Context und Content Awareness zusammenführen
Von Sacha Chahrvin, Managing Director, DeviceLock GB und Irland
In der unternehmensinternen Informationssicherheit dominiert in den letzten Jahren der risikoorientierte Ansatz. Dementsprechend bewegt sich die IT-Sicherheitsbranche von einem netzwerk- hin zu einem datenorientierten Informationssicherheitsmodell.
Zwischen den Jahren 2002 und 2004 kamen die ersten Appliances für [[IT-Sicherheit,_Teil_1|Data Leak Prevention] (DLP) zur Analyse der kompletten Kommunikation über Firmennetzwerke auf den Markt. Diese Geräte filterten z.B. den Webzugang, E-Mails und Instant Messages (IM). Sensitive und vertrauliche Informationen sollten so direkt geschützt werden, damit keine Schäden für Unternehmen entstehen, weil etwa Unberechtigte auf Informationen zugreifen und diese missbräuchlich verwenden können.
Gleichzeitig stieg jedoch die Bedrohung durch Datenlecks an Firmencomputern, genauer gesagt über deren Ports oder Peripheriegeräte. Mitarbeiter umgingen den Schutz der Netzwerke einfach, indem sie Firmenunterlagen lokal etwa auf einen USB-Stick kopierten und sie aus dem Unternehmen trugen. Folglich stieg die Nachfrage nach Produkten zur Geräte- und Portkontrolle sowie bald auch nach Endpoint-DLP-Lösungen mit stärkerer Kontextsensitivität (Context Awareness).
Nach Inhalt oder Vorgang?
Netzwerkbasierte DLP-Appliances- und Endpoint-Device-Control-Produkte adressierten den gleichen Markt, allerdings mit unterschiedlichen Technologien: die einen mit Inhaltsfilterung (Content Filtering) und die anderen mit kontextbasierten Methoden.
Beide Technologien zielen auf die Erkennung sensitiver Daten ab, wobei die Daten beim Content Filtering nach bestimmten Begriffen, also contentbasiert, analysiert werden. Bei der kontextbasierten Methode wird nicht der Inhalt einer Datei, sondern es werden bestimmte Operationen wie das Verschieben, Kopieren oder Löschen überwacht und gegebenenfalls verhindert.
Auf Anbieterebene entstand dabei eine fast ideologische Trennung zwischen Content Filtering und kontextbasierten DLP-Technologien. Die Befürworter von Content Filtering argumentierten, dass einzig und allein ihre intelligenten Technologien das Problem von Datenlecks in Firmen umfassend lösen könnten, da sie direkt an den aussagekräftigen Inhalten der Daten – der Information – ansetzten. Device-Control-Produkte wurden beschuldigt, sie seien nicht in der Lage, die grundlegenden Prinzipien der Datensicherheit zu „verstehen“ und müssten sich daher auf indirekte – und dementsprechend ineffiziente – Methoden beschränken. Als Gegenargument verwiesen die Anbieter von Device-Control-Produkten auf den hohen Anteil von „falsch positiven“ Ergebnissen bei Content-Filtering-Lösungen sowie auf ihre totale Unfähigkeit, lokale Datenlecks einzelner Firmenrechner zu schließen.
Getrennt analysieren, vereint schlagen
Seitdem hat sich der Markt grundsätzlich gewandelt: Endpoint-Computer sind leistungsfähiger geworden, sodass reine Endpoint-DLP-Hersteller und einige DLP-Appliance-Anbieter Funktionalitäten zur Port-Content-Analyse in ihre Endpoint-Produkte integrieren konnten. Die Marktdurchdringung von Endpoint-Lösungen mit Content Filtering ist erheblich gestiegen. Bestätigt dies die Ineffizienz von kontextbasierten DLP-Technologien? Werden sie bald vom Markt verschwinden?
Die Antwort: Keinesfalls. Mittlerweile sind nicht nur die Lösungen für Endpoint-Computer ausgereifter geworden, sondern auch die Ansprüche der Unternehmenskunden.
Kontext- und inhaltsbasierte DLP-Technologien sind im Grunde gar nicht so unterschiedlich, wie bislang behauptet. Betrachtet man deren grundlegende gegenseitige Abhängigkeiten beim Endpoint-Computing, wird dies klar.
Die primäre Aufgabe einer DLP-Lösung ist das Verhindern von Datenlecks. Daher müssen diese Lösungen direkt die Bedeutung der weitergeleiteten Daten – also den Inhalt – erkennen und verifizieren. Da jedoch rein kontextbasierte Endpoint-DLP-Lösungen den Inhalt weder erkennen noch analysieren, müssen sie sich mit indirekten Methoden, wie z.B. Device Access Control, behelfen. Sie sind daher nur teilweise für den Schutz von Daten geeignet. Erst durch die Verknüpfung mit einer Content-Filtering-Anwendung können sie kompletten Schutz bieten.
Zum anderen lautet ein grundlegendes Prinzip der Informationstechnologie, dass man die wahre Bedeutung von Daten – also die enthaltenen Informationen – nur dann versteht und bewusst verwenden kann, wenn man sie im Kontext betrachtet. In Sachen DLP bestimmt also das volle Wissen um den Kontext einer Datenübertragung, ob es sich bei einer Reihe von abstrakt erscheinenden Daten um sinnvolle – und möglicherweise ungewollt nach außen gelangende – Informationen handelt.
Ohne zu wissen, wer die Daten sendet, woher und über welchen Übertragungsweg sie kommen und wohin sie transferiert werden, ist es unmöglich zu definieren, welche Informationen die Daten enthalten, wie vertraulich sie sind und ob ihre Weitergabe legitim ist, also ob die Sicherheitsbestimmungen des Unternehmens nicht verletzt werden. Mit anderen Worten: Contentbasierte DLP-Methoden sind nur dann praxistauglich, wenn sie den vollen Kontext einer Datenübertragung erfassen und mit bestehenden Compliance-Richtlinien vergleichen. Eine gute Richtlinie für das Content Filtering ist immer eine Kombination von inhaltlichen Parametern und relevanten Kontextvorgaben und -bedingungen.
So funktioniert optimale DLP
Die Abhängigkeit der Analyse der Dateninhalte am Endpoint von der Vollständigkeit der Kontextkontrollen wird deutlich, wenn man die Komplexität der Endpoint-DLP-Architektur betrachtet. Die größten Schwachstellen für Datenlecks am Endpoint-Computer sind:
- das Firmennetzwerk (LAN, WAN, WLAN),
- die Wechseldatenträger und Plug-and-Play-Geräte,
- die Datensynchronisation mit lokal angeschlossenen Smartphones/PDAs sowie
- die Druckeranbindung.
Jeder Übertragungsweg ist eine Ansammlung von mehrschichtigen physikalischen und logischen Schnittstellen, anschließbaren Geräten, Anwendungen und Systemfunktionen, verwendeten Dateiformaten und Informationsinhalt.
Im Endpoint-DLP-Prozess wird zuerst das angeschlossene Gerät oder die Netzwerkverbindung genau definiert und auf Interface-Ebene genehmigt. Der DLP-Agent ordnet dann der Verbindung die jeweilige zuständige Anwendung oder den zuständigen Service zu, um die Art des Übertragungsweges zu bestimmen und, falls notwendig, kontrollierend einzugreifen. Anschließend werden Charakteristika der übertragenen Daten, etwa das Dateiformat, erfasst. Dies ist notwendig für die Analyse von Textinhalten. Wenn diese Konfigurationen getroffen sind, startet die Content-Filtering-Engine.
Jedes fehlende „Puzzleteil“ in der Endpoint-Kontextkontrolle reduziert die Wirksamkeit des Content Filtering im Netzwerk und wirkt sich letztendlich auch auf andere Bereiche aus. Der Grund: Durch die Diskrepanz entstehen gefährliche Inkonsistenzen in der gesamten Durchsetzung von DLP-Richtlinien. Das kann sogar dazu führen, dass bestimmte Datenlecks nicht erkannt werden.
Beispiel: Druckerregeln ohne Anschlusskennung
Eine Schwachstelle von vielen Endpoint-DLP-Lösungen ist die unvollständige Kontextkontrolle beim Druckvorgang. Vielfach werden nur per USB angeschlossene Drucker am Endpoint-Computer erkannt. Wenn Unternehmen dann z.B. die DLP-Richtlinie festlegen, dass als vertraulich oder geheim eingestufte Dokumente keinesfalls über lokale oder am Netzwerk angeschlossene Drucker ausgedruckt werden dürfen, verhindern sie Datenmissbrauch keineswegs. Alle per LPT oder FireWire sowie über das Netzwerk angeschlossene Drucker werden nicht als „druckbereite Geräte“ identifiziert. Dementsprechend wendet die DLP-Lösung fälschlicherweise Zugangsrichtlinien für portbasierten Zugang an, die nichts mit dem eigentlich erforderlichen Umgang mit für den Druck bestimmten Daten zu tun haben.
Auch das Dateiformat der Druckdaten wird nicht erkannt und kein Text zur Filterung des Inhalts entnommen. Anwender können ungehindert alle beliebigen Dokumente über die LPT- oder FireWire-Anschlüsse sowie über Netzwerkdrucker ausdrucken. Es sei denn, alle lokalen Nicht-USB-Ports der Endpoint-Computer sind vollständig blockiert und die Netzwerkverbindung per Firewall abgeriegelt.
Unternehmen müssen sich der gegenseitigen Abhängigkeit von inhaltsbasierten DLP-Anwendungen und möglichst lückenlosen kontextbasierten DLP-Kontrollen bewusst werden, und zwar auf allen Ebenen und Übertragungswegen am Endpoint-Computer. Nur so können sie ihre Informationen optimal gegen Datenmissbrauch schützen.
Fazit: Praxistipps für Unternehmen
Endpoint-DLP-Lösungen werden zunehmend auch in kleinen und mittleren Unternehmen eingesetzt. Bei der Wahl einer Endpoint-DLP-Lösung sollten Unternehmen einen ausführlichen Anforderungskatalog erstellen und mit dem bestehenden Risikoprofil von Datenverlusten durch internes Fehlverhalten abgleichen. Vor allem sollten sie sicherstellen, dass die kontextbasierten DLP-Kontrollen der Anwendungen wirklich alle denkbaren Szenarien für Datenlecks im Risikoprofil erfassen und abdecken.
Erst nachdem ein ausgeglichenes Maß an kontextbasierter Kontrolle erreicht ist, kann mit Entwicklung der Content-Filtering-Funktionen begonnen werden. Dafür stehen zahlreiche Technologien zur Auswahl: Wortmuster, oft verwendete Ausdrücke, „digitale Fingerabdrücke“, konzeptuelle und lexikalische Analysen, Clustering usw.
Die auf dem Markt angebotenen Lösungen unterscheiden sich deutlich – sowohl in der Leistungsfähigkeit als auch im Preis. Daher sollten Unternehmen genau abwägen, welche Lösungen für das Risikopotenzial ihres Unternehmens geeignet sind und mit ihren Datenschutzrichtlinien im Einklang stehen.
In der Praxis besteht jedenfalls kein Widerspruch zwischen Inhaltsfilterung (Content Filtering) und kontextbasierter Datenkontrolle. Das ergänzende Zusammenspiel beider Technologien ist entscheidend dafür, dass DLP-Lösungen im Unternehmenseinsatz wirklich zuverlässig und effizient sind.
Nützliche Links
Für Auskünfte zum Thema steht DeviceLock gerne unter der E-Mail-Adresse info@devicelock.de zur Verfügung.