Weil gute Mitarbeiter viel zu kostbar sind
Von Prof. Günther H. Schust im SCOPAR-Beratergremium
Stimmt die Führungskultur in einem Unternehmen nicht, stimmt auch die betriebliche Leistung nicht. Die Wertschöpfung im Unternehmen bleibt zurück.
Das Versagen von deutschen Firmen in zahlreichen für die deutsche Wirtschaft herausragenden Projekten, wie z.B. Gentechnologie, Transrapid, Maut, ökologischer Motoren-, Heizungs- und Hausbau, UMTS etc. macht deutlich, dass der Standort Deutschland nicht nur durch Reformunfähigkeit und Flexibilitätsmangel gefährdet ist, sondern auch durch eklatante Führungsfehler in Projekten, die das „Made in Germany“ immer mehr in Verruf bringen. Fehler werden nicht nur einmal gemacht, sondern immer wieder die gleichen.
Inzwischen ist auch die Motivation der Menschen für ein echtes Engagement größtenteils erlahmt. Jeder zweite Mitarbeiter und Beamte hat bereits innerlich gekündigt. Die Dunkelziffer gescheiterter (Entwicklungs-)Projekte in Wirtschaft und Politik steigt ständig weiter. Am Ende zahlt immer mehr der engagierte Mitarbeiter die Zeche, durch Verlust seines relativ gering dotierten Arbeitsplatzes, weil durch Fehlentscheidungen so und so viel Millionen Euro in den Sand gesetzt werden.
Fünf Erfolgsfaktoren
Deshalb ist es notwendig, dass Führungskräfte und Politiker zukünftig Ihr Wissen und Verhalten mit einem „Führungsschein“ alle zwei bis drei Jahre auffrischen. Immer noch investieren Betriebe zehn- bis hundertmal mehr in die Instandhaltung, den Kauf neuer Maschinen/Anlagen und Medien als in die Wissensinstandhaltung ihrer Mitarbeiter!
Supportiv und nachhaltig führen
Den komplexen Anforderungen einer sich ständig wandelnden Umwelt kann nur mit einem gemeinsamen Handeln aller Beteiligten begegnet werden. Über die Ziele des Unternehmens müssen sich deshalb Führung und Schlüsselmitarbeiter einig sein. Die Unterziele müssen realistisch und auch schrittweise erreichbar sein.
Zur Erreichung der Ziele müssen aber alle Beteiligten motiviert und qualifiziert sein – immer mit dem Ziel vor Augen, die Prozesse, Kreativität und Wertschöpfung des Unternehmens nachhaltig zu steigern. Erfolgreich ist ein Unternehmen heute nur, wenn es die Bedürfnisse der Kunden antizipiert, diese kostengünstig in markt- und umweltgerechte Produkte umwandelt und zeitgenau auf den (globalen) Markt bringt.
Gerade die Zielvereinbarung und die dabei notwenige Unterstützung sind die entscheidenden und wichtigsten Punkte. Leitbild-, Gewinn- und Kostenstrukturziele sind der Organisation immanent, können aber nur mit dem adäquaten Mitarbeiterpotenzial erreicht werden. Letztendlich entscheiden dabei die Veränderungsbereitschaft, das Denken in neuen Strukturen sowie die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und ihren Aufgaben.
Gefordert sind daher ein neues Selbstverständnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, klare Kommunikation in beiden Richtungen sowie die Bereitschaft, Mitarbeiter bei der Erreichung ihrer Ziele bzw. Meilensteine zu unterstützen und damit aus Mit-Arbeitern Mit-Verantwortliche zu machen.
Mit-Verantwortliche gewinnen und auswählen
Am Anfang stehen das Image und die Attraktivität des Unternehmens (Employer Branding) – sowohl gegenüber potenziellen Bewerbern, als auch gegenüber den eigenen Mitarbeitern. Bewerber um eine Stelle können außerhalb und innerhalb einer Organisation gefunden werden. Hierfür muss aber das Anforderungsprofil spezifiziert werden. Im Mittelpunkt der Auswahl sollten nicht nur das Fach- und Methodenwissen, sondern die Eigenschaften des Bewerbers stehen, wie z.B.: Unternehmerisches, ökologisches Denken, Lern- /Entlernfähigkeit, Zukunftspotenzial und soziale Team- bzw. Führungskompetenz.
Fachliches Wissen ändert sich heute ca. alle drei bis fünf Jahre und kann problemlos neu vermittelt werden. Die immer notwendiger werdenden persönlichen Eigenschaften – situatives Einfühlen und Wahrnehmung (emotionale Intelligenz), Gesprächsführung, Rhetorik, Moderation und Präsentation etc. – dagegen nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand. Dabei ist von der Führung in einem Profiling auf eine möglichst hohe Kongruenz der Fähigkeiten und Eigenschaften mit den zu erwarteten Schlüsselanforderungen, die das Unternehmen unbedingt benötigt, zu achten.
Persönlichkeit und Potenziale intelligent ausschöpfen
Das Ausschöpfen der Leistungspotenziale ist keine „Einbahnstraße“, sondern ein gegenseitiger Erfahrungs- und Wissensaustausch – sowohl bereichsübergreifend, als auch zwischen „oben“ und „unten“ sowie zwischen erfahrenen und jungen Mitarbeitern. Ziel ist es, die „richtigen“ Mitarbeiter/innen entsprechend ihren Fähigkeiten einzusetzen, sie zu fördern und Leistungen von ihnen zu fordern.
Gerade die zunehmende Komplexität aller möglichen Rahmenbedingungen erfordert Führungskräfte und Mitarbeiter/innen, die es durch den Einsatz in verschiedenen Bereichen und Projekten gelernt haben, „über den Tellerrand zu schauen“, und sich so Flexibilität, Schlüsselqualifikationen und Entscheidungsfähigkeit angeeignet haben. Auch muss bei den Führungskräften das Verständnis geweckt werden, dass diese bereit sein müssen, zwischen Führung und Nichtführung zu wechseln. Nur so können flache Hierarchien, die wir benötigen, Team- und Projektarbeit erfolgreich greifen.
Organisationsstruktur vernetzen und auf Kunden ausrichten
Mitarbeiterführung findet in Organisationsstrukturen statt. Die Tauglichkeit und der Effizienzgrad einer Organisation beeinflussen daher entscheidend die Möglichkeiten der Potenzialausschöpfung und das Reagieren auf Umweltveränderungen. Formale bzw. bürokratische Strukturen sind sehr statisch und arbeitsteilig aufgebaut, mit Weisungsketten ausgestattet und ihre Informationsflüsse sind formal vorgegeben: insgesamt recht schlechte Voraussetzungen, um Leistungspotenziale im oben beschriebenen Sinne zu gewinnen und zu fördern.
Notwendig sind vielmehr Netzwerkstrukturen in kleinen, beweglichen und autonomen Einheiten, in denen Führungskräfte und Mitarbeiter Verantwortung teilen, offen miteinander zusammenarbeiten und ihre Aktivitäten konsequent auf die Kundenbedürfnisse ausrichten. Damit ist erst eine geeignete Anpassung an den ständigen innovativen Wandel garantiert. Die Aufgaben und Verantwortung werden in den meisten Fällen an die Stelle verlagert, die „es am besten ausführen und verantworten kann“. Soweit wie möglich werden zentrale Stellen durch am Kunden operierende Stellen ersetzt. Die hierarchischen Strukturen werden von kundenorientierten Prozessen abgelöst, weil diese schneller, innovativer und damit leistungsfähiger sind.
Partnerschaftliche Unternehmenskultur weiterentwickeln
Soll eine solche neue Organisationsform funktionieren, braucht sie entsprechende „partnerschaftliche Spielregeln“, die auch eingehalten werden müssen. Entscheidend ist, dass Mitarbeiter und Führungskräfte auf gleicher Ebene stehen, gleichberechtigt sind und partnerschaftlich miteinander umgehen.
Für ein solches Verhalten muss neben den oben beschriebenen organisatorischen Umstrukturierungen auch eine Ethik bei der Verfolgung der gemeinsamen Ziele gelebt werden, die den partnerschaftlichen, ziel- und kundenorientierten Umgang fördert. „Erfolg hat viele Gründe, man muss ihn sich permanent von Neuem erarbeiten“, sagt Volker Kronseder, Vorstand der Krones AG. „Mit den Mitarbeitern muss ein ständiger Dialog geführt werden. Sie wollen dabei sehr ernst genommen werden.“
Wichtig ist, dass die Mitarbeiter ihren eigenen Beitrag, die Wertschöpfungskette, die Kosten und Deckungsbeiträge im Unternehmen kennen. Erst dann können sie den Sinn ihrer Arbeit verstehen und – motiviert – zum Gelingen des Ganzen beitragen. Letztlich kommt der Erfolg bei der Arbeit durch erfolgreich abgeschlossene Projekte (auch in der Krise!). Führungskräfte dürfen sich – wenn sie sich als wirkliche Führer verstehen wollen – daher als Vorbilder nie aus ihrer Verantwortung stehlen.
Nützliche Links
Eine ausführliche Darstellung findet man in Günther H. Schust: Human Performance Management. Wie Sie Mitarbeiter zur Wertschöpfung führen. Rosenberger Fachverlag, Leonberg: 2000 (Die lernende Organisation; 18), ISBN 3-931085-27-9.