Sicherer Online-Unterricht in Corona-Zeiten
Von Dipl.-Jur. Niklas Mühleis, LL.M., Heidrich Rechtsanwälte
Die aktuelle Corona-Pandemie stellt alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in Deutschland auf die Probe. Ganz vorne mit dabei sind die Schulen. In sämtlichen Bundesländern Deutschlands wurden vorerst die Schulen geschlossen. Die Frage, wann sie wieder geöffnet werden, kann derzeit niemand mit Bestimmtheit beantworten. Da bisher kein Bundesland digitale Ersatzstrukturen aufgebaut hat, greifen Lehrkräfte vielfach auf Unterrichtsaufgaben für zu Hause zurück und nehmen damit die Eltern in die Pflicht. Neben dieser unfreiwilligen Art des Homeschooling gibt es jedoch eine ganze Reihe von Möglichkeiten, den Unterricht zu Hause digital zu gestalten.
E-Learning
Den Schulunterricht für die Zeit der bundesweiten Schließungen über E-Learning-Portale abzuwickeln, liegt zunächst sehr nahe. Hierzu bieten sich Portale wie moodle an, die seit Jahren erprobt sind, wenig personenbezogene Daten erheben und zudem als sicher gelten. So wurde moodle den Schulen in Baden-Württemberg bereits explizit als Plattform durch das Kultusministerium empfohlen. Bei moodle gibt es die Möglichkeit, einen deutschen Serverstandort auszuwählen, sodass keine personenbezogenen Daten ins Ausland abfließen.
Über eine Anmeldung der Schülerinnen und Schüler bei moodle kann jedoch nicht jede Lehrkraft individuell entscheiden. Die Plattform sieht eine Anmeldung durch die entsprechende Schule vor. Darüber hinaus müssen die entsprechenden E-Learning-Unterrichtsinhalte erst einmal erstellt werden. Insbesondere Neueinsteiger dürften mit der Gestaltung einer kompletten Unterrichtsstunde über moodle zunächst einmal überfordert sein.
Für den Online-Unterricht gemacht: moodle ist bei vielen Schulen bereits im Einsatz. Über die Einführung muss das Direktorat entscheiden. (Bild: moodle.org)
Video-Chats
Was dem klassischen Unterricht im Klassenzimmer noch am nächsten kommen mag, sind Video-Chats: Die Schülerinnen und Schüler sitzen zu Hause vor der Webcam, die Lehrkraft ebenfalls und kann so den Unterricht „normal“ fortführen. Das Klassenzimmer wird sozusagen digital. Eines der bekanntesten Video-Chat-Tools ist Skype, das zum Microsoft-Konzern gehört. Nicht zu Unrecht ist es daher bereits von der Hamburger Datenschutzbehörde als Unterrichtstool kritisiert worden. Die Problematik ist, dass Skype zahlreiche personenbezogene Daten erhebt und sie mit bestehenden Daten abgleicht. Zudem gelten Skype-Telefonate nach wie vor nicht als abhörsicher.
Vielfach wird der Kritik an Skype entgegnet, dass die Schülerinnen und Schüler Skype bereits privat nutzen würden. Aus der Sicht von Datenschützern ist das ein Nichtargument. Die Datenschutzgrundverordnung schreibt in Art. 5 Abs. 1 lit c) EU-DSGVO den Grundsatz der Datenminimierung vor. Auch wenn eine Person einem Unternehmen freiwillig ihre personenbezogenen Daten anvertraut, dürfen dennoch nicht weitere Gelegenheiten zur Datenerhebung geschaffen werden.
Open Source: Jitsi hat sich vom einfachen Messenger zur voll ausgebauten Konferenzsoftware entwickelt. Apps gibt es für Android und Apple. (Bild: Jitsi)
Nach alledem kann von Skype als Unterrichtsportal nur abgeraten werden. Zumal es sowohl sicherere als auch datenschonendere Alternativen für Video-Chats gibt. So bietet sich derzeit das Tool Jitsi Meet an. Es erhebt mit den IP-Adressen ein Minimum an personenbezogenen Daten, und diese werden nur verschlüsselt übermittelt. Zudem ist es für die Privacy-Shield-Vereinbarung zertifiziert, womit auch die Datenübermittlung an die Mutterkonzerne in den USA zunächst keine rechtlichen Folgeprobleme mit sich bringt.
Ein eher praktisches Problem ist jedoch, dass diese Art des Unterrichts voraussetzt, dass jedes Kind über einen PC oder Laptop mit Webcam verfügt. Zudem ist für längere Video-Chats in der Klassengemeinschaft eine schnelle Internet-Verbindung notwendig. In vielen ländlichen Regionen mit schwacher Brandbreite sind solche Video-Chats daher leider kaum denkbar.
Audio und Video von der Learntec 2020
Bild: Matthias Tüxen – MittelstandsWiki
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Chat-Gruppen
Nach wie vor sind Chat-Gruppen ein extrem beliebtes Mittel zur Kommunikation zwischen Lehrern, der Klasse und den Eltern. Gerade zurzeit dürften diese Gruppen besonders intensiv zur Kommunikation und zur Aufgabenverteilung genutzt werden. Auf die Verwendung von Facebooks WhatsApp sollte dabei möglichst verzichtet werden. WhatsApp hatte in der Vergangenheit immer wieder mit Sicherheitslücken zu kämpfen und ist nicht DSGVO-konform. Dem Verweis auf die private WhatsApp-Nutzung durch die Schülerinnen und Schüler kann nur abermals mit dem Verweis auf den Grundsatz der Datenminimierung begegnet werden.
Welche sicheren Messenger-Alternativen es gibt, haben wir in einem ausführlichen Test dargestellt. Besonders empfehlenswert für die Kommunikation innerhalb der Klassengemeinschaft dürfte der Messenger Signal sein. Signal hat eine Benutzeroberfläche, die WhatsApp sehr ähnlich sieht, ist DSGVO-konform, verfügt über einen hohen Sicherheitsstandard und ist zudem kostenlos erhältlich.
Wer die Kommunikation über Chat-Gruppen im Allgemeinen scheut, kann immer noch auf die Versendung von Aufgaben über E-Mail zurückgreifen.
Der Messenger Signal ist Open Source, kostenfrei, Ende-zu-Ende-verschlüsselt und vor allem konsequent datensparsam. (Bild: Signal Messenger)
Eine Lehre für Kommunen
Ein Wechsel des kompletten Unterrichts auf digitale Kanäle von heute auf morgen ist mit Sicherheit nicht möglich, ein kompletter Unterrichtsausfall muss jedoch auch nicht stattfinden. Mit den vorgestellten Tools können Schulen und Lehrkräfte sich zumindest zeitweise behelfen. Dennoch müssen die Bundesländer, Kommunen und Schulen die derzeitige Situation zum Anlass nehmen und für den nächsten Ernstfall vorsorgen. Mit dem DigitalPakt Schule hat die Bundesregierung bereits seit Mai 2019 ein 5,55 Milliarden Euro schweres Paket zur Verfügung gestellt, mit dem das digitale Kassenzimmer finanziert werden kann. Hiervon wurden jedoch erst 116 Millionen Euro abgerufen. Es ist daher noch sichtbar Luft nach oben.
Dipl.-Jur. Niklas Mühleis, LL.M., ist bei der Heise-Kanzlei Heidrich Rechtsanwälte in Hannover tätig, spezialisiert auf IT- und IP-Recht sowie Fachautor, u.a. für c’t.
Heidrich Rechtsanwälte, Vahrenwalder Straße 255, 30179 Hannover, Tel.: 0511-37498150, muehleis@recht-im-internet.de, www.recht-im-internet.de