Mängel ab 5 % berechtigen zum Rücktritt
Von Sabine Wagner
§ 323 BGB regelt den Rücktritt von einem gegenseitigen Vertrag bei nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung. Gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist ein solcher Rücktritt aber ausgeschlossen, „wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist“. Bei der Frage, was als „unerheblich“ zu gelten habe, vertraten Rechtsprechung und Literatur bislang die Auffassung, dass die Erheblichkeitsschwelle etwa bei 10 % des Kaufpreises liege. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs hat diese Hürde deutlich gesenkt.
Nach allen Umständen im Einzelfall
Mit seinem Urteil vom 28. Mai 2014, Az. VIII ZR 94/13 vertritt der Bundesgerichtshof die Auffassung, dass die Frage, ob eine Pflichtverletzung unerheblich sei, sich nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls beantworten lasse. Der BGH bejaht die Erheblichkeit in der Regel bereits dann, wenn der Aufwand der Mangelbeseitigung einen Betrag von 5 % des Kaufpreises überschreitet. Eine höhere Schwelle als 5 % erachtet der BGH weder mit dem Willen des Gesetzgebers noch mit der Systematik der Rechte des Käufers für vereinbar.
Die niedrige Erheblichkeitsschwelle befindet sich zudem im Einklang mit den Vorgaben der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Eine höhere Schwelle als 5 % ist nach Auffassung des BGH deshalb nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt.
Einparkhilfe entspricht 6 % des Neuwagens
Dem Urteil des BGH lag folgender Fall zugrunde:
- Der Käufer eines Neufahrzeuges machte beim Verkäufer, einem Autohaus, u.a. wiederholt Mängel an der Einparkhilfe geltend. Nach dem letzten Reparaturversuch teilte das Autohaus mit, dass die Einparkhilfe nun einwandfrei funktioniere. Der Käufer trat daraufhin vom Kaufvertrag zurück und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises. Das eingeholte gerichtliche Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Einparkhilfe weiterhin mangelhaft ist und die Kosten für die Beseitigung des Mangels bei 6 % des Kaufpreises liegen.
Im Gegensatz zu den Vorinstanzen, welche die Klage aus der bisherigen Rechtsprechung heraus jeweils abwiesen, erklärte der BGH den Rücktritt vom Vertrag für rechtmäßig, sodass der Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung an den Kläger zu zahlen ist.
Fazit: Erst nach erfolgloser Mängelbeseitigung
Ein Rücktritt vom Vertrag ist für Verkäufer in der Regel nicht attraktiv, da die Nutzungsentschädigung nicht immer dem tatsächlichen Wertverlust entspricht. Insofern hat dieses Urteil für Verkäufer erhebliche Konsequenzen, da es dem Käufer wesentlich früher die Möglichkeit eröffnet, vom Vertrag zurückzutreten.
Dabei gelten weiterhin als Voraussetzungen für einen Rücktritt:
- Der Käufer hat eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt.
- Die Mängelbeseitigung ist fehlgeschlagen (in der Regel nach dem zweiten Versuch).