E-Billing: Warum E-Rechnungen immer noch schwierig sind

Das Steuervereinfachungsgesetz 2011 hat die Anforderungen an elektronische Rechnungen rückwirkend zum 1. Juli 2011 deutlich gesenkt. Eigentlich scheint nun alles dafür zu sprechen, seine Rechnungen als PDF zu versenden. Doch die Wirklichkeit bei kleinen und mittleren Unternehmen sieht anders aus.

Ohne Signaturzwang bleiben Hindernisse

Von Oliver Schonschek

Vor dem Gesetz sind alle Rechnungen gleich – könnte man seit Inkrafttreten des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 denken. Neben der klassischen Papierrechnung kann es nun auch eine Rechnung per E-Mail, im EDI-Verfahren, als PDF- oder Textdatei, als Webdownload, als De-Mail, als E-Postbrief, per Computer-Telefax oder Fax-Server oder im Wege des Datenträgeraustauschs sein. Die Pflicht zur qualifizierten elektronischen Signatur entfällt.

Scheinbar spricht nun nichts mehr dagegen, dass Sie auch mit der elektronischen Rechnungsstellung beginnen. Doch ganz so schnell sollten Sie Ihre erste PDF-Rechnung per E-Mail vielleicht doch nicht versenden.

Einwilligung, Prüfung, Archivierung

Wäre es nur die qualifizierte elektronische Signatur gewesen, die kleine und mittlere Unternehmen von der elektronischen Rechnungs­stellung abgehalten hatte, könnte es nun damit losgehen, die etwa 28,5 Mrd. Papierrechnungen zu digitalisieren, die jährlich in Europa verschickt werden. Doch ganz so einfach geht das nicht.

Da sind zum einen die weiterhin bestehenden gesetzlichen Anforderungen:

  • Der Rechnungsempfänger muss mit dem elektronischen Versand einverstanden sein. Das wird er insbesondere nur dann sein, wenn Sie ein wichtiger Geschäftspartner sind oder wenn er selbst davon ausreichend profitiert. Bei einer einfachen PDF-Rechnung, die sich nicht ohne weiteres automatisiert verarbeiten lässt, ist dies nur sehr bedingt der Fall. Eine Umfrage von ibi research (siehe Kasten unten) hat z.B. ergeben, dass 16 % der befragten Unternehmen keine elektronischen Rechnungen bekommen, weil sie es explizit ablehnen.
  • Die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung müssen durch ein innerbetriebliches Kontrollverfahren gewährleistet werden, das einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Leistung und Rechnung herstellen kann – so die rechtliche Lage. Für das Kontrollverfahren gibt es keine konkreten Vorgaben, aber elektronische Rechnungen müssen genauso intensiv geprüft werden wie eine klassische Papierrechnung auch. Dabei sollten Sie die Dokumentation der Rechnungsprüfung nicht vergessen. Das aber geht in einer Papierakte, in der Sie Bestellung, Lieferschein und Rechnung sowie Ihren Prüfvermerk ablegen ohne Probleme. Wie aber machen Sie dies bei elektronischen Rechnungen?
  • Elektronische Rechnungen müssen weiterhin gemäß den gesetzlichen Aufbewahrungspflichten archiviert werden. Die Aufbewahrung des Papierausdrucks einer elektronischen Rechnung genügt diesen Anforderungen nicht. Elektronische Rechnungen müssen vielmehr im Originalformat elektronisch aufbewahrt werden, eine Veränderung der archivierten Rechnung muss verhindert werden. Als Möglichkeit nennt das Bundesfinanzministerium insbesondere die Archivierung auf nur einmal beschreibbaren CDs und DVDs.
  • Nach Abgabenordnung müssen elektronische Rechnungen zudem in einem maschinenlesbaren Format archiviert werden, nicht etwa als einfaches digitales Abbild.

Skeptiker gegen Bastellösungen

Die Umsetzung der elektronischen Rechnungsstellung wird jedoch auch durch andere Punkte erschwert, die nicht rein rechtlicher Natur sind und auch nicht durch die weggefallene Verpflichtung zur qualifizierten elektronischen Signatur (oder einem EDI-Verfahren) bereits gelöst sind. Das zeigen allen voran die Untersuchungen von ibi research (siehe Kasten):

  • 81 % der kleinen Unternehmen und 72 % der mittleren Unternehmen, die elektronische Rechnungen empfangen, haben dadurch keine Einsparungen realisieren können.
  • Zwei Drittel der Unternehmen sehen rechtliche Hindernisse als Hürde bei der Einführung elektronischer Rechnungen, aber ebenfalls zwei Drittel befürchten Akzeptanzprobleme bei den Geschäftspartnern.
  • Die meisten Einsparungspotenziale erschließen sich erst, wenn die Rechnungsverarbeitung automatisiert werden kann. Bei den notwendigen technischen Anpassungen treten jedoch Probleme auf, so dass Unternehmen mit geringerem Rechnungsaufkommen lieber darauf verzichten.
  • Bei der Wahl eines Dienstleisters für elektronische Rechnungen achten Unternehmen insbesondere auf Rechtskonformität, Vertrauen zu dem Anbieter, niedrige Transaktionskosten und ein geeignetes Preismodell. Das ist zweifellos wichtig, aber bei weitem nicht alles.
PDF-Informationsreihe zum Download

Projekt Elektro­nische Rechnungs­abwicklung.jpg

An der Regens­burger Uni­versität führt ibi research im Rahmen des Netz­werks elektro­nischer Geschäfts­verkehr (NEG) das Projekt Elektro­nische Rechnungs­abwicklung durch. Es wird vom Bundes­ministerium für Wirt­schaft und Techno­logie (BMWi) gefördert. Die Ergeb­nisse prä­sentiert die der Informations­reihe „Elektro­nische Rechnungs­abwicklung – ein­fach, effizient, sicher“ in vier Teilen: Einen Markt­überblick zu E-Billing-Lösungen ent­hält der 191 Seiten starke Teil I: Rahmen­bedingungen und Markt­über­blick. Nach Fall­beispielen (Teil II) und den Befragungs­ergebnissen (Teil III) folgt Teil IV: Leit­faden zur Einführung.

EDV mit Papierablage

Die meisten kleineren Unternehmen schreiben ihre Rechnung in einem Office-Programm (75 %) und versenden sie per E-Mail (40 %), meist als PDF-Anhang. Für die elektronische Rechnungsabwicklung setzt mehr als die Hälfte der Unternehmen (59 %) auf keine spezielle Lösung. Da ist es nicht verwunderlich, dass 87 % der kleinen und 78 % der mittleren Unternehmen elektronische Rechnungen zur weiteren Bearbeitung ausdrucken.

Fazit: Checkliste für die Lösungssuche

Es zeigt sich also, dass der Wegfall der verpflichtenden qualifizierten elektronischen Signatur alleine den Papierberg an Rechnungen nicht reduzieren kann. Vielmehr haben 64 % der Unternehmen, die auf eine elektronische Rechnungsstellung umstellen möchten, das Problem, ein passendes System dafür zu finden. Rechtliche Probleme stehen mit 45 % hinten an.

Serie: Elektronische Rechnung
Teil 1 klärt die wichtigste Frage: wie gesetzes­konforme E-Rechnungen funktionieren. Teil 2 sieht sich um, welche Dienst­leister die Signatur on­line erledigen. Teil 3 richtet schließ­lich auf Empfänger­seite ein steuer­festes Archiv ein. Ein Sonderbeitrag widmet sich der signatur­freien Rechnungs­stellung als PDF.

Wenn Sie sich jetzt mit der Umstellung auf eine elektronische Rechnungsstellung befassen, sollten Sie genau überlegen, welche Lösung Sie wählen. Eine E-Mail mit PDF-Anlage ist möglich, aber nicht immer das Beste. Entscheidend ist, dass Sie sich klar machen:

  • Wie viele Rechnungen pro Monat bzw. Jahr verschicke und empfange ich?
  • Wie viele Geschäftspartner wollen elektronisch abrechnen und wie viele akzeptieren elektronische Rechnungen?
  • In welchem Format kann unser System Rechnungen digital einlesen und versenden?
  • Welches Format bieten/wollen die Geschäftspartner?
  • Welche Archivierungslösung kommt in Frage?

Mit diesen Überlegungen sind Sie gerüstet für eine Anbieter- und Lösungssuche.

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Oliver Schonschek bewertet als News Analyst auf MittelstandsWiki.de aktuelle Vorfälle und Entwicklungen. Der Fokus liegt auf den wirtschaftlichen Aspekten von Datenschutz und IT-Sicherheit aus dem Blickwinkel des Mittelstands. Er ist Herausgeber und Fachautor zahlreicher Fachpublikationen, insbesondere in seinem Spezialgebiet Datenschutz und Datensicherheit.


Oliver Schonschek, Tel.: 02603-936116, www.schonschek.de

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