Die Datenstrategie des Deutschen Städtetags
Von David Schahinian
Es gibt nicht viele Verbände in Deutschland, die von sich behaupten können, dass sie für die Interessen von rund 51 Millionen der 82 Millionen Menschen im Land einstehen. Der Deutsche Städtetag als kommunaler Spitzenverband und Vertreter der kreisfreien sowie der meisten kreisangehörigen Städte gehört dazu. Er nimmt deren Interessen gegenüber den politischen Institutionen der Bundesrepublik, der EU sowie zahlreichen Organisationen wahr. Eine weitere Kernaufgabe des Städtetags ist die Beratung und Information über alle kommunal bedeutsamen Vorgänge und Entwicklungen. Die digitale Transformation zählt zweifelsohne dazu.
„Der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologie ist für die Städte in Deutschland in zweierlei Hinsicht von elementarer Bedeutung“, sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Zum einen gehe es darum, den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch Unternehmen und Betrieben Verwaltungsleistungen online anzubieten: „Das gehört heute zum selbstverständlichen Standard guter Dienstleistung.“ Zum anderen benötige die Kommunalverwaltung moderne Informations- und Kommunikationstechnologie, um die eigenen internen Verwaltungsabläufe effizient und kostensparend zu organisieren.
Konkret unterstützt der Spitzenverband seine Mitgliedsstädte bei der IKT-Einführung, -Nutzung und -Optimierung. Dies geschieht unter anderem durch Beratungsleistungen aller Art, durch die Organisation von Erfahrungsaustausch unter Experten oder durch Fachveranstaltungen und schriftliche Empfehlungen. „Alle diese Instrumente kamen beispielsweise zum Einsatz bei den Bemühungen der kommunalen Spitzenverbände, die IT-Sicherheit in den Kommunalverwaltungen zu verbessern, denn auch Kommunen sind zum Ziel von Cyberangriffen geworden“, hebt Dedy hervor.
Ringen um die beste Lösung
Wie wichtig eine gemeinsame Interessenvertretung der Städte ist, könnte sich auch bei der künftigen Nutzung von Geodaten zeigen. Sie gelten als ein großer Treiber von Wachstum und Innovation. Bereits 2015 veröffentlichte der Deutsche Städtetag ein Positionspapier zu diesem Thema. Darin heißt es unter anderem, dass für den Verband ein umfassendes kommunales Geodatenmanagement als eine „wegweisende und zukunftsorientierte Infrastrukturmaßnahme für eine nachhaltige Stadtentwicklung zu unterstützen“ sei. An anderer Stelle wird dort allerdings auch betont, dass „sowohl finanzielle Refinanzierungszwänge bei kommunalen Stellen sowie rechtliche Gebührenvorgaben für Geo(basis)daten einer grundsätzlichen Open-Data-Philosophie entgegenstehen“. So gebe es beispielsweise belastbare Aussagen von Wirtschaftsverbänden, dass Unternehmen unter transparenten Nutzungsbedingungen bereit sind, für verlässliche, aktuelle und nachhaltige Geodaten der Verwaltungen zu zahlen.
Hier wird es spannend sein, zu sehen, wie sich der Städtetag mit oder gegenüber dem Bund weiter positioniert. Denn die Bundesregierung hat am 25. Januar 2017 das sogenannte Open-Data-Gesetz vorgelegt, das die unentgeltliche Veröffentlichung von öffentlich finanzierten Daten der Bundesbehörden zum Regelfall macht. Vitako, die Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister, sieht dadurch zwar keine unmittelbaren Auswirkungen auf Kommunen und ihre IT-Dienstleister entstehen. Der Verband erwartet jedoch eine „Signalwirkung“ des Bundesgesetzes für die Länder und Kommunen.
Teil 1 gibt einen ersten Überblick über Aufgaben von Deutschem Städtetag, Deutschem Städte- und Gemeindebund und Deutschem Landkreistag. Teil 2 konzentriert sich zuerst auf die ITK-Positionen und Datenstrategien des Deutschen Städtetags. Teil 3 klopft beim Deutschen Landkreistag an und erläutert dortigen Vorstellungen von Verwaltungsmodernisierung.
Pluralismus statt Zentralismus
Open Data ist lediglich ein Beispiel dafür, dass die Potenziale der Digitalisierung nur gemeinsam zu heben sein werden. Ein Konsens mit den Ländern und dem Bund scheint aber nicht immer einfach zu sein. „Die Kommunen können moderne Informations- und Kommunikationstechnologie für die Bürgerinnen und Bürger nicht auf sich allein gestellt weiterentwickeln“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. „Hier sind sie auf die Unterstützung durch Bund und Länder angewiesen, die ihnen in den vergangenen Jahren leider nicht in ausreichendem Maße zuteilgeworden ist.“
Gegenwärtig sei in dieser Hinsicht ein Umdenken zu beobachten, allerdings eher in der gegenteiligen Richtung: „In der Bundesregierung gibt es eine starke Tendenz, bundesweit einzelne zentrale IT-Lösungen zu favorisieren“, so Dedy weiter. „Was wir für die Kommunen im Land brauchen, ist etwas anderes: einen Wettbewerb durchaus unterschiedlicher Lösungen, die die Kommunen ohne großen Aufwand in ihre Online-Angebote einbauen können, medienbruchfrei untereinander vernetzt, mit einem größtmöglichen Nutzerkomfort für die Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen und Betriebe.“ Noch habe man die Hoffnung, dass sich dieses offene und plurale Modell durchsetzen wird.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Reihe „Kommunale ITK“ zur CeBIT 2017. Einen Überblick mit freien Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Gemeinsame Projekte der Spitzenverbände
Dass sich der Deutsche Städtetag mit dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund in der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände zusammengeschlossen hat, verleiht den Anliegen der Städte noch mehr Stimmkraft. Von einer möglichen Konkurrenz kann keine Rede sein, im Gegenteil: „Im Bemühen, den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologie flächendeckend weiterzuentwickeln, ziehen die drei kommunalen Spitzenverbände seit Langem an einem Strang“, betont Dedy.
Als jüngstes Beispiel nennt er eine Kooperation in Nordrhein-Westfalen, wo die drei Verbände gemeinsam eine online-gestützte Informations- und Kooperationsplattform zur Förderung interkommunaler Zusammenarbeit aus der Taufe gehoben haben. Auf interkommunales.nrw können sich Kommunen austauschen und gegenseitig unterstützen. Eine breite Datenbasis mit Mustersatzungen und -verträgen, Checklisten und einer Übersicht über relevante Gesetze und Verordnungen flankiert das Angebot.
- Teil 3 dieser Serie sieht sich die ITK-strategische Austrichtung des Deutschen Städte- und Gemeindebunds genauer an.
David Schahinian arbeitet als freier Journalist für Tageszeitungen, Fachverlage, Verbände und Unternehmen. Nach Banklehre und Studium der Germanistik und Anglistik war er zunächst in der Software-Branche und der Medienanalyse tätig. Seit 2010 ist er Freiberufler und schätzt daran besonders, Themen unvoreingenommen, en détail und aus verschiedenen Blickwinkeln ergründen zu können. Schwerpunkte im IT-Bereich sind Personalthemen und Zukunftstechnologien.