Hinter dem Bildschirm steht der Server
Von Frank Zscheile
Viele Unternehmen und Behörden haben ihre Serverlandschaft in den letzten Jahren virtualisiert, um Rechnerressourcen besser auszunutzen und zu verteilen. Der nächste logische Schritt ist die Virtualisierung der Desktops. Wie das funktioniert und welche Vorteile es hat, weiß man bei der Stadt Borken, die damit bereits Erfahrungen gemacht hat.
Die gewohnte Arbeitsumgebung eines Anwenders befindet sich nach der Desktop-Virtualisierung nicht mehr auf dessen PC am Schreibtisch. Alle Daten und Dokumente, die Anwendungssoftware wie auch das Betriebssystem sind vielmehr zentral auf dem Server installiert. Eine Hypervisor genannte Virtualisierungssoftware (VMware, Citrix und Microsoft sind die führenden Anbieter) erzeugt dort die virtuellen Desktops für jeden angeschlossenen Nutzer. Diese Desktops simulieren die physikalischen Attribute eines Schreibtisch-PCs, und über das lokale Netzwerk greift der Nutzer von seinem Arbeitsplatz auf den virtuellen Desktop zu. Was das bringt? Eine ganze Menge.
Keine Verschleißteile, keine Wartung
Kein Administrator muss mehr am Terminal vor Ort am Arbeitsplatz Software neu einspielen oder das Betriebssystem erneuern. Die Kosten für die IT-Administration reduzieren sich somit deutlich, außerdem sind die Daten sicherer, weil nichts mehr dezentral gehalten wird.
Vor allem aber kommt geht es um das Endgerät am Arbeitsplatz. Das kann nach wie vor ein herkömmlicher PC sein, aber nun auch ein schlanker Thin Client oder ein sogenannter Zero Client. „Zero“ bedeutet: keine Firmware, kein Betriebssystem, keine CPU, kein lokaler Speicher und keine Updates. Für den IT-Administrator heißt das: Er muss vor Ort auch keinen Arbeitsspeicher mehr umrüsten, weder Lüfter noch Netzteil erneuern. Denn Zero Clients sind im Grunde nichts weiter als bloße Ansteckleisten für Monitor, Maus und sonstige Peripherie. Sie verbrauchen zudem im Vergleich zum Normal-PC sehr wenig Energie: Mit 3–5 W kommen sie auf nur etwa 3 % des bisherigen Stromverbrauchs.
Die Wahl des Endgeräts spielt daher eine entscheidende Rolle im Hinblick auf Wartung, Bereitstellung und die Kosten virtueller Desktops.
Erst die Server, dann die Desktops
Der Devise „Erst die Server, dann die Desktops“ folgte auch die IT-Verwaltung der westfälischen Stadt Borken. Deren Serverlandschaft war bereits virtualisiert, und so konnte man sich anschließend den Arbeitsplätzen widmen. Knapp 1200 PCs gab es dort früher, allein 900 davon an den 14 städtischen Schulen. Es verging kein Tag, an dem nicht an irgendeinem Gerät etwas zu reparieren gewesen wäre – für eine kleine IT-Abteilung wie in Borken fast unmöglich, dabei hinterherzukommen.
Das Rathaus von Borken: Hinter diesen Fenstern arbeiten schlanke Zero Clients.
Seit einiger Zeit schafft die Stadtverwaltung deshalb ihre PCs ab und ersetzt sie durch Zero Clients des amerikanischen Herstellers Pano Logic (kleine Edelstahlwürfel) sowie solche von Fujitsu (Monitore als Zero Client, die auf der Technologie von Pano Logic beruhen).
120 der Pano-Boxen sowie gut 600 Fujitsu-Zero-Clients sind in Borken mittlerweile im Einsatz. Die Ablösung geschieht im Nachrückverfahren: Ist ein PC abgeschrieben und muss ersetzt werden – üblicherweise nach fünf Jahren –, tritt ein Zero Client an seine Stelle. Die Geräte kommen an nahezu allen Arbeitsplätzen zum Einsatz – außer an solchen, die nicht am Netzwerk arbeiten.
Einstieg, Umstieg und Ausbau
Reinhard Decker vom Team ORGA-IKT-Beschaffung der Stadt Borken, erzählt: „Wir begannen an der Cordula-Grundschule; dort greifen Schüler und Lehrer inzwischen an 16 Zero Clients in allen Klassenräumen auf Netzwerk, Internet und ihre Anwendungen zu.“ Die Desktops befinden sich vollständig auf den Servern der IT-Abteilung, vor Ort gibt es mit Pano-Box, Monitor, Maus, Tastatur und diversen USB-Geräten nur mehr reine Hardware.
Reinhard Decker vom Team ORGA-IKT-Beschaffung Borken: „Begonnen haben wir mit der Desktop-Virtualisierung bei den Grundschulen.“
Auf die erste Schule folgten weitere, sodass heute alle Schulen bis auf das städtische Gymnasium mit Zero Clients ausgerüstet sind. „Weil in Schulungsräumen bereits viele Endgeräte auf einem Server arbeiten, sind diese ein guter Start für die Desktop-Virtualisierung“, sagt Reinhard Decker. „Wenn wir dort neue PCs angeschafft hätten, wäre dies hinsichtlich Einrichtung und Installation weitaus teurer gewesen.“
Nach den Schulen kamen die Ämter, vom Jugend- über das Sozialamt bis zum Schulamt. Inzwischen arbeitet das ganze Rathaus mit Zero Clients. Angebunden über WAN sind außerdem externe Archivkräfte, eine Kollegin mit Telearbeitsplatz aus der Kulturverwaltung sowie Arbeitsplätze in der Volkshochschule.
Die Kräfte vor Ort müssen sich zwar stets erst einmal daran gewöhnen, dass sie kein lokales C-Laufwerk mehr haben, auf dem man auch mal etwas Privates abspeichern kann. Aber die Zero Clients überzeugen schnell: kein Brummen und Rauschen mehr, keine Abwärme – und mehr Platz ist auch auf dem Schreibtisch. Nur vereinzelt gibt es Abteilungen, in denen der Einsatz schwierig oder gar nicht möglich ist, z.B. im CAD-Bereich, wo hohe Grafikleistung an den Desktop übertragen werden müsste.
Fazit: Vorbild mit Modellcharakter
„Die Vorteile der Virtualisierung liegen auf der Hand“, sagt Klemens Taplan, IT-Leiter in Borken. „Wir können die Arbeitsplätze zentral warten, die Energiebilanz spricht eindeutig für die Zero Clients – 3 W pro Zero Client gegenüber 250 pro PC – und die Kosten für Hardware liegen um 15 bis 20 % niedriger als bei einer Ausstattung mit herkömmlichen PCs.“
In der Endausbaustufe will Borken alle bisherigen 1200 PCs durch die neuen Zero Clients ersetzt haben. „Innovative Technik bei der EDV hilft uns dabei, Ressourcen zu schonen, Kosten einzusparen und den Wartungsaufwand zu reduzieren“, so Klemens Taplan.
Sein System erscheint vielversprechend. Denn wie Borken das Thema Desktop-Virtualisierung angeht, dafür interessiert sich inzwischen auch eine Reihe anderer Kommunen. Sie haben sich im Westfälischen angeschaut, wie sich PCs sinnvoll ersetzen lassen. Sogar aus den Niederlanden ist jüngst eine Delegation angereist.