Geothermie für Rechenzentren: Wie ein Bremer Rechen­zentrum mit Geo­thermie kühlt

Der Boden unter dem Data­center bietet oft eine lohnende Alter­native zu den klas­sischen, energie­intensiven Kühl­methoden: Geo­thermie. In 100 m Tiefe ist der Unter­grund im Hoch­sommer nämlich fast noch winter­kalt. Ein Vor­zeige­projekt in Bremen spart auf diese Weise über 90 % der Kühlenergie.

Tiefe Temperaturen

Von Andres Dickehut, CEO Consultix GmbH

Viele Rechenzentren setzen derzeit noch auf klassische Kältemaschinen. Die erzeugen einen Kaltwasserstrom, nehmen die Abwärme der IT auf und geben sie an die Umgebungsluft über einen Rückkühler ab. Bei einer maximalen Skalierung von 2 MW ist dieser Energieeinsatz nicht nur teuer, sondern führt beim gängigen Strommix auch zu erheblichen CO2-Emissionen. Es ist also kein Wunder, dass im RZ-Durchschnitt nur etwas mehr als die Hälfte des Energiebedarfs auf die eigentliche IT geht, der Rest verschwindet vor allem in der Kühlung.

Auf der Suche nach sparsameren Alternativen hat man die geothermale Kühlung als innovatives Energiekonzept entdeckt. Durch die Nutzung der Grundwasserzirkulation lassen sich die Server nämlich effizient kühlen. Ausfallsicherheit lässt sich durch Redundanz mit Mehrfachleitungen leicht herstellen, das System ist kaum wartungsanfällig, und die Verfügbarkeit der Erdkälte ist durchgehend und verlässlich zu 100 % gegeben, unabhängig von Wind und Wetter. Selbst länger anhaltende Hitzeperioden verändern sich die Temperaturen in 100 bis 200 m Tiefe nicht.

Geothermie im Hochbunker Bremen

Das Verfahren bietet sich überall dort an, wo ausreichend Kühlleistung erzielt werden kann, wird also in unseren Breiten kein Einzelfall bleiben – von Region zu Region gibt es bei der Geothermie freilich Unterschiede. Ein Standort, an dem sich das Konzept als lohnend erwiesen hat, ist Bremen. Dort untersuchte die Universität mit einem Team aus Ingenieuren die Leistungsfähigkeit des Untergrunds und kam nach Simulationen zu dem Schluss, dass sich hier ein modernes Rechenzentrum maßgeblich mit Geothermie temperieren lasse. Unterstützt wurde das Projekt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, und bereits 2014 erhielt das geothermale Kühlungskonzept dafür den deutschen Rechenzentrumspreis. Schauplatz ist einer der ABC-Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Im ersten Halbjahr 2017 wird dort das ColocationIX-Datacenter seinen Betrieb aufnehmen.

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Das ColocationIX-Rechenzentrum im Bremer Hochbunker kühlt seine Server mit Geothermie, durch Erdsonden im Untergrund. (Bild: Consultix)

Um die Bodenkälte zu nutzen, hat man in der Bremer Innenstadt spezielle Integralsonden 100 und 200 m tief in die Erde gebohrt. Dort hat das Grundwasser hierzulande, je nach Standort, etwa um 12˚ C. Vier redundante, voneinander unabhängige Kreisläufe sichern die Versorgung und liefern 200 KW Dauerleistung sowie eine Spitzenleistung von 800 KW. In der sommerlichen Hitzeperiode, in der Kältemaschinen ihren höchsten Stromverbrauch hätten, liefern die Sonden kostengünstige Kühlung – bei minimalem Stromverbrauch, ganz ohne Kältemaschine. Außerhalb der Hitzeperiode wird die Umgebungsluft als Kältequelle eingesetzt.

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Andres Dickehut ist CEO des deutschen Marketing- und IT-Dienstleisters Consultix GmbH. Das inhabergeführte, deutsche Unternehmen ist ein international agierender Anbieter von webbasierten Services und Software für das Customer-Relationship-Management (CRM), Kundenbindungsmanagement, Digitales Marketing und E-Commerce. Flaggschiff ist die Customer Engagement Plattform ProCampaign. Consultix ist Technologieführer im Bereich personenbezogener Daten und wurde mehrfach und als erster CRM-Anbieter für seine Vorreiterrolle im Bereich Datenschutz und Datensicherheit ausgezeichnet. Neben seinen Digital-Business-Lösungen bietet Consultix Dedicated Hosting sowie Cloud Services in seinen eigenen, hochsicheren Rechenzentren in Deutschland an.


Consultix GmbH, Wachtstraße 17–24, 28195 Bremen, Tel.: 0421-33388-0, info@consultix.net, www.consultix.de

Mehrere Rückkühler auf dem Dach führen dabei die Kälte in den Erdboden zurück, um die Geothermie zu regenerieren. So wird der Untergrund als Kältespeicher über die Sonden immer wieder „aufgeladen“ und kann damit in der Kühlphase maximal ausgeschöpft werden. In den Übergangszeiten wird der Rückkühler adiabatisch mit Wasserbenebelung betrieben. So liefert er Temperaturen unterhalb der Umgebungstemperatur. Beim Hochbunker Bremen geschieht so: Steigen die Außentemperaturen auf über 20˚ C, werden die Rückkühler mit Wasser benebelt und kühlen durch die Verdunstungskälte um mehrere Grad ab, sodass die Temperatur des Kühlwassers auf unter 20˚ C sinkt. Pro Liter vernebeltem und verdunstendem Wasser werden circa 0,7 kW/h zusätzlicher Energie zur Kühlung frei. Bei einem Kubikmeter Wasser summiert sich die Leistung auf bereits 700 KW für eine Stunde. Ab 28˚ C schaltet dann auch die geothermische Kühlung zu. Sie kann das Datacenter auch bei Tageshöchsttemperaturen über 28˚ C kühlen.

Im Inneren des fünfstöckigen Hochbunkers kommen In-Row-Cooling-Systeme zum Einsatz. Zudem werden einige Flächen durch Betonkernaktivierung gekühlt – bei einem ehemaligen Atombunker mit 2 m dicken Betonaußenwänden bietet sich das an. Auf diese Weise wird die Energie im Gebäude selbst eingespeichert und großflächig ausgetauscht. ColocationIX nutzt die Abwärme auch zum Heizen.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe „Rechen­zentren und Infra­struktur“. Einen Über­blick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.

Energieeffizienz plus Sicherheit

Der 2000 m² große ColocationIX-Hochbunker ist auf höchste Energieeffizienz ausgelegt, folgt den Vorgaben von DIN EN 50600 in der höchsten Schutzklasse 4 und gilt als derzeit modernstes Datacenter in Norddeutschland. Der PUE-Wert (Power Usage Effectiveness), der bei Rechenzentren normalerweise einen Wert von etwa 2 erreicht, ist hier auf stattliche 1,05 angelegt, basierend auf der Leistung von 1 MW. Im laufenden Betrieb spart der Standort mit der Geothermielösung rund 95 % der nötigen Kühlenergie ein.

Das hat auch zur Folge, dass die RZ-Planer dafür auf der Seite von Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit großzügiger konzipieren können und in eine extralange Batterielaufzeit der USV-Anlagen investieren oder aus Brandschutzgründen zusätzlich eine permanente Sauerstoffreduktion betreiben. Eine nahezu vollständig „grüne“ Kühllösung ist also nicht nur möglich, sondern kommt letztlich der Qualität zugute.

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