den Angreifer heran, stülpt ihm ein Netz über und zwingt ihn zu Boden, was laut Hersteller bei einem Gewicht bis 6 kg sicher funktioniert. Das Gerät gibt es auch als reine Detektionsdrohne (MP200) mit LED-Licht für Nachtflüge, Kamera und SD-Speicher. Sie funkt dann im Frequenzbereich um 5,8 GHz und im Umkreis von 0,6 Meilen.
Der DroneTracker von Dedrone spannt einen virtuellen Schutzschirm über das zu schützende Gelände. (Bild: Dedrone)
Sonderlösung für den deutschen Markt
Einen Service speziell für den hiesigen Markt hat Telekom Magenta Security zum Drone Detection Day (5. Juli) der Deutschen Flugsicherung vorgestellt: den Magenta-Drohnenschutzschild. Der Anbieter hat laut eigenen Angaben mehrere Antidrohnensysteme getestet und nun eine Kooperation mit dem Kasseler Start-up Dedrone verkündet. Dessen wichtigstes Produkt ist die Softwareplattform DroneTracker, die Signale aus den verschiedensten Detektorsystemen verknüpfen, analysieren, zur Identifikation des Drohnentyps mit einer Bilddatenbank korrelieren und anschließend zu einer regelgesteuerten Reaktion verdichten kann. Aufgespürt werden dabei auch die Drohnensteuergeräte. Harmlose Drohnentypen lassen sich in einer Whitelist speichern. Die Datenverarbeitung von DroneTracker erfolgt entweder beim Anwender oder in der Cloud. Durch die Kombination aus diversen Sensortypen an mehreren Stellen, offene APIs für den Anschluss an bereits vorhandene Sicherheitssysteme oder Kameras entsteht ein virtueller Sicherheitsschirm um das gesamte zu schützende Gebäude. Der Service soll demnächst auf den Markt kommen.
Noch hat es in Deutschland keine Drohnenangriffe auf Rechenzentren gegeben. Zumindest ist nichts dergleichen bekannt. Doch der Schutz vor der Gefahr verspricht ein gutes Geschäft; zahlreiche Firmen aus aller Welt versuchen sich daher an unterschiedlichen Lösungsansätzen, von Netzen über Gewehre bis zu Laser und Radar. Welche Systeme sich durchsetzen, wird nicht zuletzt von den Kosten und der Effizienz abhängen.