Kalifornien rechnet schon auf Reserve
Von Ariane Rüdiger
Der US-Markt ist für Anbieter von Rechenzentrumstechnologien wegen seiner schieren Größe verheißungsvoll: Rund 3 Mio. Rechenzentren aller Größenordnungen soll es dort geben. Und der Markt wächst weiter, nach Daten von JLL Research derzeit jährlich um 32 %. 2017 soll er ein Volumen von etwa 36 Mrd. US$ haben. Der Markt für Rechenzentrumsbau soll auf 18 Mrd. US$ wachsen. Auch der Markt für energieeffiziente Rechenzentren legt mit 29 % jährlich stark zu und soll nach Daten der Fast Company, die allerdings aus dem Jahr 2010 stammen, bis 2015 das Volumen von 13,81 Mrd. US$ erreichen. Weltweit stehen rund 43 % der Kollokationsflächen in Nordamerika. Die Zahl der Beschäftigten im US-RZ-Markt soll zwischen 2014 und 2019 nach Daten von JLL Research um 17 % auf dann knapp 600.000 Beschäftigte steigen.
Eine aktuelle Analyse der Deutsch-Amerikanischen Handelskammern beschäftigt sich nun damit, wie die Gegebenheiten auf dem US-Rechenzentrumsmarkt im Detail aussehen und welche Chancen oder Risiken sich dadurch für deutsche Anbieter von Effizienztechniken für Rechenzentren eröffnen. Das kommt nicht von ungefähr: Die USA gehören seit jeher zu den wichtigsten Handelspartnern Deutschlands. 3500 deutsche Unternehmen sind laut der Studie dort aktiv und beschäftigen rund 580.000 Mitarbeiter. Deutschland ist der viertgrößte Investor in den USA und importierte 2014 Waren im Wert von rund 48 Mrd. US$ aus den USA. In die USA wurden Waren im Wert von rund 95 Mrd. Euro exportiert. 2013 lag das Exportvolumen noch bei 83,66 Mrd. US$.
Land der unbegrenzten Vorschriften
Trotzdem hat der US-Markt auch einige Schlaglöcher für deutsche Importeure. Für Technik etwa gilt eine verwirrende Vielfalt an Standards. Beim ANSI (American National Standards Institute) sind über 250 Standardentwicklungsorganisationen akkreditiert. Es gibt neben nationalen auch staatliche Gesetze und lokale Regulierungen. International anerkannte Standards von ISO und IEC konkurrieren mit 800 weiteren Standards teilweise zu denselben Themen. Dazu kommen in manchen Bereichen Verpflichtungen, lokal zu kaufen. Sie gelten beispielsweise für Stahl, der ja in der Regel beim Rechenzentrumsbau benötigt wird. Dazu können gegebenenfalls Zölle kommen. Zudem legen, so die Studie, US-Kunden mehr Wert auf Präsentation und einfache Nutzbarkeit als aufs technische Detail. Wer das nicht berücksichtigt, kann schnell Schiffbruch erleiden. Wegen der schieren geografischen Größe des Marktes ist es zudem gerade kleineren und mittleren Unternehmen anzuraten, mit lokalen Partnern zu arbeiten.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazinreihe „Rechenzentren und Infrastruktur“. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Der jährliche Energieverbrauch der USA betrug 2014 2,3 Mrd. t Öläquivalente. Erneuerbare Energien machen derzeit nur einen Anteil von 13 % aus, wobei über die Hälfte aus Wasserkraft stammt. Hemmend für Effizienztechniken wirken sich die in den USA durch die Förderung unkonventioneller Schiefergasvorräte steigenden Fördermengen fossiler Energieträger und die äußerst geringen, tendenziell weiter fallenden Energiepreise aus. Sie verlängern die Amortisationsperiode für Effizienzprodukte erheblich oder machen sie gar ganz unattraktiv.
Stromrechnung über 13,7 Mrd. US$
2 % der elektrischen Energie wurden von Rechenzentren aufgenommen, die Hälfte davon von kleinen und mittleren Rechenzentren. Der Strombedarf von US-Rechenzentren soll 2020 laut einer Studie des NRDC (National Resource Defense Council) aus dem Jahr 2014 bei 139 Mio. MWh liegen. 26 1-GW-Kraftwerke wären erforderlich, um diesen Strombedarf zu decken. Die daraus resultierende Stromrechnung betrüge 13,7 Mrd. US$. Das sind 52,2 % mehr Kosten als 2013. Die Strompreise für die Industrie lagen im Durchschnitt 2014 bei 7,1 US-Cent pro Kilowattstunde und dürften moderat steigen.
Das NRDC nennt folgende Gründe für den hohen Stromverbrauch und seinen Anstieg:
- Rund 20 bis 30 % der Server sind veraltet oder werden nicht mehr genutzt, bleiben aber trotzdem am Strom,
- temporär ungenutzte Server werden nicht heruntergefahren, sondern bleiben eingeschaltet,
- Systeme werden für Spitzenlasten und höchste Verfügbarkeitsanforderungen dimensioniert und Virtualisierungslösungen sind noch längst nicht so verbreitet, wie man annehmen dürfte. (Daten von IDC und Gartner aus dem Jahr 2014 gehen z.B. davon aus, dass weltweit erst auf 30 % der neu installierten physikalischen Server eine Virtualisierungstechnik läuft, die den Betrieb virtueller Maschinen oder Container gestattet.)
Stromverbrauch der US-Rechenzentren 2013 und 2020* | ||||
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Jahr | Endverbrauch der Energie (in Mrd. kWh) | Stromrechnung (in Mrd. US$) | Kraftwerke (500 MW) | CO₂ (in Mio. t) |
2013 | 91 | 9 | 34 | 97 |
2020 | 139 | 13,7 | 51 | 147 |
Anstieg | 52,70 % | 52,20 % | 50 % | 51,50 % |
* Prognose (Quelle: Deutsch-amerikanische Handelskammer/Computerworld)
Ökoquoten und neue Standards
Große Rechenzentrumsbetreiber beginnen inzwischen, sich der staatlichen Fördermöglichkeiten für erneuerbare Energien in den USA zu bedienen. Davon gibt es vor allem zwei: RPS (Renewable Portfolio Standards) legen fest, welcher Anteil erneuerbarer Energien sich im Strommix eines Providers befinden muss. Dieser wird proportional erhöht. US-Bundesstaaten haben jeweils eigene RPS-Bestimmungen. Mit Renewable Electricity Certificates (REC), dem zweiten Fördermechanismus, können Betreiber von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie die Menge an Energie, die den durch RPS festgelegten Mindestanteil für erneuerbare Energien übersteigt, in Form von Zertifikaten an andere Stromversorger verkaufen, damit diese ihre Quoten einhalten.
Rechenzentrumsbetreiber wie Yahoo beteiligen sich mittlerweile selbst am Bau von Wind- oder Solaranlagen oder kooperieren direkt mit Stromerzeugern, um von diesen Mechanismen zu profitieren, ihr Umweltimage zu verbessern und sich von den Unwägbarkeiten fossiler Energieversorgung unabhängig zu machen. Die wichtigsten Gebäudestandards für den Bau von Rechenzentren sind die ASHREA-Richtlinien für Datenverarbeitungsumgebungen, die Zulufttemperaturen zwischen 18 und 27° C und Luftfeuchtigkeiten zwischen 60 und 80 % vorschreiben. Sie unterscheiden zudem zwischen sechs Klassen von IT-Umgebungen, wobei die Klasen A1 bis A4 Rechenzentren betreffen.
Der noch in Arbeit befindliche ASHREA-Standardentwurf 90.4P macht Vorgaben für den Energiegebrauch in Rechenzentren mit Schwerpunkt auf Konstruktion, Planung, Betrieb, Wartung und erneuerbarer Energie. Außerdem gelten in den USA die ISO-Standards 50001:2011 sowie 14001:2004. Ersterer fordert Richtlinien für die Energienutzung, datenbasierende Energieverbrauchsprognose und Effizienzverbesserung und den Einkauf energiesparsamen Equipments. Letzterer dient dem Vermeiden negativer Umwelteinwirkungen, unter anderem durch entsprechende Kontroll- und Managementsysteme.
Auch Rechenzentren können seit 2012 nach dem Umweltgebäudestandard LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) for Data Centres Existing Buildings: Operations & Maintenance zertifiziert werden, wovon einige Firmen wie Apple, VMware oder Digital Realty bereits Gebrauch gemacht haben. Zertifizierte Rechenzentren nutzen energiesparsame Kühlsysteme hohen Wirkungsgrads, sauberen Notstrom, verbrauchen weniger Energie und verwenden erneuerbare Energien. Sind die Server eines Rechenzentrums Energy-Star-zertifiziert, können sich das Rechenzentrum und das Gebäude, in dem sich das Rechenzentrum befindet, mit dem Energy-Star-Logo schmücken, was beispielsweise Equinix tut.
Effizienzförderung in den USA
Zudem zielen in den Vereinigten Staaten diverse öffentliche Förderprogramme und Initiativen darauf, die Effizienz von RZ zu erhöhen:
- Die Better Buildings Data Center Accelerator Initiative bietet zusammen mit dem Energieministerium der USA (DOE, Department of Energy) ein Programm an, bei dem sich die RZ-Betreiber verpflichten, den Energieverbrauch mindestens eines ihrer Rechenzentren um 5 % innerhalb von fünf Jahren zu verringern und die Verbrauchsdaten regelmäßig zu veröffentlichen.
- Das National Data Center Energy Efficiency Information Program des US-amerikanischen Bundesumweltamts EPA (Environmental Protection Agency) und des DOE koordiniert diverse mit der Energieeffizienz von RZ befasste Initiativen und Verbände, unter anderem The Green Grid oder Uptime Institute. Es hilft, einheitliche Messprotokolle für RZ und Verbesserungsmöglichkeiten hinsichtlich der Energieeffizienz zu entwickeln. Des Weiteren zertifiziert das Programm Experten, verleiht Best-in-Class-Awards an besonders effiziente Rechenzentren und führt Effizienzlogos für IT-Equipment ein.
- Das DOE hat zudem eine Online-Tool-Suite zum Steigern der RZ-Effizienz entwickelt und führt eine Umfrage hinsichtlich der Energieeigenschaften von Rechenzentren durch. Im Rahmen einer US-weiten Initiative zur Verringerung der Abhängigkeit von Erdölexporten steckt das DOE rund 47 Mio. US$ in RZ-Effizienzprojekte. Dazu kommen Bestrebungen des privaten Sektors, z.B. die Open-Compute-Intitative oder Gelder, die etwa Microsoft an RZ-Effizienz-bezogene Forschungsprojekte vergibt. Auch einige Energieversorger bieten spezielle Incentive-Programme für Effizienzmaßnahmen von Rechenzentrumsprovidern an.
Kalifornien kämpft gegen den Kollaps
Kalifornien mit seinen mehr als 800, oft sehr großen Rechenzentren und seiner Agglomeration der IT-Industrie in San Francisco, Silicon Valley und Los Angeles, geht noch einige Schritte weiter. Das ist auch dringend anzuraten, da Rechenzentren in der Dürreregion im südlichen Kalifornien zunehmend wegen ihres hohen Energie- respektive Wasserverbrauchs ins Gerede geraten. Gleichzeitig sind sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: So gibt es im Silicon Valley insgesamt 3,6 Mio. Quadratmeilen RZ-Fläche, von denen 2014 nur 73.000 frei zur Verfügung standen. Nachgefragt werden diese Flächen primär vom (elektronischen) Handel, von Technologiefirmen und Finanzdienstleistern (jeweils 20 %). Zum Senken des RZ-Energiebedarfs dienen insbesondere veränderte, seit 2014 gültige Bauregeln (Title 24 der Building Codes). Sie schreiben die Installation von Economizern in kleinen Serverräumen und die Nutzung adiabatischer Befeuchtungssysteme vor, begrenzen den Einsatz von Lüftersystemen in Computerräumen und fordern volumenstromvariable Klimaanlagen und Expansionssysteme für Rechenzentren.
Der Energieversorger Southern California Edison vergütet für die Reduktion von Verarbeitungslasten 8 US-Cent pro Kilowattstunde. Dazu kommen diverse lokale oder regionale mit finanziellen Anreizen ausgestattete Effizienzprogramme, die auch für Data-Center-Betreiber sinnvoll sind.
Kontaktanbahnung für Exporteure
Aus alledem ergibt sich nach Meinung der Exportinitiative Energieeffizienz ein sehr gutes Chancen-Risikoverhältnis für innovative deutsche Anbieter von effizienten Strominfrastrukturlösungen, Klimatisierungssystemen, Produkten für das Luftstrommanagement und Systemen, die IT an sich effizienter machen. Deshalb hat die Berliner Agentur Energiewächter im Auftrag der Exportinitiative Anfang November 2015 eine erste, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Umwelt subventionierte Reise ins Silicon Valley organisiert. Zielgruppe waren Vertreter innovativer kleiner und mittlerer Unternehmen, die ihre Energieeffizienzprodukte für Rechenzentren in den US-Markt einführen möchten. Weitere Vorstöße in diese Richtung sind bereits geplant.