Fördermittel bringen Forderungen mit sich
Von Dr. Jürgen Kaack, STZ-Consulting
Die Mehrzahl der Projekte zum Breitbandausbau im ländlichen Raum erfolgt mit Fördermitteln. Das war auch in Erftstadt der Fall, dem bislang größten Breitbandförderprojekt in Nordrhein-Westfalen. Das Beispiel zeigt aber auch, dass Fördermittel den Kommunen ganz eigene Abläufe abverlangen und viel Vorlauf brauchen. Nicht zuletzt ist die Förderlogik nicht immer unbedingt nachvollziehbar.
Die für die Betreiber wirtschaftlich, d.h. ohne Deckungslücke ausbaubaren Gebiete dürften mittlerweile vollständig erschlossen sein. Somit bleiben die aus wirtschaftlicher Sicht problematischen Regionen mit dünner Besiedlungsdichte und größerer Entfernung zum Backbone.
Zwischen zusätzlichen Umsatzerlösen nach dem Ausbau und den Investitions- und Betriebskosten klafft meist die sogenannte Wirtschaftlichkeitslücke. Sie muss entweder aus Haushaltsmitteln gedeckt werden oder unter Zuhilfenahme von Fördermitteln der Länder. Dabei steigt die Anzahl der mit Fördermitteln umgesetzten Breitbandprojekte in letzter Zeit deutlich an.
FTTC mit GAK-Programm
Neben Projekten nach dem GAK-Programm wird derzeit noch eine Reihe von Vorhaben mit Finanzierung aus dem Konjunkturpaket II umgesetzt. Die Nutzung von Mitteln aus dem Zukunftsinvestitionsgesetz endete mit Baubeginn vor dem 31. Dezember 2010. Das GAK-Programm dagegen wurde bis Ende 2013 verlängert.
Eine Förderung nach dem GAK-Programm unterliegt engen Auflagen und führt daher in vielen Fällen zu kleinteiligen Lösungen für Ortschaften oder Ortsteile, für die sich eine Unterversorgung nachweisen lässt. Daher ist es umso bemerkenswerter, dass mit dem Breitbandprojekt für das nordrhein-westfälische Erftstadt eine Umsetzung nach dem FTTC-Konzept (Fiber to the Curb) in insgesamt fünf Stadtteilen mit insgesamt über 15.000 Einwohnern möglich war.
Dr. Jürgen Kaack hat eine Reihe von Projekten als Berater begleitet. Einige aus der Region Nordrhein-Westfalen stellt er ausführlicher als Best-Practice-Beispiele vor: Arnsberg, Ennepetal, Erftstadt, Erkelenz und Wegberg sowie die Lage im gesamten Kreis Heinsberg, ferner Geilenkirchen, Haltern am See, Kaarst, Nettetal und Rheurdt. Außerdem berichtet er von der T-City Friedrichshafen, erläutert die möglichen Geschäftsmodelle im kommunalen Breitbandausbau sowie die Optionen der NGA-Rahmenregelung und setzt auseinander, wo Vectoring seine Haken hat. Nicht zuletzt skizziert er die Prinzipien einer Breitbandstrategie NRW und macht handfeste Vorschläge für eine umfassende Breitbandstrategie.
Seine gesammelten Erfahrungen sind 2016 in der Reihe MittelstandsWiki bei Books on Demand erschienen: „Schnelles Internet in Deutschland“ (Paperback, 220 Seiten, ISBN 978-3-946487-00-5, 9,99 Euro).
FTTC ist ein für den Ausbau anerkanntes Konzept einer nachhaltigen Versorgung. Bei diesem Ansatz wird eine Glasfaserversorgung bis in die Ortschaften und „bis zum Straßenrand“ (zu den Standorten der Kabelverzweiger) vorangetrieben. Aufbauend auf dem FTTC-Netz kann man durch einen konsequenten und geplanten Ausbau des Leerrohrnetzes in einigen Jahren ein Glasfaseranschlussnetz realisieren.
Nachweis der Unterversorgung: Im Durchschnitt beantworteten über 22 % der Haushalte den Fragebogen – insgesamt knapp 1300. (Bild: STZ-Consulting)
Unterversorgung, Bedarf und Potenzial
Dem Vertragsabschluss mit dem ausgewählten Netzbetreiber (der Deutschen Telekom AG) ging ein Projekt mit einer Dauer von einem Jahr voraus. Dabei wurde zunächst die Unterversorgung durch Versorgungstabellen nachgewiesen und eine Markterkundung bei den Netzbetreibern durchgeführt. Es ist wenig erstaunlich, dass sich auch in Erftstadt kein Anbieter finden ließ, der einen wirtschaftlichen und nachhaltig zukunftssicheren Ausbau ohne öffentliche Zuwendungen plante. Erkundungen bei der Deutschen Bahn, den Stadtwerken, dem Gas- und dem Energieversorger förderten auch keine geeignete Leerrohrinfrastruktur zutage, die für einen Ausbau nutzbar gewesen wäre.
Bandbreitenbedarf: 94 % der Privatnutzer waren mit ihrer Bandbreite unzufrieden; 4 % reicht sie aus. (Bild: STZ-Consulting)
Eine schriftliche Befragung bei allen Haushalten ergab eine Unterversorgung bei 79 % der Anschlüsse (im Durchschnitt der Befragten 714 kBit/s). Durch die frühzeitige Einbeziehung der Ortsbürgermeister und deren aktive Unterstützung konnte mit bis zu 25 % eine recht hohe Rücklaufquote erreicht werden. Die Unzufriedenheit mit der derzeitigen Versorgung lag mit 94 % entsprechend hoch; auch die Wechselbereitschaft von 83 % der Befragten unterstrich den Bedarf. Die Ergebnisse bei den befragten Unternehmen lagen bei ähnlichen Werten (91 % Unzufriedenheit).
DSL ist mit über 85 % die dominierende Breitbandzugangstechnologie bei Privatnutzern. (Bild: STZ-Consulting)
Ohne alternative Wettbewerbsangebote ist es nicht verwunderlich, dass ca. 85 % der Befragten DSL als die genutzte Breitbandtechnologie angaben. Nach DSL ist der Einsatz von Modems beim Analog- oder ISDN-Anschluss die meistgenutzte Technologie für den Internet-Zugang.
Mit den Ergebnissen der Befragung und einer parallel durchgeführten statistischen Ableitung des theoretischen Kundenpotenzials war die Potenzialanalyse abgeschlossen und eine weitere Voraussetzung zur Stellung des Förderantrags erfüllt.
Im Laufe der Projektdurchführung wurde die Grenze für eine Unterversorgung von 1 auf 2 MBit/s angehoben. Damit konnten anderthalb weitere Ortsteile mit einer Versorgungsleistung von etwa 1,5 MBit/s in die Projektarbeit einbezogen werden. Durch diese Erweiterung konnten mit fünf geschlossenen Ortsteilen erhebliche Teile des Stadtgebietes für einen Ausbau bearbeitet werden.
Kriterien der Anbieterauswahl
Für die Konkretisierung ist eine transparente Ausschreibung nach den Regeln des GAK-Programms erforderlich, die technologieneutral aufgestellt sein muss, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
Damit die Auswahl unter den Anbietern nicht nur von qualitativen Argumenten bestimmt ist, helfen quantitative Bewertungskriterien. Dabei haben wirtschaftliche Aspekte wie die Höhe der Wirtschaftlichkeitslücke und die Kaufkraftabschöpfung durch veränderte Kundenkonditionen besondere Bedeutung. Auch andere Aspekte wie die verfügbare Bandbreite und das Angebot von weiteren Diensten wie z.B. Telefonie werden berücksichtigt.
Dabei darf man nicht außer Acht lassen, dass das Förderprogramm fordert, dass die mit Subventionen errichtete Infrastruktur über mindestens sieben Jahre in Betrieb gehalten werden muss. Dies stellt Anforderungen an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Anbieters. Für den späteren Kunden sind außerdem die Serviceleistungen des Anbieters von Bedeutung, falls es Fragen zum Dienst oder zur Rechnung gibt und insbesondere im Falle von Störungen.
Für den Anbieter wird die Erstellung eines Erfolg versprechenden Angebotes einfacher, wenn die Bewertungskriterien bereits zusammen mit der Ausschreibung veröffentlicht werden. In einer Leistungsbeschreibung können ergänzende Informationen über die auszubauenden Ortschaften, Besiedlungsstrukturen und die Ziele des Breitbandausbaus bereitgestellt werden.
Projektverlauf auf der Zeitleiste
Die eigentliche Dauer der Ausschreibung sollte zwei Monate nicht unterschreiten, damit alternative Anbieter die Chance haben, Informationen über Netzinfrastrukturen und Trassenverläufe von der Deutschen Telekom einzuholen.
Nach der Submission wurden die eingegangenen Angebote bewertet und es wurde eine Vergabeempfehlung erarbeitet. Mit der Vergabeentscheidung der Stadt konnte der Förderantrag an das zuständige Dezernat der Bezirksregierung gerichtet werden. Nach Bewilligung des Förderantrags wurden die Vertragsverhandlungen zwischen der Kommune und dem Betreiber aufgenommen.
Nach Unterzeichnung des Kooperationsvertrages beginnt der eigentliche Infrastrukturausbau, der in der Regel innerhalb von zwölf Monaten abgeschlossen sein sollte. Ein erfolgreiches Breitbandprojekt kann bis zur Bereitstellung des neuen Dienstes durchaus zwei Jahre dauern. In Erftstadt wurden in der zweiten Jahreshälfte 2011 die ersten Ortschaften fertig ausgebaut, bis zum Ausbau der letzten der letzten Ortschaften dauerte es aber bis Frühjahr 2012.
Zukunftsfähiger Ausbau
Der Eigenanteil an der Deckungslücke belastet den städtischen Haushalt mit 27.000 Euro. Für die Umsetzung fielen erhebliche Tiefbauarbeiten an: bei der Verlegung von 31 km Glasfaser und für die Stromversorgung der Multifunktionsgehäuse. Insgesamt wurden 32 Kabelverzweiger mit Multifunktionsgehäusen zum Outdoor-DSLAM überbaut und mit Stromanschlüssen für die dann dort installierte aktive Übertragungstechnik ausgerüstet.
Seit der Fertigstellung steht für die Mehrzahl der Anschlüsse eine Bandbreite von mindestens 16 MBit/s zur Verfügung. Die damit mögliche Internet-Geschwindigkeit sollte über einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren ausreichen. Durch Änderungen in der aktiven Übertragungstechnik ist mit geringem Aufwand auch noch eine Erweiterung von ADSL zu VDSL möglich, d.h. Bandbreiten von 50 MBit/s, je nach Länge der kupfernen Teilnehmeranschlussleitung (TAL). Auch eine Umrüstung auf Vectoring mit bis zu 100 MBit/s ist bis 2016 wahrscheinlich.
Die STZ-Consulting Group ist eine Unternehmensberatung, die Unternehmen und Kommunen bei der Bewältigung von Veränderungsprozessen unterstützt, von der Entwicklung tragfähiger Konzepte bis zur Umsetzung. Die Partner der STZ-Consulting Group haben langjährige Erfahrungen aus eigener operativer Führungstätigkeit in Unternehmen, aus der Gründung und dem Aufbau von Unternehmen sowie in der Beratung. Ein Branchenschwerpunkt liegt in der Telekommunikation.
Dr. Jürgen Kaack – STZ-Consulting Group, Kolibristr. 37, 50374 Erftstadt, Tel. 02235-988776, info@stz-consulting.de, www.stz-consulting.de.
Über einen längeren Zeitraum hinweg wird auch in Erftstadt nichts an einem FTTB-Ausbau mit Glasfaser bis zum Hausanschluss (Fiber to the Building) vorbeiführen. Aber auf der Basis des FTTC-Ausbaus ist auch dies bei rechtzeitiger Vorplanung mit überschaubarem Aufwand zu realisieren.
Nachbau in den Gewerbegebieten
Kurz nach Fertigstellung der Versorgung in den Ortsteilen verstärkte sich der Unmut der Betriebe im Gewerbegebiet und im WirtschaftsPark von Erftstadt-Lechenich. Beide Gewerbegebiete werden nach vollständiger Vermarktung aller Flächen über 200 Betriebe beherbergen.
Das in Friesheim befindliche kleinere Gewerbegebiet hatte bereits im Rahmen des Ausbaus der fünf Stadtteile eine bessere Versorgung erhalten. Die beiden Gewerbegebiete in Lechenich sind zwar in großen Teilen unterversorgt, aber eine Förderung nach dem Regionalen Wirtschaftsförderungsprogramm (RWP) kam nicht in Betracht. Der Ausbau konnte somit nur mit Haushaltsmitteln der Stadt finanziert werden. Trotzdem wurde RWP als beihilferechtlicher Rahmen für die Projektdurchführung gewählt, um eine Einzelfallnotifizierung zu vermeiden.
Daher wurden in beiden Gewerbegebieten eine schriftliche Bedarfsmeldung (mit einer eher mäßigen Rücklaufquote von 17 %) und anschließend eine Markerkundung durchgeführt. Trotz Ansprache mehrerer Netzbetreiber blieb die Resonanz erstaunlich gering. Da zumindest ein Anbieter Interesse bekundete, in einem Auswahlverfahren bei Gewährung einer Zuwendung auszubauen, wurde ein öffentliches Auswahlverfahren begonnen. Nach Bewertung der Angebote erhielt die Deutsche Telekom den Zuschlag; sie wird bis Oktober 2013 beide Gewerbegebiete mit VDSL versorgen. Dabei werden 93 % der Betriebe mindestens 16 MBit/s nutzen können.
Fazit: Lücken am Ende der Förderung
Mit Förderprogrammen können in eng umrissenen unterversorgten Gebieten Verbesserungen in der Breitbandversorgung erzielt werden. Da die Förderprogramme die Unterversorgung auf 2 MBit/s begrenzen, ist aus beihilferechtlichen Gründen ein Ausbau in Gebieten mit z.B. durchschnittlich 3 MBit/s kaum möglich.
Dies zeigte sich auch am Beispiel von Erftstadt. Obwohl hier bis 2012 ein Ausbau verwirklicht wurde, der für ca. 15.000 Einwohner eine spürbare Steigerung der Internet-Geschwindigkeit ermöglicht, bleiben Teile des Stadtgebietes mit schon aus heutiger Sicht schwacher Versorgung übrig. In Erftstadt trifft dies Teile von Köttingen und Lechenich sowie den Ortsteil Ahrem. In diesen Gebieten dürfte die Kommune nicht einmal dann in einen FTTC-Ausbau investieren, wenn hierfür nur Haushaltsmittel eingesetzt würden. Die Möglichkeit zum Ausbau der beiden Gewerbegebiete in Lechenich war rechtlich nur möglich, weil große Teile der Gewerbegebiete unterversorgt waren.