Die OZG-Umsetzung in Kommunen verläuft schleppend
Von Eduard Heilmayr
Das Angebot an digitalen Verwaltungsdienstleistungen der Kommunen steigt langsam, aber kontinuierlich. Die Nachfrage der Bürgerinnen und Bürger verzeichnet dagegen einen dramatischen Anstieg, insbesondere seit Beginn der Corona-Pandemie. Zu diesen Kernergebnissen kommt der aktuelle Deutschland-Index der Digitalisierung 2021. Die Studie wird im zweijährigen Rhythmus vom Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT) und dem Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS erstellt. Auftraggeber ist das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.
Schwerpunktthema: Onlinezugangsgesetz
Besondere Beachtung schenken die Autorinnen und Autoren der 2021er Studie dem Stand der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) in den Kommunen. Dazu wurde die Kommunenerhebung ausgeweitet und mit einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage unter insgesamt mehr als 5500 Bürgerinnen und Bürger ergänzt. Die Ergebnisse werden im Digitialisierungsindex 2021 sowohl von der Angebots- als auch von der Nachfrageseite länderspezifisch nach Haushalten abgebildet.
Das digitale Angebot von Verwaltungsdienstleistungen in den Kommunen wird regelmäßig anhand von fünf Online-Leistungen der Kommunen untersucht, erklärt Ines Hölscher, Hauptautorin der Studie:
- Kfz-Zulassung,
- Melderegisterauskunft,
- Gewerbeanmeldung,
- Wohngeldantrag und
- Baugenehmigung.
Zum ersten Mal erhoben wurden außerdem fünf weitere Leistungen:
- Beantragung eines Führungszeugnisses,
- Vergabe eines Kitaplatzes,
- Hundesteueranmeldung,
- Beantragung von Eingliederungshilfen und
- Ausstellung eines Handwerkerparkausweises.
Die Auswahl der Leistungen erfolgte nach den Gesichtspunkten, so Hölscher, die es ermöglichten, „sowohl häufig als auch selten nachgefragte Leistungen aus verschiedenen Lebens- und Geschäftslagen in unsere Untersuchungen mit einzubeziehen.“
Index zum Download
Der komplette Studienband „Deutschland-Index der Digitalisierung 2021“ steht beim Kompetenzzentrum Öffentliche IT der Digitalisierung 2021 kostenlos als PDF-Download zur Verfügung. Details dazu, wie auch zu weiteren der untersuchten Themenfelder, kann man mit einem interaktiven Online-Werkzeug einsehen und vergleichen. Das Video zur Studie findet man auch auf YouTube. (Bild: Kompetenzzentrum Öffentliche IT – Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS)
Es geht voran, aber nur langsam
Vergleicht man einzelne Leistungen mit den Studienergebnissen von 2018, so ist die Zunahme der digitalen Kfz-Zulassung deutlich: „Mittlerweile bietet nahezu die Hälfte aller untersuchten Kommunen diese Leistung online an“, konstatiert Hölscher. Eine mögliche Begründung dafür nennt sie auch: „Dieses Wachstum könnte auch auf das nationale Projekt i-Kfz (internetbasierte Fahrzeugzulassung) zurückzuführen sein.“
Anteil der Onlineangebote für ausgewählte Dienstleistungen: Bei der Kfz-Zulassung hat sich am meisten getan. Sie ist – sechs Jahre nach Beginn der Projektstufe 1 – mittlerweile bei fast der Hälfte der untersuchten Kommunen möglich. Zu den Voraussetzungen gehören allerdings ein Personalausweis mit aktivierter eID-Funktion sowie ein Fahrzeugschein mit verdeckten Sicherheitscodes. Und: Die Verlinkung auf diese Leistung führt in 31 von 47 Fällen leider „ins digitale Nirvana“. (Bild: Kompetenzzentrum Öffentliche IT – Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS)
Auch bei der Melderegisterauskunft und dem Wohngeldantrag, so Hölscher weiter, sei ein moderates Wachstum zu verzeichnen. Die geringen Rückgänge bei den Verwaltungsleistungen Baugenehmigung und Gewerbeanmeldung seien nicht mit einem tatsächlichen Rückgang zu erklären, sondern mit einer angepassten Messweise. „Wir haben“, sagt Hölscher, „die Verfügbarkeit jetzt anhand des OZG-Reifegradmodells bewertet“. Bei den erstmals untersuchten Online-Verwaltungsleistungen ist das Führungszeugnis der einsame Spitzenreiter. „Über 70 % der untersuchten Kommunen bieten diese Lösung bereits an“, sagt Hölscher.
In der Gesamtbewertung der kommunalen Online-Verwaltungsleistungen sieht Hölscher einen deutlich höheren Umsetzungsgrad bei „einfachen“ Leistungen wie Melderegisterauskünften oder beim Führungszeugnis, „wohingegen bei komplizierteren Leistungen wie Baugenehmigungen oder Eingliederungshilfen das Umsetzungsniveau in den Kommunen noch sehr gering ist.“ Auch die regionalen Unterschiede sind „noch sehr beachtlich“, so Hölscher, wie ein Blick auf die Länderkarte zeigt.
Anteil der vollständig digitalisierten Verfahren (Verzerrung nach der Anzahl der Kommunen): Deutlich vorn liegen die bevölkerungsreichen Stadtstaaten Berlin und Hamburg. An dritter Stelle folgt jedoch nicht Bremen (40 %), sondern das Saarland (44 %). (Bild: Kompetenzzentrum Öffentliche IT – Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS)
Bezogen auf die online angebotenen untersuchten fünf Verwaltungsleistungen sind die Stadtstaaten Berlin und Hamburg mit 60 % Spitzenreiter, das Schlusslicht ist Sachsen-Anhalt mit nur 3,5 %. „Umso überraschender ist es“, betont Hölscher, „dass immerhin, je nach Bundesland, 36 % bis knapp 63 % der befragten Internet-Nutzerinnen und -nutzer empfinden, dass sie viele Verwaltungsdienstleistungen online beantragen können.“
Insgesamt lasse sich, so das Fazit von Hölscher, eine langsame Steigerung im digitalen Angebot der Kommunen feststellen. 2018 lag der Indexwert bezogen auf die fünf untersuchten Dienstleistungen noch bei 0,9, in der aktuellen Studie ist er auf 1,2 gestiegen. Offen bleibt für sie die Frage, wie viele der 575 Verwaltungsleistungen des OZG tatsächlich Ende 2022 in der Fläche online angeboten werden können.
Wann die Services wirklich ankommen
In seinem Impulsvortrag zur Vorstellung der Studie stellt Dr. Markus Richter, Staatssekretär im BMI und Bundes-CIO, gerade diesen Aspekt der Studienergebnisse heraus. Für ihn gehe es nicht alleine darum, die gesetzlichen Verpflichtungen aus dem OZG bis Ende 2022 zu erfüllen, also 575 Verwaltungsleistungen digital zur Verfügung zu stellen. „Viel entscheidender für mich ist: Wie viele Menschen erreichen wir mit diesen Lösungen?“ Richter ist sich sicher: „Die 575 Leistungen werden Bund und Länder bis Ende 2022 weitestgehend schaffen.“ Doch die Unsicherheit bleibt, „ob es gelingt, diese Lösungen flächendeckend in jeder Kommune unseren Bürgerinnen und Bürgern anzubieten.“ Im Papier selbst heißt es auf Seite 45: „Eine fristgerechte Umsetzung und kommunale Bereitstellung der 575 Dienstleistungsbündel bis 2022 erscheint angesichts des aktuellen Umsetzungsstandes unrealistisch.“
Vom Online-Fachkongress am 17. und 18. März 2021 aus Dresden berichtet ein Mehrteiler im MittelstandsWiki: Teil 1 geht mit den Positionen von Ernst Bürger, Jan Pörksen und Dr. Markus Richter das Onlinezugangsgesetz von politischer Seite an. Der Folgebeitrag dreht sich um die konkrete OZG-Umsetzung in den Kommunen. Teil 3 berichtet schließlich von einzelnen Themenfeldern, auf denen bereits Erfolge zu verzeichnen sind.
Transparenz auf diesem Weg ist für Richter wichtig, sowohl über mittlere Zeitspannen hinweg, wie sie der Deutschland-Index der Digitalisierung abbildet, als auch mit Instrumenten zur aktuellen Situation. Als Beispiel nennt er das Dashboard zur OZG-Umsetzung, das zeigt, welche Verwaltungsdienstleistungen es heute schon digital gibt. Darum soll dieses Dashboard um zusätzliche Informationen erweitert werden: „Wir wollen das Dashboard dahingehend ausbauen, wo es diese Verwaltungsdienstleistungen in Deutschland auch gibt.“
Eduard Heilmayr war acht Jahre lang Chefredakteur bei „Markt & Technik“, anschließend dort im Verlagsmanagement tätig. 1992 gründete er die AWi Aktuelles Wissen Verlagsgesellschaft mbH in München, die IT-Fachmagazine wie „LANline“, „Windows NT“, „Unix Open“, „Inside OS/2“ und „Electronic Embedded Systeme“ publizierte. Nach dem Verkauf des Verlags gründete er 2004 Delphin Consult. Neben meist mehrjährigen Projektarbeiten für renommierte Medienunternehmen wie Heise oder techconsult publiziert Heilmayr für rund 4000 Leser regelmäßig den redaktionellen Newsletter „Kommunale ITK“, der im MittelstandsWiki eine eigene Rubrik hat.