Professor Feierabend
Von Mehmet Toprak
Es gab Zeiten, in denen das Fernstudium kein gutes Image hatte. Es galt als Notnagel für gescheiterte Studenten, die sich zu Hause zwischen Aktendeckeln vergruben und mit der Briefpost zugeschickte Unterlagen paukten, um irgendwie noch einen Studienabschluss zu schaffen. Diese Zeiten sind vorbei. Im Zuge des Megatrends zur beruflichen Weiterbildung ist auch das Fernstudium cool geworden. Nach einer Schätzung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) haben 2018 insgesamt 28,1 Millionen Menschen eine Weiterbildung absolviert. Besonders ein berufsbegleitendes Studium hat das Zeug zum Karriereturbo. Auch Personaler wissen das zu schätzen.
Womit bereits die ersten zwei Fragen beantwortet wären. Ja, ein berufsbegleitendes Fernstudium ist ein vollwertiges Studium; schließlich erwirbt man einen akademischen Abschluss, zum Beispiel als Master. Und ja, wer während des Jobs zusätzlich ein Studium absolviert, den betrachten Human Resources mit Wohlgefallen. Denn er hat Skills wie gutes Zeitmanagement, Durchhaltevermögen, Ehrgeiz und Disziplin bewiesen. Wer neben dem Job noch einen Studienabschluss hingelegt hat, beispielsweise als Bachelor oder Master of Science, der hat Aussichten auf eine Beförderung und erweitert seine beruflichen Optionen.
Damit ist auch gleich eine dritte Frage beantwortet: Ja, ein berufsbegleitendes Studium ist ein anstrengendes Unterfangen. Man bürdet sich damit eine Doppelbelastung auf. Im Job jeden Tag funktionieren und gleichzeitig noch ein Studium stemmen, das ist eine echte Herausforderung – die von vielen noch unterschätzt wird, wie der Buchautor und Bildungsexperte Milan Klesper erklärt: „Viele denken, dass man ein Fernstudium mit ein paar Stunden gemütlichen Lernens pro Woche locker in wenigen Monaten durchziehen kann.“ Ein unter Umständen fataler Irrtum.
Das Fernstudium wird immer wichtiger
Milan Klesper ist Studienberater, Buchautor und Gründer spezialisierter Webseiten rund ums Thema Studium. Er erklärt, was hinter dem Trend zum Fernstudium steckt, was der häufigste Fehler der Teilnehmer ist – und welche Folgen die Corona-Krise für die Weiterbildung hat.
Wie hat sich die Nachfrage nach Fernstudium aus Ihrer Sicht in den letzten zwei Jahren entwickelt?
Sie ist stark gestiegen. Dank guter Konjunktur haben viele Berufstätige Geld übrig, um sich ein Fernstudium zu leisten. Zudem fördern immer mehr Arbeitgeber ein berufsbegleitendes Studium. Und die Hochschulen haben viel Geld in Marketing gesteckt und die Vorteile des Fernstudiums aktiv vor einer breiten Öffentlichkeit beworben. Es gibt mittlerweile sogar teure TV-Spots fürs Fernstudium.
Woran erkennt man eine seriöse Fernuniversität?
Auf dem deutschen Markt, also bei den Hochschulen, die in Deutschland ihren Sitz und ihre Studiengänge hier akkreditiert haben, gibt es glücklicherweise keine unseriösen Anbieter. Was ich nicht empfehle, sind Kooperationen von Bildungsanbietern mit Hochschulen im entfernteren Ausland, also beispielsweise Großbritannien. Der Bachelor oder Master hat formal die gleiche Anerkennung, aber ein Fernstudium an einer unbekannten englischen Hochschule kann Fragen nach der Berechtigung und Qualität aufwerfen.
Was sind häufigsten oder typischen Fehler der Studierenden?
Zu denken, dass man ein Fernstudium mit ein paar Stunden gemütlichen Lernens pro Woche locker in wenigen Monaten durchziehen kann. Man sollte sich im Vorhinein bewusst machen, dass ein akademisches Fernstudium wirklich fordernd ist und Entbehrungen beim Freizeitleben unausweichlich sind. Aber wer es durchzieht, wird mit neuen Karrieremöglichkeiten belohnt und hat allen Grund, stolz auf sich selbst zu sein.
Wie sehen Sie die Zukunft des Fernstudiums? Wird es durch Corona vielleicht sogar einen Schub erhalten?
Langfristig wird das Fernstudium weiter an Bedeutung gewinnen, weil lebenslanges Lernen wichtiger ist als je zuvor. Außerdem ist es sehr flexibel und passt daher besser in unsere immer dynamischere Arbeitswelt. Kurzfristig gilt: Durch die Corona-Krise ergeben sich einerseits Chancen. Viele Hochschulen bieten nun spezielle Kurse gratis an. Andererseits wird jemand, der wegen Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit weniger Geld im Portemonnaie hat, sich die mehreren hundert Euro monatlicher Studiengebühren viel schwerer leisten können. Dabei wäre gerade jetzt Weiterbildung und das damit verbundene neue Know-how eine hervorragende Option, auf dem Arbeitsmarkt oder bei seinem Arbeitgeber herauszustechen.
Ziele setzen, Studium planen
Umso wichtiger ist es, das Studium sorgfältig zu planen und sich zuvor über die eigenen Motive und Ziele klar zu werden. Manche wollen sich für eine interessantere oder zukunftsweisende Aufgabe in ihrem Unternehmen qualifizieren. Andere sind auf einen Jobwechsel oder den Wechsel zu einem anderen Unternehmen aus. In jedem Fall sollte man sich klarmachen, was genau das Studium bringen soll.
Im zweiten Schritt folgt die Wahl des Anbieters und der Studienform. Es gibt Hunderte Hochschulen und Institute in Deutschland, die jeweils ganz eigene Studienformate anbieten. Das klassische Fernstudium wird ausschließlich zu Hause absolviert. Nur zu den Prüfungen muss man zum Institut fahren. Die meisten Anbieter setzen aber eher auf Mischformen. Das Blockstudium beispielsweise verbindet einzelne relativ kurze zeitliche Blöcke Präsenzstudium mit längeren Phasen, in denen man das Material zu Hause durcharbeitet.
Dann gibt es noch Formate wie das Abendstudium: tagsüber im Job, zwei Abende die Woche studieren. Für Berufstätige auch eine sinnvolle Einrichtung ist das Wochenendstudium. Allerdings beginnt das bei vielen Universitäten schon am Freitagnachmittag. Studientypen, die Präsenz- mit Fernunterricht verbinden, werden auch als Blended Learning vermarktet.
In jedem Fall eine immer wichtigere Rolle spielen dabei Online-Elemente. Man ist zwar zu Hause, lauscht aber der Vorlesung des Dozenten via Internet oder nimmt im virtuellen Klassenzimmer Platz.
Studiengänge, Abschlüsse und Anbieter
Die Voraussetzung für ein berufsbegleitendes Studium sind nicht anders als bei einer „regulären“ Universität. Die Hochschulreife oder ein gleichwertiger Schulabschluss sind im Regelfall Grundvoraussetzung. Bei den berufsbegleitenden Studienformen ist meistens auch Berufserfahrung oder ein Jobnachweis erforderlich.
Wie findet man nun die geeignete Uni? Es gibt Hunderte Bildungseinrichtungen und Tausende Studiengänge, darunter auch die fast schon legendäre Fernuni Hagen, die schon in den 1970er Jahren gegründet wurde. Sie hat Bachelor- und Master-Studiengänge im Bereich Informatik und Mathematik im Angebot. Für Ingenieure könnten die wirtschaftswissenschaftlich orientierten Studiengänge attraktiv sein. Bekannt ist auch die Akad University mit inzwischen zahlreichen digitalen Lernangeboten.
Praktische Übersichten über die Studienmöglichkeiten finden sich auf Infoportalen wie FH-Studiengang.de, Hochschulkompass.de oder Studieren-berufsbegleitend.de.
Zugelassene Institute
Ob eine Bildungseinrichtung sich als Fernuniversität bezeichnen darf, wird von der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) in Köln festgelegt. Sie prüft ob „Lehrgänge fachlich und didaktisch für den Fernunterricht geeignet sind“ und erteilt dann die Zulassungen für einen Fernlehrgang in Deutschland. Gesetzliche Grundlage ist das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG). Damit eine Lehranstalt sich mit dem Merkmal Fernuniversität schmücken darf, müssen vier Voraussetzungen gegeben sein: ein privatrechtlicher Vertrag, Studiengebühren, überwiegend räumliche Trennung von Institut und Studierenden und mindestens eine individuelle Lernerfolgskontrolle. Beim virtuellen Klassenzimmer findet zum Beispiel ein wenn auch virtueller Kontakt mit den Dozenten statt; dies gilt nicht als räumliche Trennung, und deshalb ist das auch kein Fernstudium.
Die Zulassung durch die ZFU ist ein erster Hinweis auf die seriöse Arbeitsweise des betreffenden Instituts, sagt aber noch nichts über die staatliche Anerkennung des Abschlusses aus. Man sollte bei der Auswahl deshalb genau darauf achten, welchen Abschluss man erwirbt. Die Gefahr reinzufallen ist in Deutschland allerdings nicht besonders groß, laut Klesper gibt es „auf dem deutschen Markt, also bei den Hochschulen, die in Deutschland ihren Sitz und ihre Studiengänge hier akkreditiert haben, keine unseriösen Anbieter.“
Berufsbegleitend studieren kann man fast alles, was Hochschulen auch sonst im Programm haben, es dominieren allerdings berufsnahe Studiengänge, beispielsweise aus den Bereichen Informatik, Ingenieurwissenschaften oder IT. Nur die klassischen großen Studienfächer wie Jura oder Medizin taugen eher nicht als berufsbegleitende Variante.
Bei der Wahl des Fachs sollte man sich auch Lehrplan und Inhalte genau ansehen und mit den eigenen Zielsetzungen abgleichen: Passen die Curricula zu dem Job, den man in der Firma anstrebt?
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazinreihe „IT & Karriere“ erschienen. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Die Finanzierungsfrage
Die Gesamtkosten für das Studium sollten ebenfalls vorher kalkuliert werden. Die Studiengebühren bewegen sich zwischen einigen Hundert und einigen Tausend Euro pro Jahr. Hinzu kommen in der Regel noch Ausgaben für Lehrmittel und Fahrtkosten, wenn man regelmäßig zu Präsenzveranstaltungen oder Prüfungen anreisen muss. Zusätzliche Kosten entstehen, wenn man vor lauter Lernstress keine Lust auf Kochen hat und deshalb regelmäßig Pizza nach Hause bestellt.
Spätestens jetzt sollte man das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen. Den Pizzadienst wird er nicht bezahlen, aber er könnte trotzdem wertvolle Unterstützung leisten. Hier sind viele Varianten denkbar, etwa ein finanzieller Zuschuss zu den Lehrmitteln oder zu den Fahrtkosten. Eine andere Möglichkeit wäre Sonderurlaub. Oder eine Viertagewoche. Oder freie Tage für die Phasen des Blockunterrichts. Oder die Zusage des Vorgesetzten, auf Extraaufgaben während der Studienzeit zu verzichten. Zugleich wird das Unternehmen aber eine Gegenleistung verlangen, beispielsweise die Verpflichtung, nach Abschluss des Studiums noch mindestens drei Jahre beim Unternehmen zu bleiben.
Wer knapp bei Kasse ist, sollte sich schlaumachen, welche Fördermöglichkeiten es bei einem berufsbegleitenden Fernstudium gibt. Bund und Länder bieten eine Reihe von Stipendien, Krediten und anderen Optionen für die berufliche Weiterbildung. Die sollte man vor Beginn des Studiums recherchieren und beantragen.
Fördermittel und Stipendien
Bund und Länder bieten Berufstätigen, die sich weiterbilden wollen, verschiedene Fördermöglichkeiten. So hat sich beispielsweise das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eine sogenannte Bildungsprämie ausgedacht. Sie wird an Berufstätige mit niedrigem Einkommen ausbezahlt. Wer die Voraussetzungen erfüllt, erhält zunächst einen Gutschein von maximal 500 Euro für die Weiterbildung.
Ein weiterer Baustein ist der Spargutschein. Wer nach dem Vermögensbildungsgesetz bereits ein Guthaben angespart hat, darf vorzeitig Geld entnehmen, ohne die Arbeitnehmersparzulage zu verlieren. Daneben gibt es Zuschüsse zu Weiterbildungskosten, wenn auch der Arbeitgeber die Maßnahmen finanziell unterstützt.
Erste Adresse sind hier die Beratungsstellen des BMAS, die darüber informieren, ob man die Voraussetzung für die Förderleistungen erfüllt. Weitere Informationen gibt es auf den BMAS-Seiten unter der Rubrik Aus- und Weiterbildung. Eine gute Anlaufstelle ist auch die Online-Förderdatenbank. Sie gibt einen Überblick über alle Förderprogramme des Bundes, der Länder und der Europäischen Union.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) stellt im Rahmen der Nationalen Weiterbildungsstrategie Informationen für Bildungswillige bereit. So gibt es ein allgemeines Infotelefon mit der Nummer 0800-201 79 09 zur persönlichen Beratung und zur gemeinsamen Suche in den einschlägigen Datenbanken. Noch mehr Infos dazu gibt es auf der BMBF-Webseite www.der-weiterbildungsratgeber.de, die als Wegweiser zu allen Aspekten des berufsbegleitenden Studiums konzipiert ist. Besonders nützlich: die komplette Übersicht zu Fördermöglichkeiten von Bund und Ländern, die sich hinter dem Stichwort „Wissen wie“ verbirgt.
Eine weitere Möglichkeit könnte ein Kredit oder ein Stiftungsstipendium sein. Nicht nur Hochbegabte, sondern alle, deren Studium Erfolg verspricht, sollten hier ihre Chancen sondieren. Eine Übersicht über alle gemeinnützige Stiftungen bietet der Stiftungsindex.
Kannst du mich abfragen?
Es schadet also nicht, einen Masterplan für die Bewältigung von Studium und Arbeit zu schmieden. Welchen Meilenstein will ich in welchem Zeitraum erreicht haben? Wie funktioniert die Abstimmung mit dem Arbeitgeber? Und noch ein weiterer Punkt bedarf der Klärung: Auch Familie bzw. Partner sollten genau wissen, dass ein Studium neben dem Job eine erhebliche Zusatzbelastung bedeutet. Freie Wochenenden, lange Urlaube und der geruhsame Feierabend sind dann für ein, zwei Jahre gestrichen. Das sollte im gemeinsamen Haushalt besprochen werden.
Ein vernünftiger Masterplan, ein realistisches Zeitmanagement und eine gute Abstimmung mit dem Arbeitgeber sind die Grundvoraussetzungen für ein einigermaßen stressfreies Studium. Der Lohn der Mühen dürfte nicht ausbleiben. „Wer ein berufsbegleitendes Studium durchzieht, wird mit neuen Karrieremöglichkeiten belohnt und hat allen Grund, stolz auf sich selbst zu sein“, sagt Milan Klesper. Und selbst wenn man nicht sofort in die nächste Gehaltsklasse katapultiert wird: Der Studienabschluss ergänzt die vorhandenen Qualifikationen und eröffnet beruflich neue Optionen.
Praktische Tipps fürs Fernstudium
Wer neben dem Job noch einen Studienabschluss anstrebt, muss sich auf eine längere Doppelbelastung einstellen. Im Hauruck-Verfahren geht das nicht – es gilt im Gegenteil, unnötigen Stress zu vermeiden.
- Beginnen Sie das Studium nicht gerade in der Zeit, in der Ihre Firma ein wichtiges, arbeitsintensives Projekt plant, also etwa ein neues Produkt startet oder die Umstrukturierung aller Abteilungen angeht.
- Sprechen Sie mit Ihrer Familie bzw. Ihrem Partner, damit auch Ihre Umgebung sich auf die zusätzliche Arbeitsbelastung einstellen kann.
- Knüpfen Sie Kontakt mit anderen Studenten, tauschen Sie sich aus, helfen Sie einander beim Lernen!
- Setzen Sie Ihre Lernziele nicht zu hoch an – sonst ist der Frust programmiert.
- Haben Sie vor dem Berufseintritt schon einmal studiert? Erinnern Sie sich an die damals erprobten Arbeits- und Lerntechniken, die für ein effizientes Studium nötig sind!
- Welcher Lerntyp sind Sie? Sind Sie der Karteikartentyp? Oder lesen und exzerpieren Sie lieber? Lassen Sie sich Vorlesungstexte gerne per Kopfhörer ins Ohr flüstern? Nutzen Sie das, was bei Ihnen am besten funktioniert!
- Nicht jede Lernphase muss digitalisiert sein. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass vermeintlich altmodisches Schreiben mit der Hand auf Papier hilft, den Inhalt besser zu verstehen.
- Auch wenn Sie schnell fertig werden wollen: Planen Sie Erholungszeiten, kurze Urlaube oder wenigstens einen freien Sonntag ein!