Das Vorhaben: Hilfe zur Selbsthilfe
Von Christine Goebel-Born, Machwürth Team International
Unternehmen bearbeiten immer mehr Aufgabenstellungen in Projekten, um schnell und flexibel auf Herausforderungen des Marktes reagieren zu können. Deshalb wird die Fähigkeit, Projekte richtig aufzusetzen und abzuwickeln, ein entscheidender Erfolgsfaktor. Die Praxis zeigt jedoch: In vielen Unternehmen gehen bereits die Vorstellungen darüber auseinander, was überhaupt ein Projekt ist. So wird in manchen Betrieben z.B. jede Sonderaufgabe, die mehrere Mitarbeiter gemeinsam erfüllen, bereits als Projekt bezeichnet – unabhängig von Komplexität und Relevanz für den Erfolg des Unternehmens.
Eine weitere Schwachstelle ist: In vielen Unternehmen fehlen geeignete Projektmanagementstrukturen. Das heißt: Es sind weder die notwendigen Rollen definiert, noch existieren die erforderlichen Gremien für ein funktionierendes Projektmanagement. Zudem existiert kein Projektmanagementhandbuch, in dem die Regelungen stehen, die im Unternehmen für die Planung und Durchführung von Projekten gelten. Häufig sind auch die Projektleiter nicht ausreichend qualifiziert. Denn viele Unternehmen unterschätzen, wie hoch die fachlichen, persönlichen und kommunikativen Anforderungen an Projektleiter bei bereichs-, standort- oder gar unternehmensübergreifenden strategischen Vorhaben sind. In solchen Fällen sind die Projektleiter meist „Projektunternehmer“ – so groß ist ihre Verantwortung.
Projektverantwortliche unterstützen
Deshalb empfiehlt es sich bei derartigen Projekten, den Leiter und das Team durch ein Projektcoaching zu unterstützen – speziell in Unternehmen, die wenig Erfahrung mit komplexen strategischen Projekten haben. Ein solches Coaching muss zweierlei leisten:
- Das Klientensystem fachlich beraten: Der Projektcoach muss den Projektbeteiligten das erforderliche Know-how z.B. in Sachen Projektmanagement zur Verfügung stellen oder vermitteln.
- Das Klientensystem bei der Projektarbeit begleiten und beim Entwickeln von (neuen) Lösungsansätzen unterstützen: Der Projektcoach muss den Projektbeteiligten als Feedback– und Impulsgeber zur Seite stehen und ihnen durch seine Interventionen z.B. neue Sichtweisen eröffnen und Handlungsperspektiven aufzeigen.
Darüber hinaus dient das Projektcoaching dazu, bei den Beteiligten die nötigen Kompetenzen und die erforderlichen Strukturen aufzubauen, damit das Unternehmen ähnlich komplexe Projekte künftig ohne externe Unterstützung initiieren und kontrolliert abwickeln kann.
Christine Goebel-Born arbeitet als Consultant für die Unternehmensberatung Machwürth Team International (MTI Consultancy), Visselhövede, für die weltweit 450 Berater, Trainer und Projektmanager tätig sind. Vor ihrer Beratertätigkeit war sie fast ein Jahrzehnt bei einem Technologiekonzern für die Einführung hochinnovativer Produkte zuständig. Ihre Beratungsschwerpunkte liegen in den Themenfeldern (internationales) Projekt-, Prozess- und Change Management sowie Leadership Development.
Machwürth Team GmbH, Dohrmanns Horst 19, 27374 Visselhövede, Tel.: 04262-9312-0, Fax: 04262-3812, info@mwteam.de, www.mticonsultancy.com
Interaktionen berücksichtigen
Beim Projektcoaching werden Unternehmen stets als soziale, interagierende Systeme betrachtet. Das Projektumfeld und die Interaktionen im System Unternehmern werden also in die Überlegungen einbezogen. Entsprechend erfolgt die Auswahl der Interventionen. Das heißt, dass beim Planen des Vorgehens u.a. berücksichtigt wird
- welche Ziele das Unternehmen mit dem Projekt erreichen möchte,
- welche Vorerfahrung die Organisation (neben den unmittelbar Projektbeteiligten) mit solchen Projekten hat,
- welche weiteren Projekte und Veränderungsprozesse im Unternehmen laufen und
- mit welchen Reaktionen seitens der Betroffenen im Projektverlauf zu rechnen ist.
Dabei lässt der Coach die Beteiligten bewusst an seinem Fachwissen teilhaben – denn es geht auch darum, sie in Sachen Projektmanagement zu schulen. Der Coach trägt jedoch stets nur die Verantwortung für den Beratungs- und Begleitprozess – nie für die inhaltlichen Ergebnisse der Projektarbeit. Hierfür zeichnen die Beteiligten in ihren verschiedenen Rollen und Funktionen verantwortlich. Denn nur durch das gemeinsame Entwickeln von Lösungsansätzen entsteht bei ihnen das Commitment, das langfristig den Erfolg garantiert.
Die vier Pfeiler im Projektcoaching: Kultur, Ziele, Skills und Struktur. (Bild: Machwürth Team International)
Auch das Projekt selbst wird beim systemischen Coaching als ein soziales (Sub-)System verstanden, mit den folgenden vier Grundpfeilern: Projektkultur, Projektziele, benötigte Skills und Projektstruktur (siehe Grafik). Zu welchen Interventionsmethoden man beim Projektcoaching greift, hängt davon ab, in welchen der vier Bereiche Entwicklungsbedarf besteht. So können z.B. (Projektmanagement-)Trainings beim Coachen eine wichtige Rolle spielen, wenn Wissensdefizite bestehen. In anderen Projekten kann der Fokus auf Organisationsentwicklungs- oder Change-Management-Maßnahmen liegen, wenn Defizite auf der Struktur- oder Kulturebene bestehen.
Der Projektcoaching-Prozess
Analyse
Ein Projektcoaching startet stets mit einer Analyse der Ist-Situation: Mit den relevanten Beteiligten (z.B. Projektleitern, Programm-Managern, Personalentwicklern, Abteilungsleitern, erfahrenen Projektteammitgliedern) wird eine Bestandsaufnahme durchgeführt und eine SWOT-Analyse erstellt. Dies kann durch Telefoninterviews geschehen, wenn der Zeitaufwand für die Beteiligten gering gehalten werden soll. In der Regel wird jedoch ein mehrstündiger Workshop durchgeführt. Dies hat den Vorteil, dass das Gemeinsamkeitsgefühl und somit das Commitment bereits in einer frühen Phase gestärkt wird.
Ziele und Maßnahmen
Im nächsten Schritt werden die Ziele des Coachings definiert. Das geschieht mittels einer strukturierten Befragung der Key-Stakeholder, wie sie den Ideal- oder Wunschzustand beschreiben würden. Über einen Vergleich der Ergebnisse mit dem Ist-Zustand werden die Schwachstellen ermittelt, für die anschließend ein Interventionsdesign definiert wird.
Das Definieren der Ziele und Maßnahmen muss im persönlichen Gespräch erfolgen, um Klarheit zu schaffen und unterschiedliche Erwartungshaltungen zu vermeiden. Auf Basis der definierten Maßnahmen erfolgt dann eine erste zeitliche Abschätzung des Aufwands. Außerdem werden Qualitätskriterien festgelegt und es wird der Kostenrahmen bestimmt. Ein Projektcoaching-Prozess kann zwischen einem Monat und einem Jahr dauern.
Umsetzung
Nach Vertragsabschluss werden die vereinbarten Maßnahmen umgesetzt. Der Projektcoach ist nun in regelmäßigen Abständen vor Ort beim Kunden, um Gespräche zu führen, Sitzungen zu moderieren, Schulungen durchzuführen, Dokumentationsstrukturen anzulegen, Tools einzuführen und vieles mehr – je nachdem, was die Situation erfordert.
Während der Durchführungsphase finden regelmäßig Review-Meetings mit den Auftraggebern des Projektcoachings statt. In ihnen wird überprüft, ob die Zwischenziele erreicht wurden und die Qualitätskriterien erfüllt sind. Gegebenenfalls werden Kurskorrekturen vorgenommen. Diese Review-Meetings werden von Anfang an in den Coaching-Prozess eingeplant.
Evaluierung, Transfer und Feedback
Sind die Maßnahmen abgeschlossen, folgt die Evaluierungs- und Transferphase. Für den Transfer werden Vereinbarungen zur eigenständigen Umsetzung getroffen. Fortan ist es die Aufgabe der Zielorganisation, das Umsetzen der Vereinbarungen zu monitoren. Bei der Evaluation werden auch die Geschehnisse der letzten Wochen oder Monate reflektiert: „Was lief gut, was weniger gut?“ „Was werden wir beim nächsten Projekt anders machen?“ Gegenseitiges Feedback rundet das Projektcoaching ab. Nicht nur der Coachee (z.B. der Projektleiter) erhält ein Feedback, sondern auch der Projektcoach vom Coachee und Auftraggeber, sodass im Ziel- und im Coaching-System positive Veränderungen stattfinden können.
Fazit: Know-how ohne Ansehen der Inhalte
Durch ein systemisches Projektcoaching können auch in Unternehmen mit wenig Erfahrung komplexe Projekte auf die Erfolgsspur geführt werden. Zudem kann die Kompetenz in Sachen Projektmanagement bei den Projektbeteiligten erhöht werden.
Wie erfolgreich ein Projektcoaching verläuft, hängt stark davon ab, ob der Coach die richtige Balance zwischen Fachberatung und Prozessbegleitung findet. Er muss sich bei seiner Arbeit immer einen neutralen Blick bewahren und darf sich nicht in inhaltliche Projektfragen verwickeln lassen. Durch Wertschätzung aller Projektbeteiligten muss er ihm gelingen, festgefahrene Muster in der Zusammenarbeit der Beteiligten zu erkennen und sie zu neuen Sicht- und Verhaltensweisen zu ermutigen.