Es klingelt direkt im Servicecenter
Von Sabine Philipp
Wer eine Amtsauskunft benötigt, kann sich unter Umständen viel Zeit sparen – sofern die zuständige Behörde dem 115-Verbund angehört. Bereits ein kurzer Anruf kann wichtige Auskünfte ergeben, etwa die Adresse und die Öffnungszeiten des örtlichen Gewerbeamtes. Von der einheitlichen Behördenrufnummer sollen aber auch die Kommunen profitieren. Das gilt besonders in Zeiten knapper Budgets und dünner Personaldecken.
„Serviceanfragen, die immer wieder gestellt werden, werden gebündelt telefonisch beantwortet. Dadurch werden die Behörden seltener frequentiert“, erklärt Ministerialdirigent Dr. Georg Thiel, Stellvertretender Leiter der Abteilung O Verwaltungsmodernisierung, Verwaltungsorganisation im Bundesministerium des Innern. Verwaltungen sollen daher mit der 115 Zeit und Geld sparen.
Vorerst hat der 115-Verbund noch gewaltige Löcher. Aktuell nehmen rund 300 Kommunen, zwölf Länder und 88 Bundesbehörden an der Servicerufnummer 115 teil. Bund und Länder übernehmen etwa zur Hälfte den Aufwand für Hardware, Software und Manpower für die übergreifende Infrastruktur, sprich: den Netzbetrieb, das Wissensmanagement, die Informationsweiterleitung und die Personalausstattung in der im Bundesministerium des Innern ansässigen Geschäfts- und Koordinierungsstelle 115.
Servicecenter im Anteilsmodell
Den teilnehmenden Behörden stehen mehrere Wege offen: Sie können entweder ein eigenes Servicecenter aufbauen oder sie können lediglich Informationen für den 115-Wissenspool bereitstellen oder über eines der so genannten Multicenter angeschlossen werden. Die telefonischen Anfragen gehen in das 115- Servicecenter ein und Agenten beantworten die Anliegen – falls sie eine teilnehmende Behörde betreffen. Denn nur dann kann der Agent die Antworten im zentralen Wissenspool recherchieren oder den Anrufer an einen zuständigen Experten weiterleiten.
Dr. Georg Thiel ist promovierter Jurist und stellvertretender Abteilungsleiter Verwaltungsmodernisierung/Verwaltungsorganisation im Bundesministerium des Innern. In seinen Zuständigkeitsbereich fällt die im BMI angesiedelte Geschäfts- und Koordinierungsstelle 115; sie koordiniert die einzelnen Gremien (etwa die Arbeitsgruppen der einheitlichen Behördenrufnummer) und stellt die technische Infrastruktur bereit.
In der Praxis muss also keine Gemeinde ein solches Servicecenter selbst aus dem Boden stampfen. „Für kleine und mittelgroße Kommunen lohnt sich der Betrieb eines eigenen Servicecenters nicht“, sagt Dr. Thiel. „Dazu ist die Zahl der Anrufe zu gering.“ Darum gibt es für Behörden die Möglichkeit, sich an ein bereits bestehendes Servicecenter anzuschließen. Selbst die Großstadt Bonn habe sich an Köln angehängt. Die Geschäfts- und Koordinierungsstelle im Bundesministerium des Innern bietet interessierten Kommunen bei der Suche nach einem Kooperationspartner ihre Hilfe an.
Eine weitere Möglichkeit, Servicecenter-Partner zu finden, bietet sich auf regionalen Veranstaltungen, die in regelmäßigen Abständen stattfinden. Wenn Verwaltungen bei der 115 miteinander kooperieren, erfolgt die Kostenaufteilung dann intern.
„Für den Anschluss an den 115-Verbund benötigt man eigentlich nur einen Internet-Anschluss, um auf die Wissensdatenbank zugreifen zu können, und eine Telefonanlage“, erklärt Dr. Thiel. Moderne Telefonanlagen eröffnen dabei neue Möglichkeiten. So betreibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales z.B. ein 115-Gebärdentelefon, auf das gehörlose Anrufer geroutet werden können. Ein anderes Beispiel stammt aus dem Karneval: Da konnte die Stadt Oldenburg die Telefonate aus den rheinischen Fastnachtshochburgen übernehmen. Damit die Anrufer ihrem Einzugsbereich zugeordnet blieben, wurden die anonymen Standortinformationen des Anrufers ermittelt.
Infobausteine auf Abruf
Die Wissensdatenbank ist das eigentliche Herzstück der Servicerufnummer. „In der Datenbank sind alle Informationen gespeichert, die von den Agenten abgefragt werden können“, erläutert Dr. Thiel. „Sie kann unter anderem über den Webbrowser abgerufen oder über eine XML-basierte Webservice-Schnittstelle in schon lokal vorhandene Wissensmanagementsysteme eingebunden werden.“
Jede teilnehmende Kommune ist dazu verpflichtet, Informationen zu den 100 Top-Leistungen in standardisierten Formaten bereitzustellen. „Das sind Leistungen, die immer wieder abgefragt werden. Weitere Leistungen kommen im Laufe der Zeit sukzessive hinzu“, erklärt der Fachmann für Verwaltungsmodernisierung. Auch in diesem Punkt sind Behörden nicht auf sich allein gestellt, sondern können von Synergieeffekten profitieren. Dr. Thiel: „Zu zentralen Leistungen wie dem BAföG oder dem Elterngeld gibt es bereits Standardtexte, die so genannten Stammtexte. Diese können Kommunen anpassen und z.B. mit den Öffnungszeiten des örtlichen Gesundheitsamtes ergänzen. Eine zentrale Basis für die Informationen im 115-Wissenspool sind außerdem die Landesportale.“
Und wenn es noch keine Informationen gibt? „Dann können die Agenten ein Ticket aufgegeben. Die Information wird an die zuständige Behörde weitergeleitet, die innerhalb von 24 Stunden während der Arbeitszeiten entweder per Telefon, Fax oder E-Mail antwortet. Im Wissensmanagement wird der Baustein entsprechend ergänzt“, erklärt Dr. Thiel. Einen solchen Fall gab es z.B., als die Abwrackprämie aufkam oder auch bei der Hochwasserlage im Sommer 2013.
Standards im Tagesbetrieb
Die Anforderungen betreffen nicht nur die Leistungsberichte betrifft, für die es feste Vorgaben und Standards gibt, sondern auch die Servicecenter, die bestimmte Qualitätskriterien erfüllen müssen. „Das 115-Serviceversprechen sieht vor, dass 75 % der Anrufe innerhalb von 30 Sekunden angenommen werden und dass 65 % der Anrufe beim ersten Kontakt mit dem Servicecenter beantwortet werden. Die realen Werte liegen weit darüber“, berichtet Dr. Thiel.
Hilfe für die Kommunen bietet der Verbund auch bei der Schulung der Servicemitarbeiter, etwa in Fragen der Gesprächsführung. Hier verspricht er Unterstützung durch Schulungsunterlagen, Workshops, Checklisten und mehrfach qualitätsgesicherte Leitfäden. Daneben ist man auch bereit, Probeanrufe zu tätigen und sie auszuwerten. Und es besteht die Möglichkeit, bei anderen Servicecentern zu hospitieren.
Dr. Thiel hebt in diesem Zusammenhang die große Hilfsbereitschaft unter den Servicecentern hervor, die sich gegenseitig unterstützen. Für den Austausch der Verbundteilnehmer untereinander steht ein eigenes Intranet bereit. Einmal im Jahr findet außerdem eine Teilnehmerkonferenz statt. Darüber hinaus können sich die Teilnehmer in Arbeitsgruppen einbringen.
Fazit: Sofort geklärt ist am besten
Für die Zukunft hat die Koordinierungsstelle große Pläne. Man überlege bereits, so Dr. Thiel, wie die 115 künftig als Unterstützung in Krisen und Lagen eingesetzt werden könne. Schon jetzt können Bürger über die 115 in einigen Kommunen feste Behördentermine vereinbaren. Künftig sollen noch weitere Services in das 115-Angebot integriert werden. Auch einen mehrsprachigen Service will die Nummer in Zukunft bieten können. Ziel ist es zudem, die 115 künftig über alle gängigen Kommunikationskanäle erreichbar zu machen, so z.B. auch per E-Mail. Vor allem aber steht und fällt die 115-Idee mit der Teilnahme der Länder und Kommunen.
Denn „einheitlich“ und sinnvoll kann das System erst werden, wenn Bürger und Unternehmen nicht zuerst in der örtlichen Verwaltung anrufen müssen, um sich zu vergewissern, ob die 115 auch gilt. Bislang zeigt ein Blick auf die Karte, dass die Behördenrufnummer alles andere als flächendeckend im Einsatz ist.
Hinzu kommt, dass sich der Aufwand erst rechtfertigt, wenn die verfügbaren Informationen weiter gefasst sind und sich nicht auf Öffnungszeiten, Zuständigkeiten und andere Trivialitäten beschränken – solche Hinweise kann sogar eine statische Webseite geben. Wo sich Anrufer gar auf die behördliche Auskunftspflicht berufen, würde am einen Ende der Leitung eine verlässliche Form der Identifikation erforderlich sein, während am anderen Ende eine eingearbeitete Fachkraft den jeweiligen Vorgang parat haben müsste. Ein Callcenter im Outsourcing-Betrieb, das nur auf vorgefertigte Infobausteine zugreifen kann, kann das nicht leisten und dürfte für die meisten Fälle schlicht zu wenig sein. Sonst erfahren Bürger und Unternehmen die 115 als Serviceabfall und als zusätzliche bürokratische Hürde.