Gesundheitsförderung beginnt in der Auseinandersetzung
Von Dr. Timo Müller, IKuF-Institut
Zwischenmenschliche Konflikte gehören zum Unternehmensalltag. Tagtäglich fühlen sich Menschen am Arbeitsplatz durch das Verhalten von Kollegen und Vorgesetzten beeinträchtigt: Es werden Entscheidungen getroffen, die den eigenen Interessen widersprechen, und Bedürfnisse – z.B. nach Respekt und Gestaltungsspielraum – bleiben unbeachtet. Ist damit jedes Unternehmen als Quelle für Konflikte ein gesundheitsgefährdender Ort?
Vorgesetzter: „Herr Schuster, wie ist der Stand bei Ihrem Projekt?“ – Mitarbeiter: „Mein Name ist Schumann.“ – Der Vorgesetzte laut: „Es ist mir egal, wie Sie heißen, Herr Schuster. Ich habe nach dem Projektstand gefragt.“
Dieses – nicht erfundene – Fallbeispiel veranschaulicht, wann ein Konflikt am Arbeitsplatz eine gesundheitsgefährdende Wirkung entfaltet. Zunächst muss der jeweilige Konflikt so beschaffen sein, dass er negativen Stress verursacht: Distress. Der Distress zeigt sich auf der physiologischen Ebene und wird von Wut- und/oder Angstgefühlen begleitet. Je höher die Intensität und die Häufigkeit der beruflichen Distress-Erfahrungen, desto wahrscheinlicher werden psychische Erkrankungen und – über die Schwächung des Immunsystems – körperliche Krankheiten. Die Bandbreite reicht hier von Erkältungen bis hin zu schweren Formen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und verschiedenen Krebskrankheiten.
Die dadurch entstehenden Fehlzeiten wirken sich schließlich auch wirtschaftlich für das Unternehmen aus.
Der eigene Vorgesetzte als Gesundheitsrisiko?
Obgleich grundsätzlich jede Person im eigenen Berufskontext Distress auslösen kann, gibt es doch eine Person, die in diesem Zusammenhang besonders bedeutsam ist: der eigene Vorgesetzte. Er trägt Verantwortung für eskalierende Konflikte zwischen Mitarbeitern, die diese nicht in eigener Verantwortung regeln können. Bei eskalierenden Mitarbeiterkonflikten zu intervenieren – selbst oder mit externer Unterstützung –, ist Führungsaufgabe. Außerdem ist die Art und Weise, wie die Führungskraft mit ihren Mitarbeitern kommuniziert, entscheidend für die gesundheitliche Verfassung der Mitarbeiter.
Ist der Tonfall des Vorgesetzten respektvoll? Verzichtet die Führungskraft auf ruppiges Verhalten bzw. verbale Attacken? Und ändert sich die Kommunikation auch in Situationen nicht, in denen die Führungskraft selbst gestresst ist?
Dr. Timo Müller ist Leiter des Instituts für Konfliktmanagement und Führungskommunikation (IKuF) in Köln. Er ist als Business-Trainer, Keynote-Speaker und Konfliktmoderator im Einsatz.
IKuF – Institut (für) Konfliktmanagement und Führungskommunikation, Postfach 410614, 50866 Köln, Tel. 0221-964383-54, Fax: 0221-96438-54, kontakt@ikuf.de, www.ikuf.de
Führungsverhalten und Führungskommunikation
Vorgesetzte, die in ihrem Führungsverhalten primär sachlich-rational orientiert sind und nur die Erfüllung der Arbeitsaufgaben sehen, sind gefährdet, für ihre Mitarbeiter zu einem negativen Gesundheitsfaktor zu werden. Denn sie vernachlässigen die sozio-emotionalen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter. Häufig bemerken sie dies nicht, da bei ihnen die zentrale Führungsfähigkeit, sich in andere Menschen empathisch hineinzuversetzen, nur schwach ausgeprägt ist. Doch ihr Verhalten zeigt Wirkung: Einer Studie zufolge fehlten Beschäftige, die ihren Vorgesetzten als „einfühlsam“ einstuften, im Durchschnitt nur 3,7 Tage im Jahr, während Beschäftige mit „nicht einfühlsamen“ Vorgesetzten auf eine Fehlzeit von 6,2 Tagen kamen (vgl. MacBriade-King et al.: Solutions for the stressed-out worker. Ottawa, Ontario, Canada: The Conference Board of Canada 1999).
Nicht nur den sachlich-rationalen Führungskräften fehlen oft Kompetenzen des Einmaleins der Führungskommunikation. Dies ist auch bei perfektionistisch-„überkritisch“ denkenden Führungskräften der Fall. Diese erleben abweichende Vorstellungen als Distress und reagieren mit Zurechtweisungen, die – objektiv gesehen – kontraproduktiv sind. Beiden Führungskräfte-Typen mangelt es an Wissen: Wie gehe ich als Führungskraft professionell mit alltäglichen und schwierigen Gesprächssituationen um? Wie kommuniziere ich wertschätzend? Wie gebe ich angemessen Feedback? Und wie manage ich Konflikte erfolgreich? – Erkenne ich die Anzeichen eines Konfliktes frühzeitig? Und wie wirke ich gezielt auf entstehende Konflikt-Dynamiken ein?
Fazit: Konfliktmanagement-Kompetenzen erwerben
In einer Studie des Instituts für Konfliktmanagement und Führungskommunikation (IKuF) aus dem Jahr 2012 wurden Führungskräfte dazu befragt, in welchem Ausmaß sie jeweils dazu beigetragen haben, dass eine Situation zu einem stressigen Konflikt geworden ist. 60 % der Führungskräfte schätzten den eigenen Beitrag zu stressigen Konflikten als mindestens genauso groß ein wie den Anteil des Konfliktpartners. Der hohe Wert ergibt sich bereits bei der Selbsteinschätzung der Führungskräfte; es handelt sich hier (noch) nicht um eine Fremdeinschätzung. Das Untersuchungsergebnis zeigt, dass bei den Konfliktmanagement-Fähigkeiten von Führungskräften noch ein erheblicher Optimierungsbedarf besteht.
Für Unternehmen muss das Ziel die Gesundheitsprävention sein. Vorzubeugen heißt konkret, Personen im Unternehmen angemessen zu qualifizieren. Sie müssen dazu in der Lage sein, in beruflichen Alltagssituationen so zu kommunizieren, dass Konflikte nicht eskalieren und Distress weitgehend verhindert wird. Führungskräfte und Mitarbeiter, die profunde Kenntnisse zum Konfliktmanagement und zur Feedback-Kommunikation erworben haben, leisten einen wichtigen Beitrag zu einem erfolgreichen Gesundheitsmanagement.
Nützliche Links
Aktuelle Kurzberichte und Studien zu den Themenfeldern „Erfolgreiche Kommunikation am Arbeitsplatz“ und „Work-Life-Balance“ finden Sie unter www.ikuf.de/erfolgreich.