Einwohner engagieren sich in Online-Umfragen
Von Sabine Philipp
Umfragen im Internet gelten als schnell realisierbar und als relativ preiswert. Die technische Umsetzung ist aber nur ein Aspekt. Wichtiger – und schwieriger – sind die Vor- und die Nachbereitung. Ein paar Fragen auf der Webseite einzustellen, auf die jedermann antworten kann, davon hält Carmen Daramus wenig. Sie ist Mitarbeiterin der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH und dort zuständig für den Bereich Engagementförderung/Evaluationen. „Solche ganz öffentlichen Umfragen sind nicht repräsentativ“, sagt sie. „Sie wissen nie, ob auch die betroffenen Bürger antworten.“ Die Dipl.-Sozialwissenschaftlerin hat die Erfahrung gemacht, dass sich auf solchen Seiten hauptsächlich die Meckerer der Kommune tummeln, aber nicht ein realistischer Querschnitt zum Zuge kommt.
Teilnehmer an der Meinungsbildung
Für Daramus ist die gezielte Online-Befragung das bessere Mittel. Dabei schreiben Kommunen einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung an und laden zu einer Umfrage im Internet ein. Damit auch Personen teilnehmen können, die über keinen Webzugang verfügen, bieten viele Kommunen zusätzlich einen schriftlichen Fragebogen an, den die Bürger telefonisch anfordern können. Es gibt mittlerweile diverse Softwarewerkzeuge, um die Online-Umfragen selbst durchzuführen, z.B. SurveyMonkey oder die Open-Source-Lösung LimeSurvey.
Carmen Daramus ist Dipl.-Sozialwissenschaftlerin und leitet bei der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH den Bereich Engagementförderung/Evaluationen. Zuvor war sie Forschungsreferentin beim Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, wo sie u.a. ein Bürgerpanel mit auf den Weg gebracht hat.
Die technische Umsetzung ist in Wirklichkeit meist das geringste Problem. „Zunächst einmal“, erklärt Daramus, „muss sich die Kommune überlegen, welche Fragen sie stellen möchte und wie sie die Fragen stellen muss, damit sie eine qualifizierte Antwort erhält.“ Dann muss sie einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung auswählen, die Teilnehmer anschreiben – und noch einmal an die Befragung erinnern, üblicherweise mit einem zweiten Brief, der einige Tage vor Umfrageende verschickt wird. („Wir möchten Sie noch einmal an die Umfrage erinnern. Wenn Sie bereits teilgenommen haben, bedanken wir uns ganz herzlich. Wenn nicht, bitten wir Sie …“)
Dienstleister für Internet-Erhebungen
Weil es eine Wissenschaft für sich ist, eine Umfrage zu erstellen, die am Ende belastbare Daten ergibt, empfiehlt Daramus die Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Dienstleister, mit Forschungsinstituten oder Universitäten. Die seien meist objektiver. Außerdem hat die Erfahrung gezeigt, dass es für Kommunen oft schwierig ist, die nötigen Personalressourcen freizulegen und das erforderliche Know-how intern aufzubauen. Daher sei Eigenarbeit oft teurer als eine externe Vergabe.
Die Kosten für einen externen Dienstleister beginnen je nach Umfang des Fragebogens bei 5000 Euro. Die Expertin rät zu Anbietern, die bereits mehrere Kommunen befragt haben. Denn so gebe es Vergleichswerte. Denn auch die Nachbereitung ist, wenn man es richtig machen möchte, sehr diffizil und eine Arbeit für Fachleute. Mit einer fehlerhaften Auswertung könne man viel Porzellan zerbrechen.
Vertrauen in die Auswertung
Das gesamte Verfahren sollte für die Bürger nachvollziehbar und hinreichend transparent sein. Daramus erklärt: „Als Kommune muss ich mich fragen, welche Punkte ich umsetzen kann und welche nicht. Diese Entscheidung muss ich dann an die Bürger kommunizieren.“ Mangelhafte Kommunikation und unklare Auswertung schlagen sich relativ rasch in mageren Teilnehmerzahlen nieder: „Wenn der Bürger das Gefühl hat, dass man seine Meinung nicht ernst nimmt, verliert er irgendwann sein Vertrauen in ,die da oben‘.“ Es sei daher sehr wichtig, dass Kommunen gemeinsam mit den Bürgern Leitlinien für den Umfrageprozess entwickeln – „das erhöht die Transparenz und schafft Vertrauen“. Eine solche Leitlinie kann z.B. festlegen, dass die Ergebnisse zunächst an den Gemeinderat gehen, der drei Handlungsempfehlungen erstellt. Diese werden dann über das Internet veröffentlicht.
Umgang mit personenbezogenen Daten
Ein weiteres heikles Thema ist der Datenschutz. Die Umfragen, an denen Daramus beteiligt war, erhoben die Daten anonym und fragten nur solche personenbezogenen Daten ab, die für Aussagekraft der Umfrage relevant waren (z.B. das Alter). Nicht gespeichert wurden dagegen Anmeldenamen, ebenso wenig wie IP-Adressen. Um sicherzugehen, dass ein Teilnehmer den Online-Bogen nicht mehrfach ausfüllt, rät sie, Cookies zu setzen. Daramus hat aber schon häufiger erlebt, dass Bürger freiwillig ihre Namen angegeben, weil sie noch mehr zu einem bestimmten Thema sagen möchten. Falls Kinder befragt werden sollen, benötigt man die Erlaubnis der Eltern. Das ist jedoch die absolute Ausnahme, in der Regel werden erst Bürger ab 16 Jahren befragt.
Fazit: Teilnahme ist Mitbestimmung
Online-Umfragen zeigen regelmäßig ein überraschend hohes Engagement der Bürger. „Wir haben Rücklaufquoten von 30 bis 40 %“, berichtet Daramus. „Das ist ein sehr hoher Wert. Er hängt damit zusammen, dass die Befragten direkt betroffen sind.“ Auch offene Fragen – bei Umfrageinstituten eher unbeliebt – würden oft und mit guten Argumenten beantwortet.
Die Expertin zeigt sich von daher überzeugt, dass sich Bürgerbefragungen weiter durchsetzen werden. Die unmittelbaren Vorteile liegen auf der Hand: „Kommunen erhalten Planungsdaten und können Entscheidungen besser kanalisieren.“ Es gibt aber noch einen interessanten Nebeneffekt: „Wenn die Bürger durch die Umfragen mitbekommen, dass es in der Stadt Probleme gibt, z.B. mit verschmutzten Straßen, verändert das oft ihre Wahrnehmung. Sie verändern dann oft ihren Blick und sind stärker bereit, sich zu engagieren.“ So kann eine Umfrage selbst bereits das Verhalten der Befragten beeinflussen, und zwar – sofern sie gut angelegt ist – positiv.