Auf den Kundendienst hören Firmen am ehesten
Von Peter Schreiber, Peter Schreiber & Partner
Wie entwickelt sich die Konjunktur? Auf diese Frage haben viele Unternehmen aktuell keine Antwort. Deshalb halten sie sich mit Investitionen zurück. Das spüren z.B. viele Hersteller von Industriegütern seit Monaten an ihren Auftragseingängen. Also halten auch sie sich mit Anschaffungen zurück, was die Situation verschärft.
Für viele im B2B-Bereich tätige Unternehmen sind die Chancen auf ein signifikantes Wachstum aktuell eher klein. Deshalb stehen bei ihren Planungen Renditebetrachtungen im Vordergrund. Das heißt, sie wollen entweder mit dem bisherigen finanziellen Aufwand zusätzlichen Ertrag erwirtschaften oder aufgrund wegbrechender Erträge den Aufwand reduzieren. Effizienzsteigerung lautet aktuell ihre Maxime im Vertrieb.
Vertriebseffizienz setzt am Kundenkontakt an
Beim Steigern der Vertriebseffizienz lassen sich drei Bereiche unterscheiden, bei denen die Hersteller von Industrie- und Investitionsgütern den Hebel ansetzen können:
- der Vertriebsinnendienst,
- der Kundendienst und
- der Vertriebsaußendienst.
Und wenn es darum geht, dort die Effizienz zu erhöhen? Dann stehen ihnen erneut drei Hebel zur Verfügung:
- die Menschen,
- die Prozesse und
- die verkaufsunterstützenden Tools wie moderne CRM-Systeme und Angebotsmanagement-Konzepte.
Peter Schreiber ist Inhaber des auf den B2B-Vertrieb von Industriegütern und -dienstleistungen spezialisierten Vertriebs- und Managementberatung Peter Schreiber & Partner. Er ist u.a. Dozent am Zentrum für Unternehmungsführung (ZfU), Zürich, und Lehrbeauftragter für Verkaufsmethodik an der Hochschule Mannheim, Fakultät Wirtschaftsingenieurswesen.
Peter Schreiber & Partner, Eisenbahnstraße 20/1, 74360 Ilsfeld-Auenstein, Tel. 07062-96968, zentrale@schreiber-training.de, www.schreiber-training.de
Der Innendienst darf Bedürfnisse herausfinden
Die Vertriebsinnendienstmitarbeiter vieler Hersteller von Investitionsgütern verstehen sich – im Gegensatz zu den Außendienstmitarbeitern – kaum als Verkäufer. Ihre Mentalität entspricht der von Verwaltern, die die eingehenden Aufträge und Kundenanfragen verbuchen und der Reihe nach abarbeiten. Entsprechend reaktiv ist ihr Verhalten – per Telefon oder Mail. Sie erkunden nur selten: Welches weitere Potenzial hat der (potenzielle) Kunde? Und: Welche Chance haben wir, den Auftrag zu erlangen? Dabei wäre dies nötig, um die Angebots-Hitrate zu erhöhen.
Nachfragen – und Zusatzbedarf eruieren
Angenommen, ein Unternehmen interessiert sich für eine Pumpe. Dann fragt ein fitter Verkäufer im Innendienst eines Komplettanbieters nach, welche Armaturen der Kunde zudem benötigt. Ob die Pumpe z.B. mit einer Drehzahlregelung zur Reduzierung der Energie- und Verschleißkosten ausgerüstet werden soll, was auch noch den Wirkungsgrad und die Verfügbarkeit steigern würde. Außerdem fragt er, wie das Instandhaltungskonzept des Kunden aussieht und welche Servicedienstleistungen von Interesse sind. Mit anderen Worten: Er nutzt alle Möglichkeiten von Zusatzverkauf und Cross-Selling. Zudem erfragt er die Auftragschancen und den Entscheidungsprozess, um seinen Kollegen im Außendienst die (Neukunden-)Akquise zu erleichtern.
Dieses Nach- und Erfragen fehlt in der Praxis oft. Deshalb können die Innendienstmitarbeiter häufig weder einschätzen, welches Potenzial der Interessent noch welche Auftragschance ihr Unternehmen hat. Unklar bleibt ihnen auch, welche Faktoren für die Kaufentscheidung ausschlaggebend sind. Folglich können sie ihre Angebote auch nicht so formulieren, dass der Kunde mit einer hohen Wahrscheinlichkeit kauft.
Analysieren und turnusmäßg nachhaken
Ein professionelles Angebotsmanagement setzt voraus, dass die Anfragen qualifiziert werden. Das heißt: Die Vertriebsmitarbeiter müssen wissen, bei welchen Anfragen sich ein Engagement lohnt – aufgrund des Potenzials des Kunden und der Auftragschance. Wissen sie dies nicht, investieren sie viel Zeit in Anfragen, bei denen keine realistische Auftragschance besteht. Die Folge: Für eine konsequente Angebotsnachverfolgung bei den Erfolg versprechenden Kunden haben sie kaum Zeit.
Oft ist die Angebots-Hitrate auch schlecht, weil nicht durchdacht ist, ob, wann, wie und durch wen die Angebote nachgefasst werden. Definierte Standards und ausgereifte Wiedervorlage- sowie Offer-Tracking-Systeme fehlen oder werden nicht professionell genutzt. Dasselbe gilt für solch simple Verkaufstools wie Muster für Nachfassbriefe und Checklisten für entsprechende Telefonate. Auch sie fehlen oft oder sind nicht auf dem neuesten Stand.
Der Kundendienst ist glaubwürdiger Ratgeber
Viele Hersteller von Investitionsgütern nutzen viel zu wenig die verkaufsunterstützenden Möglichkeiten des Kundendienstes, um die Vertriebseffizienz zu steigern. Dabei haben die Kundendienstmitarbeiter folgende Vorteile gegenüber den Mitarbeitern im Vertriebsinnen- und -außendienst:
- Kundendienstmitarbeiter werden von den Kunden primär als Techniker und nicht als Verkäufer gesehen. Deshalb begegnen sie deren Empfehlungen mit weniger Vorbehalten.
- Sie gehen oft in Bereichen der Unternehmen ein und aus, zu denen die Vertriebsmitarbeiter selten Zutritt haben, z.B. bei der Fertigung.
- Sie kommunizieren bei ihrer Arbeit mit den Mitarbeitern der Kunden auf der Shopfloor-Ebene. Deshalb genießen sie Vertrauen und erfahren unmittelbarer als die Vertriebsmitarbeiter, wo es im Betriebsalltag klemmt und brennt.
Investitionen anstoßen
Deshalb kann der Kundendienst z.B. zu Ersatzinvestitionen animieren: „Ich komme ja gerne zu Ihnen zum Reparieren. Aber wirtschaftlich sind die häufigen Reparaturen nicht. Noch dazu die Produktionsausfälle. Ich würde Ihnen raten, …“ Dasselbe gilt für Erweiterungsinvestitionen, wenn Kundendienstmitarbeiter sehen, dass ein Kunde am Limit arbeitet. Dann können sie ihm den Kauf einer weiteren oder leistungsstärkeren Maschine empfehlen und ein entsprechendes Signal an den Verkaufsinnen- und -außendienst senden.
Ähnlich verhält es sich bei Neuinvestitionen. Oft bekommen es die Kundendienstmitarbeiter als Erste mit, wenn ein Kunde z.B. mit neuen Werkstoffen oder Verfahren experimentiert oder eine neue Produktlinie plant. Auch dann können sie als „Ohr am Markt“ nicht nur in Erfahrung bringen, was der Kunde konkret plant und wo es bei ihm noch hakt. Sie können an den Vertrieb auch ein Signal senden, welcher Bedarf bei dem Kunden vermutlich entsteht und wo folglich eine Vertriebschance besteht.
Meist sind die Kundendienstmitarbeiter für diese vertriebsunterstützende Funktion aber weder ausreichend sensibilisiert, noch geschult und motiviert. Außerdem gibt es zu wenig Foren und Kanäle für die Kommunikation der Kundendienst- und Vertriebsmitarbeiter. Deshalb werden vertriebsrelevante Informationen nicht oder unzureichend an die Vertriebsmitarbeiter weitergegeben.
Auf Instandhaltung pochen
Bei Wartungsverträgen spielt der Kundendienst eine ähnliche Schlüsselrolle. Wenn nämlich der Vertrieb den Abschluss eines solchen Vertrags empfiehlt, dann sehen die Entscheider meist nur die Fixkosten. Anders ist es, wenn ein Kundendienstmitarbeiter bereits zum dritten oder vierten Mal beim Kunden ist, weil es irgendwo hakt. „Meint ihr nicht auch, es wäre besser, einen Wartungsvertrag abzuschließen, statt immer wieder panisch anzurufen, wenn eure Maschine stillsteht?“ – damit stößt er bei den Verantwortlichen auf wesentlich mehr Resonanz, als wenn derselbe Impuls von einem Verkäufer ausgeht.
Leider kennen die Kundendienstmitarbeiter die Servicepakete, die ihr Arbeitgeber für seine Kunden geschnürt hat, oft nicht. Und schon gar nicht haben sie entsprechendes Infomaterial oder gar unterschriftsreife Verträge parat. Also können sie die Serviceleistungen den Kunden auch nicht präsentieren (und verkaufen).
Zubehör empfehlen
Beim Verkauf von Zubehör spielt der Kundendienst einmal mehr eine wichtige Rolle. Bietet der Vertrieb bei Anfragen optional noch Zubehör an (z.B. Zuführungen oder Drehzahlregler), dann streicht der Kunde diese Optionen oft aus der Bestellliste, um die Kosten zu senken. Anders ist es, wenn ein Kundendienstmitarbeiter bei der Montage oder bei der Wartung der Maschine sagt „Ich empfehle euch, noch eine Drehzahlregelung einzubauen. Dann habt ihr weniger Verschleiß und geringere Ersatzteilkosten.“ Dann denken die Verantwortlichen meist ernsthaft über die Empfehlung nach – denn sie kam nicht von einem Verkäufer, sondern von einem Mann aus der Praxis.
Der Außendienst kennt seine Pappenheimer
Kundenbesuche sind teuer – auch wegen der damit verbundenen Reisezeiten und -kosten. Entsprechend professionell sollten Außendienstmitarbeiter ihre Besuche planen. Das aber ist häufig nicht der Fall. Man stellt z.B. immer wieder fest, dass Außendienstmitarbeiter regelmäßig Stammkunden besuchen, um Kleinaufträge abzuholen, statt darauf hinzuarbeiten, mit ausgewählten Kunden Abrufaufträge oder Rahmenvereinbarungen abzuschließen.
Ein weiterer Effizienzkiller: Die Außendienstmitarbeiter haben bei der Planung ihrer Aktivitäten zwar das Potenzial eines Noch-nicht-Kunden vor Augen, jedoch nicht die Chance, den Auftrag zu erlangen. Deshalb verschwenden sie oft Zeit mit Kunden, bei denen sich ein Engagement nicht lohnt, zumindest nicht im betriebenen Umfang – z.B., weil diese langfristig vertraglich an andere Lieferanten gebunden sind.
Realistische Ziele setzen
Und bei der Akquise von Wettbewerberkunden? Hierbei verfolgt der Außendienst oft so unrealistische Ziele wie kurzfristig First Tier bei dem Unternehmen zu werden. Realistischer und effektiver wäre es, darauf hinzuarbeiten, bei dem Wettbewerberkunden zunächst Zweit- oder Drittlieferant zu werden – dann hätte das Unternehmen zumindest einen Fuß in der Tür. Bezogen auf das taktisch, strategisch und psychologisch richtige Vorgehen, beim Versuch Wettbewerber zu verdrängen, sollten die Vertriebsteams der Investitions- und Industriegüterhersteller regelmäßig geschult werden. Denn nur dann können sie in der Champions League spielen.
Trainiert werden sollten die Außendienstmitarbeiter auch darin, das Potenzial beim Kunden besser auszuschöpfen – z.B. durch eine Erhöhung des Lieferanteils oder ein Cross-Selling in andere Bereiche. Häufig stellen sich Unternehmen zwar die Frage „Wie kommen wir an neue Kunden?“, aber weniger konsequent fragen sie sich: „Welche anderen Bereiche oder Werke unserer Kunden X könnten ebenfalls unsere Lösungen gebrauchen? Oder welche Töchter des Konzerns Y, den wir bereits als Kunden haben?“ Dabei wäre hier die Auftragschance oft höher als bei Unternehmen, mit denen die Anbieter noch keinerlei Geschäftsbeziehung haben.
Gewinn besteht aus vertretbaren Preisen
Ein Dauerbrenner beim Thema Vertriebseffizienz sind die Preise. Viele Anbieter neigen dazu, in wirtschaftlich flauen Zeiten nachlässig beim Durchsetzen ihrer Preise zu sein. Und ihre Vertriebsmitarbeiter? Sie scheuen sich, den Kunden notwendige Preiserhöhungen zu verkaufen und gewähren ihnen häufig vorschnell Rabatte – u.a., weil ihnen nicht bewusst ist, wie stark schon kleine Preisnachlässe den Gewinn und Ertrag eines Unternehmens schmälern.
Angenommen die Gewinnmarge eines Unternehmens beträgt 10 % bei einem jährlichen Umsatz von 10 Mio. Euro. Dann sinkt bei einem Preisnachlass von 2 % der Gewinn von 1 Mio. auf 800.000 Euro – also um 20 %. Und es kommt noch schlimmer: Um die verlorenen 200.000 Euro wieder zu erwirtschaften, müsste bei einer Gewinnmarge von 10 % ein zusätzlicher Umsatz von 2 Mio. Euro erzielt werden. Dies würde eine Umsatzsteigerung von 25 % bedeuten. Diese Steigerung zu erzielen, ist in wirtschaftlich flauen Zeiten sehr viel schwieriger als Preisnachlässe nicht zu gewähren – das nämlich klappt mit einer professionellen Preisverhandlungstaktik, verbunden mit einer sauberen Kosten-Nutzen-Argumentation.
Schwarz auf Weiß
Eine ausführliche Darstellung zum Thema Vertrieb für den Mittelstand gibt Dr. Jürgen Kaack im Ratgeber „Der optimale Vertrieb – Erfolgsfaktor im Wettbewerb“, den Sie online kostenfrei im Pressezentrum des MittelstandsWiki bekommen.
Fazit: Service und Vertrieb auf Verkauf schulen
Deshalb sollten Verkäufer gerade in wirtschaftlich mauen Zeiten zum Thema Preisverhandlungen geschult werden. Sonst knicken sie bei Verhandlungen schnell ein. Und die Effizienzsteigerungen, die aufgrund eines verkaufsoffensiven Innendiensts, eines konsequenten Angebotsmanagements und einer stärkeren Nutzung des Kundendiensts als „Ohr am Markt“ erzielt wurden? Sie sind für die Katz, wenn sie in den Preisverhandlungen wieder verschenkt werden.