NGA-Ausbau muss zukunftsfähig sein
Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group
Für Kreise und Kommunen ist heute eine NGA-Versorgung (Next Generation Access) mit FTTB-Glasfaseranschlüssen bis ins Haus (Fiber to the Building) die Breitbandlösung der Wahl. Keine andere Lösung verspricht auf Dauer so gute und verlässliche Leistung. Weil die Ausbaukosten jedoch oft beträchtlich sind, sind viele Projekte auf öffentliche Fördermittel angewiesen; dies wiederum hat zur Folge, dass nur bestimmte Teilregionen in den Genuss eines schnellen Internet-Anschlusses kommen, nämlich diejenigen, die als offiziell unterversorgt anerkannt sind. Gebiete, für die der Datendurchsatz heute gerade so reicht, fallen durch. Diese Flecken sind selbst dort ein Problem, wo sich doch noch private Betreiber finden, die den Fiber-Ausbau auf eigene Kosten stemmen. Dann nämlich ist dort der Leidensdruck so gering und die Wechselträgheit ist so hoch, dass der Anbieter die geforderte Vorvertragsquote nicht erreicht.
In jedem Fall ist die Möglichkeit der Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien ein zunehmend wichtiger Standortfaktor, auch für ländliche Regionen als attraktive Lebens- und Wirtschaftsräume. DSL- und Breitbandanschlüsse sind heute so wichtig wie ein gut ausgebautes Straßennetz bzw. der Anschluss an ein öffentliches Ver- und Entsorgungsnetz.
Wirtschaft und Immobilienwerte
Gebiete ohne Breitbandzugang oder mit einem nicht den Anforderungen entsprechenden Zugang werden im Wettbewerb der Wirtschaftsstandorte zunehmend das Nachsehen haben. In schlecht versorgten Gegenden lassen sich Mietwohnungen nur noch schwer vermieten – und wenn ein Interessent gefunden wird, so sind die Quadratmetermieten niedriger als in besser versorgten Gegenden. Entsprechend liegt der Wert von Immobilien ohne ausreichenden Breitbandzugang deutlich niedriger. Er sinkt bei einem Verkauf schon mal um 10.000 Euro oder mehr.
Durch den Einsatz breitbandiger Internet-Kommunikation können gerade mittelständische Unternehmen die Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten erheblich verbessern und außerdem deutlich Kosten sparen. Unternehmen, die im Datenaustausch nicht mehr auf DSL und Breitband verzichten können, werden kurz- bis mittelfristig eine Umsiedlung in Erwägung ziehen und realisieren. Der damit verbundene Wegfall von Arbeitsplätzen führt zu einer Schwächung der betroffenen Regionen.
Dr. Jürgen Kaack hat eine Reihe von Projekten als Berater begleitet. Einige aus der Region Nordrhein-Westfalen stellt er ausführlicher als Best-Practice-Beispiele vor: Arnsberg, Ennepetal, Erftstadt, Erkelenz und Wegberg sowie die Lage im gesamten Kreis Heinsberg, ferner Geilenkirchen, Haltern am See, Kaarst, Nettetal und Rheurdt. Außerdem berichtet er von der T-City Friedrichshafen, erläutert die möglichen Geschäftsmodelle im kommunalen Breitbandausbau sowie die Optionen der NGA-Rahmenregelung und setzt auseinander, wo Vectoring seine Haken hat. Nicht zuletzt skizziert er die Prinzipien einer Breitbandstrategie NRW und macht handfeste Vorschläge für eine umfassende Breitbandstrategie.
Seine gesammelten Erfahrungen sind 2016 in der Reihe MittelstandsWiki bei Books on Demand erschienen: „Schnelles Internet in Deutschland“ (Paperback, 220 Seiten, ISBN 978-3-946487-00-5, 9,99 Euro).
Im Zuge einer Veränderung der Arbeitswelt fordern außerdem immer mehr Unternehmen die Einrichtung von Heimarbeitsplätzen von ihren Mitarbeitern, die ohne Breitbandanbindung mit IT-Lösungen im Unternehmen nur bedingt kommunizieren können. Dem steigenden Fachkräftemangel kann zumindest in solchen Aufgabenbereichen, die keine physische Präsenz erfordern, durch effiziente Methoden der Telearbeit begegnet werden. Auf diese Weise kann man Fachkräfte zumindest temporär einbinden, auch wenn diese nicht an den Standort des Unternehmens umziehen wollen. Ohne schnelle Breitbandverbindungen wird dies kaum gelingen.
Wohnortwahl und Lebensqualität
Die Verfügbarkeit von schnellen Datenverbindungen hat nicht nur eine große Bedeutung für den jeweiligen Wirtschaftsstandort, sondern auch für den Wohnstandort und die Lebensqualität der Menschen. Die meisten Familien entscheiden sich bei der Wohnortwahl oder dem Kauf eines Wohnbaugrundstücks auch aufgrund der örtlichen DSL- und Breitbandverfügbarkeit.
Hier ist auch die zunehmende Bedeutung von neuen Anwendungen im Bereich der Bildung, bei neuen Dienstleistungen in der Telemedizin und in der häuslichen Pflege zu berücksichtigen, die eine leistungsfähige Telekommunikationsinfrastruktur voraussetzen. Dem Hausarztmangel in manchen ländlichen Regionen wird man auf Dauer nur durch Einsatz geeigneter Telemedizinanwendungen begegnen können. Neben der Breitbandinfrastruktur müssen in diesem Fall insbesondere mit den Krankenkassen Vereinbarungen über die Ausgestaltung der Regelleistungen und die entsprechenden Vergütungsmodelle getroffen werden.
Mit neuen Anwendungen und einer intensivierten Nutzung steigt schließlich das Datenvolumen, das täglich durch die vorhandenen Netze transportiert werden muss. Derzeit liegt die Wachstumsrate für das IP-Volumen in Deutschland bei jährlich 18 %! Das bedeutet: Die Situation schlecht versorgter Gebiete wird ohne Maßnahmen zur Verbesserung der Breitbandversorgung im Vergleich zu den Ballungsgebieten im Laufe der Zeit immer schlechter. Aus heute „grauen“ Flecken mit mäßiger Versorgung werden dann wieder „weiße“ Flecken.
Laut (N)Onliner-Atlas von 2013 nutzen schon 76,5 % der Bevölkerung das Internet – das ist knapp 1 % mehr als 2012. Der Zuwachs konzentriert sich insbesondere auf die Gruppe der älteren Bevölkerung (über 60 Jahre). Einen nur noch moderaten Anstieg zeigt die Breitbandnutzung gegenüber 2012; sie liegt mittlerweile bei 58,3 % der Bevölkerung (bezogen auf Anschlüsse mit mehr als 2 MBit/s). Die Ausbauaktivitäten der letzten Jahre zeigen offensichtlich Wirkung. Mit konkreten Maßnahmen kann die Kluft zwischen Ballungsgebieten und dem ländlichen Raum wieder reduziert werden.
Bis zur Verbesserung der Breitbandversorgung vergehen bei Förderprojekten durchschnittlich zwei Jahre. (Bild: STZ-Consulting)
Individuelle Lösungen gesucht
Der Ablauf eines Breitbandprojektes erfolgt stets in aufeinander aufbauenden Phasen, unabhängig davon, ob Mittel aus einem Förderprogramm zur Kofinanzierung eingesetzt werden oder nicht. Vom ersten Projektschritt bis zur Realisierung vergehen durchaus zwei oder mehr Jahre.
In jeder Kommune trifft man beim Breitbandausbau unterschiedliche Voraussetzungen an. Dies betrifft sowohl die Topografie und die Besiedlungsstrukturen als auch die Entfernungen zu Datenkommunikationsbackbones und die Situation der derzeitigen Netzbetreiber. Manche Kommunen verfügen über Infrastrukturen, die zum Aufbau von Breitbandnetzen geeignet sind, oder haben eigene Stadtwerke, die aus Eigeninteresse Breitbandnetze errichten. Die Analyse der bestehenden Versorgungssituation und die Identifikation von Infrastrukturen stellen daher immer einen wichtigen Teil jedes Breitbandprojekts dar.
Da die Ausgangssituationen unterschiedlich sind, gibt es auch nicht den idealen Lösungsweg. So ist es von Vorteil, dass neben einer Reihe im Wettbewerb agierender Netzbetreiber verschiedene Technologien zur Verfügung stehen. Das Spektrum reicht von Funklösungen über Kupferdoppelader und Koaxialkabel bis hin zu glasfaserbasierten Ansätzen; natürlich umfasst es auch verschiedene Mischformen. Die in den letzten Jahren populärste Form des Mischausbaus ist sicher Fiber to the Curb (FTTC), bei der Glasfaser bis zum Standort der bisherigen Kabelverzweiger verlegt wird und von dort die vorhandene Kupferdoppelader bis zum Hausanschluss nutzt. Auch bei Funklösungen gibt es ein weites Spektrum unterschiedlicher Lösungen, ausgehend von lizenzfreien und weniger anspruchsvollen WLAN-Lösungen über WiMAX bis zu den verschiedenen Mobilfunkstandards wie UMTS, HSDP und LTE.
Technologien, die höhere Bandbreiten in den Zugangsnetzen ermöglichen, sind verfügbar und erprobt (in der Grafik ohne die Kabel-TV-Netze). (Bild: STZ-Consulting)
Als langfristig nachhaltige Infrastruktur kommt in erster Linie der Glasfaserhausanschluss in Betracht, weil Glasfaser aus heutiger Sicht nahezu unbegrenzte Übertragungsraten und lange Lebensdauern ermöglicht. Andere Technologien können als Brückentechnologien genutzt werden, bis ein flächendeckendes Netz aus Lichtwellenleitern aufgebaut ist; sie sind auch eine dauerhafte Alternative für in solche Gebiete, in denen eine Versorgung mit Glasfaserhausanschlüssen unverhältnismäßig teuer würde. Mobilfunknetze sind komplementär zu leitungsgebundenen Netzen; sie dienen der portablen oder mobilen Anwendung. Dies gilt auch für das moderne LTE-Netz. Das Glasfasernetz kann entweder als Fiber to the Building (FTTB) bis zum Hausabschluss geführt werden oder als Fiber to the Home (FTTH) bis in die Wohnungen und zu den angeschlossenen Geräten.
Für Kommunen und Kreise kommt primär der Ausbau bis zum Hausabschluss (FTTB) in Betracht. Selbst hierfür sind erhebliche Vorinvestitionen erforderlich. Im Durchschnitt kann man pro Hausanschluss zwischen 1500 und 3500 Euro kalkulieren, wobei dieser Wert je nach Topografie noch weiter schwanken kann. Von den Investitionskosten entfallen 70 bis 80 % auf Tiefbauleistungen zur Verlegung geeigneter Leerrohrstrukturen. Für Netzbetreiber mit kurzen Amortisationszeiten (vier bis fünf Jahre) rechnen sich solche Investitionen meist nur in Ballungsgebieten und wenn sich über einen Hausanschluss mehrere Wohneinheiten erreicht lassen.
Im ländlichen Raum mit durchschnittlich 1,4 Wohneinheiten je Anschluss und längeren Anschlussstrecken als in Siedlungskernen amortisieren sich solche Infrastrukturen oft erst nach 15 oder 20 Jahren. Daher sind Kreise und Kommunen gefordert, für ihre Einwohner und die ansässigen Unternehmen im Sinne der Daseinsvorsorge für den Aufbau entsprechender Infrastrukturen zu sorgen. Sowohl vom Trassenverlauf als auch von der Amortisationszeit ergeben sich dabei Parallelen zu den anderen Versorgungsleitungen für Strom, Gas, Wasser und Abwasser. Allerdings gibt es bislang keine Zuständigkeiten und keine Erfahrungen in den Verwaltungen, um die passiven Infrastrukturen zu schaffen und zu betreiben.
Unterschiedliche Lösungen ergeben unterschiedliche Ergebnisse in Leistung und Nachhaltigkeit, aber eben auch unterschiedliche Investitions- und Betriebskosten. Im Einzelfall ist daher eine sorgfältige Abwägung vor der Entscheidung für den einen oder anderen Weg erforderlich. Der Ausbau mit FTTC stößt im ländlichen Raum aufgrund der sprungfixen Investitionen für die Glasfaseranbindung und den Bau von Multifunktionsgehäusen an seine Grenzen. Die Regionen, die sich ohne Deckungslücke versorgen lassen, sind mittlerweile ausgebaut; daher ist der Zuwachs in diesem Bereich (insbesondere bei VDSL) stark rückläufig.
Breitbandversorgung im Kreis Heinsberg
Die Beschäftigung mit dem Breitbandausbau reicht im Kreis Heinsberg vergleichsweise lange zurück. Bereits 2008 hatten sich Kreiswirtschaftsförderung, regionale Versorgungsunternehmen und einige Netzbetreiber mit dem Infrastrukturausbau beschäftigt. Als Ergebnis wurden in den Folgejahren zwischen vielen Ortsteilen Leerrohre mit Glasfaserkabeln verlegt, sodass heute ein fast geschlossener Doppelkreis im Kreisgebiet vorhanden ist, über den zukünftige NGA-Anschlussnetze an Backbone-Netze angebunden werden können.
Versorgungslage
Vor einer Konzeptentwicklung für den Kreis Heinsberg musste zunächst die tatsächliche Versorgungslage analysiert werden. Um keine falschen Erwartungen zu wecken, sind in einer so frühen Phase flächendeckende Befragungen aber nicht angebracht. Um trotzdem zu verwertbaren Ergebnissen zu kommen, wurden Versorgungsübersichten der im Kreisgebiet mit eigener Infrastruktur tätigen Netzbetreiber beschafft und abgeglichen.
Mit seiner derzeit für Landkreise typischen Versorgung und der digitalen Spaltung zwischen Kernstädten und den umliegenden Ortsteilen bietet der Kreis Heinsberg bei einem weiteren Ausbau gute Voraussetzungen für ein ausreichendes Kundenpotenzial. Die Ortsteile im Kreis werden nach der Analyse der derzeitigen Breitbandversorgung in drei Gruppen unterteilt:
- „Gut“ versorgte Regionen haben mehrheitlich über 16 MBit/s und in der Regel mehr als einen Anbieter mit eigener Infrastruktur.
- „Schwach“ versorgte Ortsteile sind mit mehrheitlich zwischen 2 und 16 MBit/s versorgt, typischerweise durch nur einen Anbieter (z.B. die Deutsche Telekom); der Ausbau ist mit den derzeitigen Förderprogrammen nicht finanzierbar.
- „Unterversorgte“ Ortsteile oder Gewerbegebiete haben mehrheitlich eine Bandbreite von weniger als 2 MBit/s; der Ausbau ist in den meisten Fällen über die GAK– oder RWP-Programme förderfähig.
Leerrohrnetz und Förderung
Im Hinblick auf den funktionierenden Wettbewerb in den Kernstadtlagen, die heute mit VDSL und DOCSIS 3.0 versorgt sind, ist der Aufbau eines zusätzlichen Leerrohrnetzes kritisch zu würdigen. Auch nach der Bundesrahmenregelung Leerrohre ist nur in Gebieten, die heute und in absehbarer Zeit eine schlechtere Versorgung als 25 MBit/s haben, der Ausbau von Leerrohren mit öffentlichen Mitteln zulässig.
Und noch weitere Gründe sprechen gegen ein solches Vorhaben: Einerseits ist die heute verfügbare Leistung sicher für die nächsten fünf bis zehn Jahre ausreichend und es wird für einen Betreiber in diesen Lagen schwierig, Kunden zum Wechsel auf einen Glasfaseranschluss zu bewegen; zum anderen ist zu erwarten, dass sich das Angebot der Betreiber in diesen Regionen ebenfalls weiterentwickeln wird. So ist die physikalische Übertragungsgrenze für Signale in Koaxialkabeln bei 150 MBit/s (als heute schnellstem Dienst der Kabelnetzbetreiber auf DOCSIS-3.0-Basis) noch bei Weitem nicht erreicht. Eine Ausweitung auf 400 MBit/s und mehr erscheint durchaus realistisch.
Bei einer erfolgreichen Umsetzung der derzeit laufenden Förderprojekte in den unterversorgten Regionen im Kreis Heinsberg mit FTTC-Konzepten sind auch diese Gebiete bei der weiteren Betrachtung von Ausbaukonzepten auszunehmen, da es aufgrund der zu erwartenden Versorgungslage keine beihilferechtlich stichhaltige Begründung für den Einsatz öffentlicher Mittel gibt. Für privatwirtschaftliche Unternehmen gibt es keine derartigen Beschränkungen und ein Überbau von vorhandenen Infrastrukturen (z.B. mit Glasfaseranschlussnetzen) ist durchaus möglich.
Weite Teile des Kreises sind bislang mit weniger als 16 MBit/s nur schwach versorgt. (Bild: BMWi)
Im Kreis Heinsberg sind knapp 20.000 Haushalte und Betriebe nach EU-Definition unterversorgt (< 2 MBit/s). Teile der Gebiete können bei einmaligen Zuwendungen zur Deckung einer Wirtschaftlichkeitslücke wirtschaftlich ausgebaut werden. Sind die Betriebskosten höher als die zu erwartenden Einnahmen, ist jedoch auch bei Zahlung einer einmaligen Zuwendung nicht mit einem Ausbau zu rechnen. In den unterversorgten Regionen im Kreis ist ein Ausbau mit Fördermitteln insbesondere aus dem GAK-Programm (Gemeinschaftsaufgabe Agrarentwicklung und Küstenschutz) möglich und teilweise bereits in der Umsetzung.
Weitere ca. 46.000 Haushalte und Betriebe liegen in Ortsteilen, die zwar mit mehr als 2 MBit/s nicht unterversorgt, aber mit mehrheitlich weniger als 16 MBit/s eher schwach versorgt sind („schwach“ sei für die weitere Darlegung definiert als mehrheitlich mit mindestens 2 MBit/s und höchstens 16 MBit/s versorgt). Die Mehrzahl dieser schwach versorgten Ortsteile im Kreis Heinsberg liegt mit einer Versorgung von durchschnittlich ca. 6 MBit/s in einem mittelfristig unzureichenden Bereich.
Eine Förderung mit öffentlichen Mitteln ist in diesen Bereichen nicht möglich. Beihilferechtlich unbedenklich scheint die Nutzung der Regeln in der Bundesrahmenregelung Leerrohre, z.B. durch Verlegung von Kabelschutzrohren und deren Vermietung über eine öffentliche Ausschreibung.
Aufbau einer passiven Infrastruktur
Beim weiteren Ausbau der Netze bis zum Hausanschluss ist es naheliegend und konsequent, wenn Kommunen, Stadtwerke und regionale Versorgungsunternehmen neben den Hausanschlüssen für Wasser, Strom, Gas und Abwasser auch die Anbindung an ein passives Breitbandnetz schaffen und betreuen. Würde der Kreis Heinsberg für den Aufbau eines Leerrohrnetzes einen Masterplan erstellen, dann könnte man die geplanten Tiefbauarbeiten der Tiefbauämter und Versorgungsunternehmen nutzen, um an geeigneter Stelle und in passender Tiefe Leerrohre im Beilauf mitzuverlegen. Die Verlegung von Leerrohren im Beilauf senkt die Kosten von 80 bis 120 Euro pro Meter auf etwa 5 bis 7 Euro pro Meter.
Darin ist allerdings der eigentliche Hausanschluss noch nicht enthalten, da man entweder an jedem Grundstück einen Schacht und eine Muffe im Leerrohr setzen oder Minipipes von geeigneten Punkten in der Straße über einen längeren Abschnitt nachträglich verlegen muss. Neubaugebiete sollten schon heute mit Leerrohren ausgestattet werden, die für eine spätere Glasfaserverlegung geeignet sind.
Wertschöpfung und Open Access
Nur wenige Unternehmen sind mit ihren Kompetenzen und Ressourcen in der Lage, die gesamte Wertschöpfung im Breitbandgeschäft selber abzudecken. Dies trifft grundsätzlich auf die großen nationalen und regionalen Betreiber zu: Deutsche Telekom, Versatel, EWE-tel, NetCologne, M-Net etc. Aber selbst für diese Unternehmen ist ein flächendeckender Ausbau mit Glasfaserhausanschlüssen kaum möglich. Daher ist es sinnvoll, die eigenen Kernkompetenzen zu prüfen und Kooperationen einzugehen, wo die Kompetenz fehlt. Bei entsprechender Vorplanung wird der Aufbau eines Glasfasernetzes (zunächst als Fiber to the Curb und dann als Fiber to the Building) über einen Zeitraum von zehn bis 20 Jahren ausgeführt nur einen Bruchteil der bei unabhängiger Planung anfallenden Kosten aufwerfen. Man kann davon ausgehen, dass sich die Kosten pro Hausanschluss durch konsequente Planung auf unter 500 Euro senken lassen.
Wertschöpfungskette für Breitband-Geschäftsmodelle (Bild: STZ-Consulting)
Grundsätzlich kann die Wertschöpfungskette auf sehr unterschiedliche Weise ausgefüllt werden, je nachdem welche Kompetenzen die beteiligten Partner mitbringen. Zwar könnte jede Wertschöpfungsstufe durch einen anderen Partner erbracht werden, doch sollte die Zahl der Partner nicht zu groß werden, damit die Komplexität der Schnittstellen beherrschbar bleibt. Je mehr Partner beteiligt sind, umso weiter muss die erzielbare Gewinnmarge aufgeteilt werden; auch die Zuordnung von Fehlern wird schwieriger.
Unabhängig vom gewählten Geschäftsmodell sollte jede Betreiberaktivität einer Kommune oder eines Kreises nach dem Open-Access-Modell ausgestaltet sein, das Interoperabilität mit allen Dienstebetreibern ermöglicht, die sich an die von der Bundesnetzagentur und dem NGA-Forum standarisierten Layer-2-Schnittstellen (entsprechend dem OSI-Schichtenmodell) halten.
Wenn dies garantiert wird, ist sichergestellt, dass sich der Wettbewerb von den Bandbreiten zu den Diensten verschiebt. Dabei können individuelle Diensteportfolios zusammengestellt oder vorgefertigte Dienste-Bundles gebucht werden. Open Access nützt nicht nur den privaten Haushalten, sondern auch gewerblichen Nutzern. An eine offene Plattform können sich neben national tätigen Dienstebetreibern auch lokal tätige kleinere Anbieter anbinden, z.B. mit Anwendungen für kleine Zielgruppen.
Wenn die Bundesrahmenregelung Leerrohre als rechtliche Grundlage gewählt wird, ist der Betrieb offener Netzplattformen ohnedies zwingend erforderlich.
Leerrohrnetze als Geschäftsmodell
Die Errichtung und Vermarktung von ganzen Anschlussnetzen, bestehend aus Kabelschutzrohren und Lichtwellenleiterkabeln zwischen einem Netzknoten und dem Hausanschluss, kann durch Kreise und Kommunen oder Energieversorger (z.B. Stadtwerke) erfolgen. Es kann aber auch ein Geschäftsmodell für langfristig orientierte Anleger sein (z.B. Tiefbauunternehmen oder auch Finanzinvestoren). Der Bedarf an schnellen Internet-Zugängen steigt stetig an und etwa alle drei Jahre verdoppelt sich das übertragene Datenvolumen. Somit ist eine Betätigung in diesem Markt grundsätzlich interessant. Die Attraktivität des Marktsegmentes hat offensichtlich auch die Deutsche Glasfaser GmbH erkannt, deren Schwestergesellschaft Reggefiber B.V. in den Niederlanden bereits über 1 Mio. Glasfaseranschlüsse errichtet und in Betrieb hat.
Anders als in Ballungsgebieten, in denen bereits heute mehrere unabhängige Breitbandanschlussnetze parallel errichtet werden, ist im ländlichen Raum nur ein einziges Breitbandanschlussnetz zu erwarten. So können neue Monopole entstehen – zumindest auf der Ebene der passiven Infrastruktur. Trotz des zu erwartenden „natürlichen“ Monopols und des steigenden Bedarfs ist es keineswegs selbstverständlich, dass der Betreiber den Break-even-Punkt innerhalb des Planungshorizonts erreicht. Die Beharrlichkeit, mit der Kunden beim bisherigen Anbieter bleiben (selbst bei deutlich schlechterer Leistung) und die geringe Bereitschaft, für höhere Leistungen mehr zu zahlen, erschwert das Erreichen der Kundenzahlenplanwerte.
Daher sind neben stabilen technischen Lösungen intensive Aufklärung und Information der Bevölkerung und der Unternehmen erforderlich. Dies sollten die Verwaltung und andere Institutionen begleiten.
Vorvertragsquoten nach Investitionen
Eine zusätzliche Absicherung der Zielerreichung kann durch den Abschluss von Vorverträgen vor Baubeginn geschaffen werden. Welche Quote an Vorverträgen man als erforderlich ansieht, hängt vom jeweiligen Geschäftsmodell des Investors ab. Die Deutsche Telekom hat bei den bisher umgesetzten FTTH-Projekten eine Quote von 10 % gefordert, die teilweise auch erst durch Unterstützung der Kommune erreicht wurde. In Münster wurde selbst diese – verhältnismäßig niedrige – Quote an Vorverträgen nicht erreicht, so dass die Telekom hier zunächst wohl kein Glasfaseranschlussnetz errichtet.
Bei einer Breitbanddurchdringung von ca. 58 % ist eine Vorvertragsquote von 40 %, wie sie die Deutsche Glasfaser GmbH für den Ausbau in Heinsberg fordert, sehr ambitioniert und vermutlich nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zu erreichen. Je niedriger die heutige Bandbreite liegt, desto höher ist in der Regel die Bereitschaft, zu wechseln. Bereits bei verfügbaren Bandbreiten von etwa 6 MBit/s sinkt die Wechselbereitschaft erheblich. Höhere Verbraucherpreise als in den Ballungsgebieten lassen sich ebenfalls nur in Einzelfällen (z.B. bei hohem akutem Bedarf) durchsetzen und senken gleichzeitig die Marktdurchdringung. Geforderte Vorvertragsquoten von deutlich oberhalb 50 % dürften bei den derzeitigen Marktverhältnissen unrealistisch sein.
Dabei ist die Forderung nach hohen Vorvertragsquoten durchaus verständlich. Die Durchschnittswerte für die Errichtung eines Hausanschlusses liegen bei ca. 1500 Euro, wobei dieser Wert je nach Topografie in weitem Rahmen schwanken kann. Im ländlichen Raum dürften die Kosten aufgrund der einfacheren Verlegungsmöglichkeiten im Bereich von 1000 bis 1200 Euro pro Anschluss liegen, von denen 70–80 % auf Tiefbauleistungen und die Verlegung geeigneter Leerrohrstrukturen entfallen. (Die Nutzung von bereits vorhandenen Leerrohren durch Anmietung senkt die erforderlichen Investitionskosten.) Wird ein Gebiet vollständigen erschlossen, so sind bei einer Durchdringungsquote von 10 % durch einen vermieteten Anschluss Kosten in Höhe von ca. 12.000 Euro zu decken; bei einer Durchdringung von 50 % sind es nur noch 2400 Euro.
Erlöspotenzial im Infrastrukturbetrieb
Dem Investitionsaufwand stehen zu erwartende Einnahmen durch die Vermietung an Netzbetreiber gegenüber. Hierfür sind unterschiedliche Modelle realisiert, von der umsatzabhängigen Vergütung über die Anmietung einzelner Hausanschlüsse bis zum Fasermietmodell. Die Vermietung von Dark Fiber erfolgt derzeit je nach regionalen Bedingungen und vorhandenen Angeboten zu Preisen zwischen ca. 2 und 10 Cent pro Monat und Meter; die gesamte Teilnehmer-Anschluss-Leitung (TAL) bringt Erlöse im Bereich von 7 und 10 Euro pro Monat. Werden 10 Euro für die TAL-Miete vereinbart, so ergibt sich über 20 Jahre kumuliert ein Erlöspotenzial in Höhe von 2400 Euro, das bei einer Durchdringung von 50 % gerade eben die Investitionskosten deckt (ohne Betriebskosten und Zinseffekte). Die Ergebnisse können sich verbessern, wenn man die Potenziale der Optimierung konsequent nutzt:
- Höhere Durchdringungsquoten senken die zu amortisierenden Kosten und steigern die Einnahmen.
- Einsparungen bei der Verlegung (kostengünstige Verlegetechniken und die Nutzung von vorhandenen Infrastrukturen) senken die Gesamtinvestitionen.
- Baukostenzuschüsse von den Grundstückseigentümern entlasten das Investitionsvolumen.
Geht man bei 1200 Euro Investitionskosten pro Anschluss im ländlichen Raum von 80 % Anteil für den Tiefbau und die Verlegung der Kabelschutzrohre aus, rechnet mit einer potenziellen Einsparung in Höhe von 10 % durch Nutzung von vorhandenen Leerrohren und einem Baukostenzuschuss in Höhe von einmalig 300 Euro bei einer Durchdringungsrate von 50 %, so ergeben sich je Anschluss kalkulatorische Investitionsaufwände in Höhe von knapp 1130 Euro. Die tatsächlichen Aufwände und Einsparpotenziale müssen zwar im Einzelfall ermittelt werden, aber wenn man für ein passives Anschlussnetz eine durchschnittliche Lebensdauer von 50 Jahren ansetzt, sollte ein auf längere Sicht profitables Geschäft für Infrastrukturbetreiber gestaltbar sein.
Neben den genannten Einsparpotenzialen hängt der Erfolg einer unternehmerischen Betätigung entscheidend von der erreichten Kundenakzeptanz im Sinne der Durchdringungsquote ab. Auch die vertragliche Vereinbarung mit einem Netzbetreiber über die Nutzungskonditionen hat erheblichen Einfluss auf den Geschäftserfolg.
Akzeptanzprobleme im Kreis Heinsberg
Beschwerden über zu langsame Internet-Zugänge hört man oft, insbesondere im ländlichen Raum. In Gebieten mit heute mehrheitlich weniger als 6 MBit/s ist das auch unmittelbar einsichtig, da dort eine effiziente Nutzung von Internet-Anwendungen kaum möglich ist. Bei einem Ausbau in den schwach versorgten Gebieten liegt die Take-up-Rate, die die Akzeptanz von Breitbandlösungen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung beschreibt, bei ca. 60 %. Dies entspricht dem derzeitigen Durchschnitt der Breitbandnutzung in Deutschland von ca. 77 % Internet-Nutzern.
Ganz anders sieht die Situation aus, wenn die Versorgung vor dem Ausbau etwas besser ist. Nur ca. 25 % der Haushalte (und der Betriebe) bucht nach STZ-Erfahrungen Anschlüsse mit mehr als 25 MBit/s. Dabei ist heute schon deutlich, dass die über die Jahre steigenden Datenvolumina auch weiter mit ca. 18 % pro Jahr zunehmen werden. Gleichzeitig wächst der Bedarf an schnelleren Upload-Geschwindigkeiten, z.B. beim Versenden von Bildern und Videos oder bei der Nutzung von Cloud-Diensten zur Datenspeicherung. Mit den asymmetrischen DSL-Diensten ist dergleichen erst schwach realisierbar.
Die STZ-Consulting Group ist eine Unternehmensberatung, die Unternehmen und Kommunen bei der Bewältigung von Veränderungsprozessen unterstützt, von der Entwicklung tragfähiger Konzepte bis zur Umsetzung. Die Partner der STZ-Consulting Group haben langjährige Erfahrungen aus eigener operativer Führungstätigkeit in Unternehmen, aus der Gründung und dem Aufbau von Unternehmen sowie in der Beratung. Ein Branchenschwerpunkt liegt in der Telekommunikation.
Dr. Jürgen Kaack – STZ-Consulting Group, Kolibristr. 37, 50374 Erftstadt, Tel. 02235-988776, info@stz-consulting.de, www.stz-consulting.de.
Vor diesem Hintergrund sollte man vermuten, dass ein Angebot zur Schaffung von Glasfaseranschlüssen mit symmetrischen Bandbreiten zu vergleichbaren Preisen eines VDSL-Dienstes ohne Zaudern angenommen wird. Die Deutsche Glasfaser GmbH ist mit einem solchen Angebot seit Mitte 2012 in verschiedenen Kommunen der Kreise Heinsberg und Viersen tätig.
Um das Vorhaben bei den vorhandenen Ressourcen managen zu können, wird der Ausbau in verschiedenen Phasen durchgeführt: In der ersten Runde wurden ausschließlich unterversorgte Ortsteile bearbeitet. Von 34 Pilotregionen wurde nur in einem einzigen Ortsteil die Vorvertragsquote von 40 % nicht erreicht, in den anderen Gebieten wurde die Quote mit über 60 % überschritten; die Akzeptanz in einigen kleineren Ortsteilen liegt sogar über 90 %. In der zweiten Runde wurden weitere 19 Ortsteile aus dem Kreisgebiet hinzugenommen. Nach einer über viermonatigen Informations- und Vorverkaufsphase erreichten jetzt nur noch sechs die Mindestquote; die höchste Vorvertragsquote liegt jetzt bei „nur“ 54 %.
Noch geringer liegt die Akzeptanz bei dem jüngeren Projekt im Kreis Viersen: Von 18 Pilotregionen hat noch keines die geforderte Mindestvertragsquote erreicht. Wirklich verständlich ist die schwache Akzeptanz nicht, denn eine gute Breitbandversorgung steigert den Immobilienwert und verbessert die Vermietbarkeit. Zudem ist mit einem Glasfaseranschluss zukünftig eine Erhöhung der Geschwindigkeit problemlos möglich – und das grundsätzlich mit symmetrischen Werten für Up- und Downstream!
Besonders signifikant ist die Situation am Beispiel der Kernstadt von Wegberg. Hier besteht derzeit eine VDSL-Versorgung mit maximal 25 MBit/s – für heutige Internet-Anwendungen gut ausreichend, aber nicht unbedingt nachhaltig zukunftssicher. Nach vier Monaten Projektlaufzeit in Wegberg wurde gerade mal eine Vorvertragsquote von 14 % der Haushalte erreicht. Das ist der bislang mit Abstand schlechteste Wert im Kreis Heinsberg.
Fazit: Der Weg ist steinig, aber richtig
Keine andere Breitbandtechnologie bietet die Möglichkeiten und die Zukunftssicherheit der Glasfaser. Lichtwellenleiter können lange Strecken ohne Dämpfung überbrücken, im Anschlussnetz werden kaum aktive Netzkomponenten benötigt und bereits heute lassen sich standardmäßig 100 MBit/s im Up- und Downstream realiseren. Zukünftige Steigerungen werden in erster Linie vom vorhandenen Bedarf bestimmt. Keine andere Technologie ist so prädestiniert für einen offenen Netzzugang auch für kleinere Dienstebetreiber. Die Smart City kann mit ihren wachsenden Anwendungen auf einem Glasfasernetz ideal aufsetzen.
Trotzdem ist die Akzeptanz für die neue Technologie noch nicht so, wie man sie erwarten könnte. Beharrungskräfte beim Verbraucher senken die Bereitschaft zum Wechsel, was teilweise noch an Telefonie-Angeboten liegt, die nicht immer seriös sind und nicht immer reibungslos funktionieren. Es bedarf offensichtlich weiterer Information und Aufklärung über die Entwicklung in Datenkommunikation, damit eine fundiertere Entscheidung möglich ist.
Sollte die Deutsche Glasfaser GmbH die Kernstadt von Wegberg aufgrund des schlechten Ergebnisses jetzt nicht mit einem Glasfaseranschlussnetz ausbauen, wird es vermutlich in den nächsten Jahren auch kein anderer Anbieter tun. In spätestens zehn Jahren wird man rückblickend fragen, wie man nur eine solche Entscheidung treffen konnte. Dann wird es aber voraussichtlich den städtischen Haushalt und damit Steuergelder treffen, die für den dann erforderlichen Ausbau aufkommen müssen. Vielleicht muss man vonseiten der Politik (sowohl auf Landes- wie auf Kommunalebene) etwas mehr tun, um den Wettbewerb mit nachhaltigen Infrastrukturen zu stärken?