Personalakten verwahrt die Cloud
Von Frank Zscheile
Sie ist günstig, muss nicht installiert werden und erspart Unmengen an Papier: die digitale Personalakte in der Cloud. Dass es trotzdem nicht viele Organisationen sind, die ihre Personalpapiere bereits der Wolke anvertrauen, liegt wohl an der Vertrauensfrage: Sind die Dokumente wirklich vor unberechtigtem Zugriff geschützt? Die folgenden Beispiele zeigen Unternehmen, die den Schritt gewagt haben.
In Personalbüros öffentlicher Verwaltungen in Deutschland ist die KIDICAP-Produktreihe der GIP GmbH ein verbreitetes System. Deren Abrechnungsmodul bearbeitet derzeit 2,4 Mio. Personalfälle bundesweit. Für jeden davon generiert die Software monatlich zwischen 100 und 300 Seiten: Gehaltsmitteilungen und Reisekostenabrechnungen, DEÜV-Meldungen und Bescheinigungen für Sozialversicherungsträger, Arbeitsverträge, Zeugnisse usw.
Normalerweise nutzen die Kommunen die Software allerdings ausgelagert an Rechenzentren. Das bedeutet: Deren Betreiber müssen permanent Berge an Papier ausdrucken, pro Arbeitgeber oder Abrechnungskreis in große Stapel zusammenfassen und per Kurier an die Arbeitgeber verschicken, die sie ihrerseits archivieren bzw. an ihre Beschäftigten sowie die Sozialversicherungsträger weitergeben.
Vom Outsourcing zum Cloud-Betrieb
Wenn Unternehmen oder Behörden ihre Anwendungen an Rechenzentren auslagern, arbeiten sie noch nicht automatisch webbasiert. Auch bei den bisherigen GIP-Systemen benötigte der Nutzer stets eine gesonderte Anwendung auf dem eigenen Rechner, die eine Verbindung zum Rechenzentrum aufbaut. Der eigentliche Schritt zum Cloud-Dienst ist damit also noch nicht getan. SaaS (Software as a Service) heißt schließlich, dass die Anwender die Programme nur noch über den Webbrowser bedienen.
Seit 2011 gibt es daher eine so genannte Digitale Vergütungsakte. Über sie kann das Rechenzentrum seinen Kunden Personaldokumente direkt nach der Abrechnung per einfachem Webzugriff zur Verfügung stellen. Das Bistum Eichstätt gehörte zu den ersten Nutzern dieses Online-Services. Technische Basis der Web-Akte sind Softwarekomponenten des Platform-as-a-Service-Spezialisten StoneOne AG aus Berlin. Patrick Jehle, Produktmanager HCM Software bei der GIP GmbH, sagt: „Wir realisieren damit u.a. den Aufbau filigraner Strukturen für Benutzer-, Rechte- und Rollenverwaltung in der Akte.“
Von Gemeinden für Gemeinden
Das System KIDICAP offenbart bei genauerem Hinsehen seine Ursprünge in der Kirchenverwaltung: Das Kürzel ist aus Kirche, Diakonie, Caritas und Personalabrechnung zusammengesetzt. Für die Pflege und weitere Entwicklung ist die Gesellschaft für innovative Personalwirtschaftssysteme (GIP) verantwortlich, an der wiederum die katholischen Rechenzentren Eichstätt und Osnabrück (10 %), Vertreter von Bund/Ländern und Kommunen (10 %) sowie die Evangelische Kirche in Deutschland und die evangelischen Rechenzentren (70 %) beteiligt sind. Was vor rund 30 Jahren als reine Abrechnungssoftware startete, ist nun mit der digitalen Personalakte in der Cloud angekommen. Bei StoneOne gibt es dazu ein eingehend dargestelltes Fallbeispiel als PDF zum Herunterladen.
Die Verfügungsakte für Abrechnungen war für GIP nur der erste Schritt in Richtung Web. Inzwischen hat der Softwarehersteller weitere Module wie die Reisekostenabrechnung von der bisherigen Rechenzentrumsanwendung auf eine moderne webbasierende Plattform übertragen. Durch den einfachen Zugriff per Browser können Behörden und Organisationen komfortabler mit ihrem Personalverwaltungssystem arbeiten. Sie benötigen nur noch einen Internet-Zugang und können die Dokumente bei Bedarf im eigenen Haus ausdrucken.
Ohne Papier, online genügt
Die Stadtwerke Cottbus haben auf elektronische Akten im Personal- und Kundenbereich umgestellt, um sich von den Nachteilen papierbasierter Arbeit zu befreien. Im Personalbereich hat man dabei auf Kauf und Installation eines eigenen Systems verzichtet und nutzt stattdessen eine Cloud-Lösung, die elektronische Personalakte der forcont business technology gmbh. Wolfgang Will, Leiter Shared Services der Stadtwerke Cottbus, erklärt:
- „Weder aus der Perspektive der Administration noch unter Berücksichtigung des Budgets fanden wir es sinnvoll, die digitale Personalakte über ein klassisches Lizenzmodell zu realisieren. Indem wir die Software jetzt in einer Public Cloud nutzen, erhalten wir die Anwendung flexibel über eine monatlich bedarfsbezogene Abrechnung, ohne dabei unsere eigene IT-Abteilung zu belasten.“
Das Cloud-Modell bietet den Vorteil, so Will, dass man die Personalaktensoftware nicht manuell installieren und aufwendig anpassen muss. Sie steht vielmehr innerhalb von Minuten automatisiert aus der Cloud bereit. Infrastrukturgeber der Stadtwerke ist das neue IBM-Rechenzentrum Ehningen.
In einem BITKOM-Video auf YouTube erklärt Wolfgang Will gut und klar, was die Stadtwerke Cottbus von der Personalakte in der Cloud haben. Interessant wird es v.a. nach der Situationsskizze ab Minute 9:39 – dann geht es konkret um Kosten, Effizienz, Datenschutz und Zugriffsrechte sowie um die Implementierung in Rekordzeit: gerade einmal vier Wochen, vom Start bis zur Produktivsetzung.
Die Web-Oberfläche stellt die Informationen und Dokumente zu jedem Beschäftigten übersichtlich dar. Innerhalb einer Akte lassen sich sämtliche Personaldaten speichern und verwalten: von Bewerbungen und Verträgen über Urlaubstage und Krankmeldungen bis hin zu Weiterbildungsnachweisen. Zudem sind die Akten für die Suche indiziert und hinsichtlich der Zugriffsberechtigung gesichert.
Rundum haben sich damit die Personalprozesse für den Energieversorger vereinfacht und beschleunigt. „Der Schritt in die Cloud hat sich für uns nicht nur aus Kostensicht gelohnt, sondern auch was die Qualität unseres Personalmanagements betrifft“, sagt der IT-Fachmann Will. „Ich behaupte auch, dass die Lösung, die hier bereitgestellt ist, sicherer ist, als das, was ich bei mir im Unternehmen habe.“ Der erfolgreiche Umstieg fand sich schließlich gewürdigt: Im Herbst 2011 erhielt das Projekt den Computerwoche-Award „Best in Cloud“ in der Kategorie „SaaS – Public Cloud“.
Weniger Kosten, mehr Sicherheit
Zu den bekanntesten deutschen Anbietern digitaler Personalaktensysteme gehört die aconso AG, die gleichfalls in die Wolke drängt. Die Personalakte wird in diesem Konzept auf einem zentralen Serversystem im Rechenzentrum betrieben. Der Kunde muss sich weder um die Installation der Technik noch um die Software kümmern. Die Zugriffsrechte sind genau geregelt, und eine Verschlüsselung gewährleistet die sichere Übertragung der Daten und Dokumente. 30 % der Kosten im Bereich des Aktenhandlings sollen sich auf diese Weise einsparen lassen. Auf den Datenschutz und die Sicherheit von HR-Daten und -Dokumenten in der Cloud angesprochen, sagt aconso-Vorstand Olaf Harms:
- „Diese Frage ist schnell beantwortet. Kaum eine IT-Abteilung mittelständischer Unternehmen ist heute in der Lage, eine derart hohe Verfügbarkeit, Zugriffs- und Datensicherheit auf sensible Informationen anzubieten, wie dies professionelle Rechenzentrumsbetreiber können.“
Mit Telefónica o2 Germany kann aconso einen prominenten Anwender seiner Lösung vorzeigen. 5000 digitale Akten der aktiven und mehr als 11.500 inaktiver Mitarbeiter verwaltet der Telekommunikationsanbieter mit dem System; gespeichert sind sie im Rechenzentrum des Dienstleisters TDS HR Services & Solutions.
Fazit: Mischformen sind möglich
Dennoch gibt es nach wie vor Personalabteilungen, die aus datenschutz-, gesetzlichen oder betrieblichen Gründen nach Lösungen verlangen, die im Unternehmen selbst implementiert sind. Dieses Dilemma will jetzt OpenText lösen, ein NASDAQ-gelisteter US-Hersteller von Systemen für die Dokumentenverwaltung oder, in eigenen Worten, „Enterprise Information Management“. Anfang April 2013 hat OpenText eine neue Version seines Employee File Managements für SAP vorgestellt. Diese digitale Personalakte lässt sich über einen Konnektor auch in hybriden Cloud-Umgebungen nutzen. Das bedeutet: Sämtliche Akteninhalte sind im OpenText-System beim Kunden im Haus abgelegt. Über Cloud-Technologie des Partners SuccessFactors können sie aber von außen eingesehen werden, system- und ortsunabhängig.
Wie das System auf dem Markt ankommt, muss sich erst noch zeigen. Im Frühjahr 2013 ist OpenText damit erstmals auf verschiedenen internationalen Fachmessen aufgetreten.