Supply-Chain-Krisenmanagement: Wie Firmen in der Krise die Produktion finanzieren

Die Corona-Pandemie hat aufgezeigt, wie empfindlich die modernen Liefer­ketten sind, speziell in der Just-in-Time-Produktion. Diese Effekte der Krise lassen sich finanzierungs­technisch aber abfedern. Die Instrumente sind bereits gut erprobt, zum Beispiel Sale and Lease Back, Factoring und Finetrading.

Produktion und Finanzierung in Corona-Zeiten

Von Dirk Oliver Haller, Deutsche Finetrading AG

Wie reagiert eine weltweit vernetzte Wirtschaft, die dem Credo von Just in Time folgt, auf eine Pandemie wie Corona? Sie taumelt, stößt an ihre Grenzen und offenbart uns ihre größten Defizite. Besonders eindrücklich sind diese Schwächen im Bereich des Supply-Chain-Managements zutage getreten. Wenn ganze Staaten (wie gegenwärtig Israel) den Lockdown ausrufen, gerät das sorgsam austarierte Timing der Lieferketten durcheinander. Die Folge: Güter­verknappung. Höchste Zeit, die Weichen in Finanzierung und Produktion neu zu stellen, um angesichts rasant steigender Infektions­zahlen (wie u.a. in Frankreich) für einen zweiten Shutdown gewappnet zu sein.

Die produktions­strategische Trias

Was die ersten Lockdowns bzw. Shutdowns gezeigt haben, ist die Anfälligkeit der Just-in-Time-Produktion. Bereits wenige Störfaktoren können die fein abgestimmten Lieferketten empfindlich treffen. Für Industrien, die auf die punktgenaue Zulieferung angewiesen sind, ist das ein signifikantes Risiko. Es gibt drei Strategien – jeweils mit der Maxime krisenfester Produktions­sicherheit –, damit der Herstellungs­prozess in einem solchen Szenario nicht zum Stillstand kommt:

  • Zentralisierung – mit dem Ziel, Produktions- und Zuliefer­strukturen zu konzentrieren, um so die Abhängigkeit von globalen Entwicklungen zu reduzieren.
  • Diversifizierung – mit der Aussicht, auf problematische Markt­veränderungen flexibler reagieren zu können, indem die Produktions­struktur um Supplementär- und Alternativ­optionen erweitert wird.
  • Absicherung – über die Aufstockung des eigenen Lager­bestandes, sodass im Fall knapper Waren­verfügbarkeit mehr Handlungs­spielräume als bisher bestehen.

Wendepunkt im Financing

Während die ersten beiden Ansätze mit längeren Umstrukturierungs­prozessen einhergehen, dürfte der Aufbau eines „Rückgriff­lagers“ verhältnismäßig kurzfristig realisierbar sein. Eine flankierende Finanzierungs­strategie braucht allerdings jedes der drei Konzepte. Betrachtet man die hohe Dynamik des Infektions- und damit auch des staatlichen Regulierungs­geschehens, können die Ausrichtungen bereits in kürzester Zeit virulent werden. Zeitnahe Liquidität ist damit die zweite zentrale Voraus­setzung für den Erhalt unter­nehmerischer Handlungsfähigkeit.

Banken sind in der Regel der erste Ansprech­partner, wenn es um neues Fremdkapital geht. Doch ist deren traditionelle Herangehens­weise durch die Abfrage von Sicherheiten und eine umfassende Liquiditäts­prüfung mit einem hohen bürokratischen und folglich zeitlichen Aufwand verbunden. Das ist Zeit, die fehlt, wenn eine schnelle Reaktion auf Veränderungen in der Liefer­kette erforderlich ist. Darauf reagieren neue Anbieter mit modernem, banken­unabhängigem Financing und einer Vielzahl alternativer Finanzierungsmodelle.

Vorhandene Vermögenswerte aktivieren

Sind im Betrieb werthaltige Güter vorhanden, lohnt sich ein Blick auf das Sale-and-Lease-Back-Verfahren. Dabei verkauft das Unternehmen wertvolle Betriebs­mittel an eine Leasing-Gesellschaft. Damit einher geht zugleich ein Leasing-Vertrag, der dem Unternehmen gegen Leasing-Raten wiederum die Nutzungs­möglichkeit an den Betriebsgütern einräumt, sodass es weiter damit wirtschaften und Umsatz erzielen kann. Für den Betriebs­ablauf ändert sich damit wenig. Und trotzdem steht neues Kapital nach einem meist kurzen Entscheidungs­prozess von nicht länger als vier Wochen zur Verfügung.

Doch auch andere Vermögenswerte können kurzfristig in frisches Kapital umgewandelt werden, zum Beispiel Forderungen, die bei laufendem Betrieb und grundsätzlich guter Marktposition stetig neu entstehen. Factoring-Gesellschaften sorgen dafür, dass diese bereits vor Zahlung durch den eigentlichen Kunden für Struktur­investitionen verwertet werden können. Dazu kaufen sie dem Unternehmen die Forderungen – abzüglich einer Finanzierungs­gebühr und eines Sicherungs­einbehalts – zu 80 bis 90 % des Gegenwerts ab. Zahlt der Kunde, wird auch der Einbehalt ausgezahlt. Der Großteil des Forderungs­werts steht allerdings schon vorher als Investitionskapital bereit.

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Finetrading Schritt für Schritt. (Bild: DFT)

Mit Finetrading Zulieferungen absichern

Das wohl spezifischste Financing-Instrument im Supply-Chain-Management ist das Finetrading, das u.a. die Vorfinanzierung von Waren­ankäufen ermöglicht. Der Finetrader tritt in die Position des Abnehmers und erfüllt die Ankaufs­verbindlichkeit zügig innerhalb des Skonto­zeitraums. Empfänger der Ware bleibt das verarbeitende Unternehmen, das dann mit einem deutlich verlängerten Zahlungs­ziel den Kaufpreis inklusive Finanzierungs­gebühr beim Finetrader tilgt. Die Vergünstigung durch das eingeräumte Skonto macht das Modell zusätzlich attraktiv.

Serie: Finetrading
Teil 1 erklärt, wie Waren­einkaufs­finanzierung zu­sätz­liche Liqui­dität generiert. Teil 2 rechnet Kon­ditio­nen und Limits durch. Teil 3 prüft, wann und für wen Fine­trading Früchte trägt.

Im Hinblick auf die Supply-Chain-Relations wirkt sich Finetrading in zweifacher Hinsicht positiv aus. Die Vor­finanzierung ermöglicht erstens die Absicherung durch erweiterte Lager­bestände. Zweitens ist Finetrading, regelmäßig angewandt, durch die schnelle Zahlung ein Garant für eine Best-Practice-Performance gegenüber dem Zulieferer – ein wesentlicher Faktor, wenn der Anbieter bei verknappter Güterlage entscheiden muss, welcher Abnehmer zuerst beliefert wird.

Showdown vor dem Shutdown

Der coronabedingte Shutdown hat bei all seinen Schattenseiten gezeigt, dass wir bereit sind, neue Modelle in Produktion und Finanzierung zu denken. Just-in-Time-Fertigung und konventionelle Kredit­finanzierung haben sich lange bewährt. Doch sind sie längst nicht mehr die alleinigen Erfolgs­garanten der Zukunft. CFOs von heute müssen neue Wege beschreiten, um ihre Unternehmen finanziell gestärkt aus der Pandemie zu führen.

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Dirk Oliver Haller ist Gründer und Geschäfts­führer der 2010 gegründeten DFT Deutsche Finetrading AG. Er blickt auf 25 Jahre Berufs­erfahrung im Handel zurück und agiert gemeinsam mit seinem Team vom Unternehmens­sitz in Ladbergen in Nordrhein-Westfalen aus national und international. Von der Waren­finanzierung über die Import- und Export­finanzierung bis hin zur Lager­finanzierung bietet die DFT ihren Kunden Finanzierungs­lösungen an.


DFT Deutsche Finetrading AG, Am Kanal 2–4, 49549 Ladbergen, Tel.: 05485-83009-0, info@dft-ag.de, www.dft-ag.de.

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